Wien im Mittelalter

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Wien 1485 S 2.jpg
Zwischen 1162 und 1275 nahm Ottokar II von Böhmen die erste Stadterweiterung vor - Wien bildete sich bereits zu einer Form, wie sie heute als Erster Bezirk noch immer vorhanden ist. Zum Schutz der Stadt wurde eine Befestigungsanlage erbaut, die als babenbergische Stadtummauerung bekannt ist.

Die umgebende Mauer war mit Zinnen ausgestattet und von Toren durchbrochen. Jedes dieser Tor war zum Schutz mit einem Turm ausgestattet, in Summe konnte man 20 solcher Türme zählen.

(Bild: Erstes Bild von Wien aus dem Jahr 1485 [1])


Wien aus Sicht eines Poeten

Die Minnnesänger im Verein

Im Jahr 1260 verfasste ein Minnesänger namens "Der Freudenleere" ein Loblied auf Wien, das noch heute aktuell klingt:

Mittelalterliches Lob auf Wien
Wien, das ist Lobes wert

da findet man Ross und Pferd,
großer Kurzweile viel,
Sagen, Singen, Saitenspiel,
das findet man zu Wien genug,
Hübschheit und Ungefug.
Welch Mann hat den Pfenning,
der findet mancherhand Ding,
den Hausen und den guten Wein
und mannig schönes Fräuelein
viel wonniglichen Mutes
und reich des Gutes.

Das Lied nennt sich "Der Wiener Meerfahrt" und erzählt von Wiener Bürgern, die bei Wein und Speisen zusammensaßen und über Pilgerreisen und Kreuzfahrten philosophierten. Durch ihre Phantasie und den Alkohol angestoßen, glauben sie bald, sich tatsächlich auf einer Schifffahrt am Meer zu befinden. Der Söllner wird zum Schiff, der die Passagiere mit noch mehr Wein versorgt. Als alles zu schwanken beginnt, denken sie, sie wären in Seenot geraten und machen einen bereits unter dem Tisch Liegenden dafür verantwortlich. Als Strafe packen sie den Betrunkenen und werfen ihn über Bord ins Meer - also aus dem Fenster des Wirtshauses. Der bricht sich Arm und Bein, entdeckt wird das jedoch erst, als die Meerreisenden ihre Räusche ausgeschlafen hatten. Am Ende des Liedes warnt der Dichter vor allzu hohem Weinkonsum, empfiehlt aber trotzdem, diesen in Maßen zu genießen.

... und aus Sicht eines Humanisten

Der Humanist Aeneas Sylvius, eigentlich Enea Silvio Piccolomini, später Papst Pius II. (*18.10.1405 - †15.8.1464), schrieb in einem Brief im April 1438 an einen Freund in Basel über die machtvolle Stadtummauerung. Der Text wurde von J. v. Hormayr übersetzt. [2]

.... Die Ringmauer der Stadt beträgt 2000 Schritte; aber sie hat weitläufige Vorstädte, die gleichfalls ein mächtiger Graben und Wall einschließt. Der Graben der Stadt ist breit, der Wall sehr hoch, die Mauern dick und erhaben, mit häufigen Türmen und Bollwerken, zur Verteidigung trefflich. Der Bürger Häuser sind hoch und geräumig, wohlgeziert, gut und fest gebaut; ein angenehmer Hofraum, mächtige Zimmer, die sie Stuben nennen und heizen, denn der Winter ist sehr rau. Überall sind Fenster von Glas und Türen und Gitter meist von Eisen, die Vögel singen in den Stuben und man erblickt zahlreiches und köstliches Gerät. Den Rossen und jeder Gattung Zugvieh öffnen sich weite Ställe. Die Häuser tragen ihre Giebel hoch, sie sind mit Geschmack und Pracht verziert, meist von innen und außen bemalt, durchaus von Stein, die Dächer aber leider meist von Schindeln, wenigere mit Ziegeln gedeckt.

Wo du zu einem Bürger gehest, meinst du, in eines Fürsten Haus zu treten. Die Häuser der Prälaten und des hohen Adels sind frei und der Stadtmagistrat hat keine Gerichtsbarkeit in ihnen. Die Keller sind so tief und so weit, dass das allgemeine Sprichwort gilt, es gebe ein oberirdisches und ein unterirdisches Wien. Die Straßen und Gassen sind mit hartem Gestein gepflastert, das den Wagenrädern sehr gut widersteht. Dem Herrn des Himmels und der Erden und seinen Heiligen sind herrliche Kirchen erbaut, aus behauene Steinen, groß und hell und mit herrlichen Säulenordnungen, vielen und kostbaren Reliquien, mit Gold, Silber und Edelgestein, reichem Kleinod und Kirchengerät....

Wiens Bewohner im Mittelalter

Die Einwohner der mittelalterlichen Stadt, zwischen 1278 und 1411, bestanden aus Handwerkern, Kaufleuten und Erbbürgern. Für den Aufenthalt jeder Gruppierungen galten unterschiedliche Voraussetzungen.

Handwerker waren in Zechen (altdeutsch im norddeutschen Raum auch als "Gilde" bezeichnet) organisiert. Diese Zechen bildeten sich aus einem Berufsstand (wie den Schlossern oder den Seilern), und regelten die Auftragslage, die Ausbildung und teilweise auch das Vermögen der Zunft. Sie betrieben ein Handwerk oder und verkauften ihre Ware auch selbst. Die Kaufleute erzeugten nichts, sie verkauften unterschiedlichste Waren.

Die Handwerker und Händler zogen meist von auswärts in Wien ein, und mussten einige Auflagen erfüllen, um Bürger werden zu können. So benötigten sie einen Bürgen, der deren Steuerzahlungsfähigkeit und Unbescholtenheit garantieren, und mussten einen Bürgereid ablegen. Die Zeremonie inkludierte auch die Zahlung einer "Bürgertaxe", die mit einem halben Pfund Wiener Pfennig bemessen war. Wenn kein Geld verfügbar war, reichte auch eine Abgeltung in Waffen. 1368 wurden so 47 Bürger aus dem Handwerksstand in Wien aufgenommen, die ursprünglich aus München, Nürnberg, Klosterneuburg, Gloggnitz oder auch Pressburg eingewandert waren.

Die Erbbürger (auch "Ratsbürger") hingegen, die auf das römische Connubium (Patriziat) zurückzuführen sind, waren Urbürger, sie mussten sich nicht einkaufen oder einen besonderen Eid ablegen, sie hatten ihr Bürgerrecht ererbt. Sie waren aber nicht nur "Bürger", sie hatten auch besondere Rechte, wie Grundbesitz in der Stadt und durften (bis 1360) Hausinhabern Besitzurkunden ausstellen. Zudem waren sie ritterlehensfähig, und tatsächlich Eigentümer von Ritterburgen. Am wichtigsten war aber das - auf sie beschränkte - Recht, als Ratsherr, also Stadtrat, in Wien tätig sein zu dürfen. Erst 1396 wurde dieses Recht auf Kaufleuten und Handwerkern zugestanden. Zu dieser Zeit handelt es sich um ein "Ehrenamt", es gab dafür keine Entlohnung, dafür jedoch Einfluss.

Die Erbbürger lebten meist, da sie ja keine Einkünfte aus einem Handwerk oder Gewerbe hatten, vom Weinbau. Diese Weingebiete lagen teilweise in der Stadt, bekannt sind jedoch vor allem Weingüter im Bereich des Rennwegs, an der äußeren Wieden, bei Meidling, Hetzendorf oder den Wiener Hausbergen. Vor allem der "Gumpendorfer" erfreute sich in Wien großer Beliebtheit.[3]

Seltsame Straßennamen

Im Mittelalter finden sich bereits Straßennamen. Allerdings klingen diese oft seltsam, derb oder lustig.

Folgende Beispiele können genannt werden: [4]

Straße heute Bezeichnung im Mittelalter
Auwinkel Sauwinkel
Freyung Auf-dem-Mist
Graben Mehlzeil
Landskrongasse Kochlöffelgasse
Lugeck Marcus-Curtius-Loch
Rauhensteingasse Auf der Tacken
Schauflergasse Schaufellucke
Strauchgasse Im Fluder

Die Bewachung der Stadt im Mittelalter

Wiener Stadtguardia zu Beginn des 17. Jahrhunderts [5]

Im Mittelalter waren für die Bewachung der Stadt, ihrer Tore und die Einhaltung der Gesetze die Bürger selbst (Genannte) zuständig. Zeitweise ernannte man dafür auch eigene Stände, wie um 1500 die Bogner und Pfeilschnitzer. Sie waren dafür von der "Schatzsteuer" befreit. 1408 wurden zusätzlich erste Polizisten eingesetzt, man kannte sie als "Diebsschergen". Eines ihrer Gefangenenhäuser war das Diebsschergenhaus am Tiefen Graben 23. 1563 wurde ein "Sterzmeister" eingesetzt, der auch als "Bettlervogt" bekannt war. ihn unterstützte die Gerichtswache. Hinzu kamen die Burgwache, die im Schweizerhof stationiert war, und die Arsenalwache. 1569 wurde schließlich die Stadtguardia gegründet. [6]

Gerichtsbarkeit im Mittelalter

Ratstafel mit Genanntenliste

Im Mittelalter bildete die Stadt ein Kollegium, das aus "Genannten" bestand. Sie hatte die Aufgabe, sich um die allgemeine Verwaltung, die Finanzen und vor allem die Rechtspflege zu kümmern. Bei den Genannten handelte es sich im Jahr 1221 um 100 besonders angesehene Bürger, vor allem Patrizier und hausbesitzende Handwerker, später verdoppelte sich die Anzahl. Bei Gerichtsverhandlungen zog der Stadtrichter 12 der Genannten für die Urteilsfindung ein, auch bei wichtigen Rechtsgeschäften zwischen Bürgern wurden die Genannten einberufen.

Im Wien Museum befindet sich eine "Ratstafel mit Genanntenliste" aus dem Jahr 1475. Das Holztriptychon ist 87 Zentimeter hoch und aufgeklappt 1,5 Meter lang und zeigt an seiner Außenseite vier Wappen. Links oben sieht man das Wappen der babenbergischen Stammlande, darunter den Doppeladler des Landes. Rechts oben erkennt man das österreichische Bindenschild, darunter das Wappen Wiens.

Der Schriftzug über den Schilden lautet: "Hie ijn stent geschriben die gnanten der stat". Und tatsächlich, klappt man die Tafel auf, erscheinen Pergamentseiten mit aufgelisteten Namen. Daneben befinden sich noch drei Spalten, die die Gewerbeordnungen der Köhler, Kohlenführer und Kohlenträger von 1423 enthalten, die Gewerbeordnung der Weinmeister aus dem Jahr 1434 und eine Weingartenordnung mit Vorschriften für Fasszieher, Maurer und Zimmerleute. Auch die Zugelassenen Weinmaße aus dem Jahr 1412 sind ersichtlich. [7]

Am 16. August 1522 löste man das Kollegium auf, es wurde durch einen "Inneren Rat" ersetzt, der nun aus 76 Räten bestand. Ausschlaggebend für diesen Schritt war ein Mitglied der Genannten und Bürgermeister der Stadt, Martin Siebenbürger (auch Mert Capinius, * um 1475 Hermannstadt (?), † 11. August 1522 Wiener Neustadt durch Hinrichtung). Er war bei der Vertreibung des Regiments von Maximilian I. aus Wien maßgeblich beteiligt und galt damit als Verräter. Er und einige seiner Ratskollegen wurden im "Wiener Neustädter Blutsgericht" enthauptet.

Weitere Themen zum mittelalterlichen Wien

Mehr über die mittelalterliche Stadtmauer erfährt man hier:


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Quellen

  1. Schlagers Wiener Skizzen aus dem Mittelalter, Berlach&Wiedling, Wien, Leipzig, 1915, S. 2
  2. Hans Tietze: Alt-Wien in Wort und Bild, Anton Schroll & Co, 1924, Wien. S. 11
  3. Johann Evangelist Schlager: Alterthümliche Ueberlieferungen von Wien aus handschriftlichen Quellen. Grund, Wien, 1844, S. 19 ff
  4. A. Realis: Geschichten, Sagen und Merkwürdigkeiten aus Wien's Vorzeit u. Gegenwart: Mit Benutzung vaterländischer Balladen von J. N. Vogel, Hagenauer, Wien, 1841. S. 12
  5. Eugen Messner: Die Innere Stadt Wien. Österr. Bundesverlag, 1928, Leipzig. S. 57
  6. Eugen Messner: Die Innere Stadt Wien. Österr. Bundesverlag, 1928, Leipzig. S. 57
  7. Wien Archiv, Archiv Verlag. Blatt W 05002