Vindobona entsteht
Vindobona entsteht – hier beginnt Wien als „Grenz-Start-up“ am Donaulimes: Die Römer übernehmen eine keltische Siedlung, bauen ein Legionslager (castrum) mit Zivilsiedlung (canabae) – und aus Holzbaracken, Straßengittern und Abwasserkanälen wird eine Stadtgeschichte, die bis heute im Grundriss nachklingt.
Kurzüberblick
| Wann? | Wer? | Worum geht’s? |
|---|---|---|
| ab 15 v. Chr. | Rom am Donaulimes | Noricum wird ins Reich eingebunden; an bestehenden keltischen Plätzen entstehen Stützpunkte. |
| Ende 1. Jh. n. Chr. (ab 97) | Legio XIII, später Legio X Gemina | Bau/Übernahme des Lagers Vindobona; Vorstadt (canabae) im heutigen 3. Bezirk (Rennweg). |
| 2.–3. Jh. n. Chr. | Blüte & Ausbau | Steinbauten, Mauern/Gräben, Werkplätze; das Straßennetz prägt bis heute Wiens 1. Bezirk. |
Wie entsteht Vindobona?
Im 1. Jh. n. Chr. besetzen die Römer die keltische Siedlung an der Donau (das heutige Stadtzentrum) und richten ein Militärlager (castrum) mit einer Zivilstadt (im heutigen 3. Bezirk gelegen, canabae) ein; Baubeginn um 97 n. Chr. (zunächst Holzbaracken, nachweisbar Am Hof). Die Kasernen sind mit geschotterten Straßen verbunden, flankiert von Abflussrinnen – frühe Stadthygiene inklusive.[1]
Lager & Stadtplan
Das Lager maß etwa 455 × 500 m – kein perfektes Rechteck, sondern an Hochwasser und Seitenarme der Donau angepasst. Noch heute sind die ehemaligen Mauern des Lagers erkennbar, sie verliefen entlang der Straßen Tiefer Graben, Naglergasse, Graben, Kramergasse, Rotgasse, Rabensteig und etwa parallel zum Salzgries.
Da das römische Lager auf drei Seiten von Flussläufen eingegrenzt war - durch die Rotenturmstraße und den Tiefen Graben verliefen Seitenarme der Donau - galt es als gesichert - nur die Südflanke im Bereich der Naglergasse lag ungeschützt. Hier befand sich das rückwärtige Lagertor, die Porta Decumana. Vor diesem Tor lag ein Graben - tatsächlich der heutige Graben - und ein breiter Gürtel mit tiefen Fallgruben. [2]
Legionen & Vorstadt
Begonnen von der Legio XIII, übernahm um 110 n. Chr. die Legio X Gemina pia fidelis (pflichtbewusste und getreue) das Lager (Entsendung unter Trajan). Südöstlich entstand die Zivilsiedlung (canabae) im Bereich Rennweg: Brennöfen, Werkplätze, Keramikproduktion und Alltagswirtschaft prägten das Areal – ein „Industriepark“ der Antike.[3]
Auf der Linie: Limes & Nachbarschaft
Vindobona lag in einer Kette römischer Plätze am Strom. Die Verbindungslinie liest sich wie eine Reiseroute: Asturis (Klosterneuburg) → Leopoldsberg → Vindobona → Rennweg (canabae) → Aquae (Baden) → Villa Gai → Ala Nova (Schwechat) → Aequintocticum (Fischamend) → Carnuntum.
Fundgeschichte: Der Grabstein des Titus Flavius Draccus
Einer der frühesten Nachweis für die römische Besiedlungen wurde 1901 erbracht: Man stieß in der Habsburgergasse 9 auf einen Grabstein, der aus der Zeit vor 96 v. Chr. stammt, der des Titus Flavius Draccus.
Das Relief auf dem Grabstein stellt den Kavallerist Flavius Draccus dar, ein Pferdeknecht (calo) hält mit der einen Hand ein Pferd fest, in der anderen trägt er die Waffen des Todes. Bei dem Feldherren handelt sich allerdings um einen "eingebürgerten" Römer (einem Kelten aus Burgund), denn Römer rekrutierten ihre Reiter aus den keltischen Völkern.
Die Inschrift besagt, dass der Reitersoldat mit 45 Jahren, im 22. Dienstjahr, civis Sequanus (aus dem Gebiet der Sequaner), starb:[4]
T(itus) F(lavius) Draccus
Eques Alae I F(laviae) D(omitianae)
Brit(anicae) m(illitarea) c(ivium)
R(omanorurm)
civis Sequanus an(norurm) XXXXV
stupendiorum XXII."
[5]
Mini-Zeitleiste: Vindobona im Kontext
| Zeit | Weltweit | zeitgleich in Wien / Umfeld |
|---|---|---|
| ab 15 v. Chr. | Noricum im Reich; Donaulimes | Keltische Plätze werden römische Stützpunkte |
| 1. Jh. n. Chr. | Ausbau des Limes | Lageranlage bei Wien; Vorstadt (canabae) |
| ab 97 n. Chr. | Flavier/Trajan | Bau-/Umbauphasen, erst Holz, dann Stein (Am Hof) |
| ab ca. 110 n. Chr. | Trajan/Hadrian | Legio X Gemina übernimmt; Rennweg: Produktion/Öfen |
| 2.–3. Jh. n. Chr. | Blüte & Krisen | Mauer-/Grabensystem; Grundriss prägt bis heute den 1. Bezirk |
Mythentrennung (kurz & freundlich)
| Behauptung | Was stimmt? |
|---|---|
| „Der Graben heißt so wegen der Einkaufsmeile.“ | Der Name erinnert an den Lagergraben vor der Südflanke – später überbaut, der Name blieb. |
| „Alles römisch = alles Stein.“ | Frühphasen waren Holz und Erde (Baracken, Gräben). Steinbauten kamen mit dem Ausbau. |
Ansichten
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Quellen
- ↑ Johannes Sachslehner: Wien. Eine Geschichte der Stadt, Pichler Verlag, 2012, Wien, ISBN 978-3-85431-600-8; Wien Museum/Am Hof-Funde.
- ↑ Vgl. Grundriss-Nachzeichnen in der heutigen Straßenflucht (u. a. Graben = ehemaliger Lagergraben)
- ↑ Archiv Wien, Archiv Verlag, Blatt W 01002
- ↑ Wien Museum, Inv.-Nr. MV 670 (Fundort Habsburgergasse 9, 1901), mit Transkription/Übersetzung der Inschrift.
- ↑ Archiv Wien, Archiv Verlag, Blatt W 01001




