Blutgasse 5, 7 und 9

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Haus: Blutgasse 5, 7 und 9 Grund-Informationen
Faehnrichshof1.jpg
Aliasadressen =Blutgasse 5, 7 und 9, =Singerstraße 9
Ehem. Konskriptionsnummer vor 1862: 848, 849, 880, 881 | vor 1821: 898, 899, 934, 935 | vor 1795: 867, 868, 869, 870
Baujahr 16. Jahrhundert, Baukern 13. Jhdt. / Umbau 1960-1966
Architekt unbekannt / Umbau: Herbert Thurner, Friedrich Euler


Architektur und Geschichte

Großer Fähnrichhof

Das Haus Nummer 5 gehört zum ältesten Baubestand und ist ein altes „Pawlatschenhaus“, das Wort kommt aus dem Tschechischen „pavlac“ und bedeutet „enge offene Gänge“. (Daher auch das „Pawlatschentheater“ – eine Stegreifbühne im mittelalterlichen Wien).

Der Fähnrichhof datiert im Baukern bis in das 13. Jahrhundert zurück. Einer Sage zufolge soll einst der Orden der Tempelritter hier sein Hauptquartier bezogen haben. Gesichert ist, dass der Hof zum angrenzenden Nonnenkloster „St. Niklas am Anger“ gehört hatte, das 1272 hier eine Filiale eröffnete (das Niklaskloster lag vor dem Stubentor).

Schon seit dem 16. Jahrhundert ist der Fähnrichhof ein Komplex aus mehreren Häusern. Nach 1945 kaufte die Stadt Wien den stark sanierungsbedürftigen Wohnkomplex und ließ ihn in den Jahren 1962 bis 1965 neu gestalten und renovieren. Der Fähnrichhof umfasst die Häuser Blutgasse 5, 7, 9 sowie Singerstraße 9 und 11 („Großer Fähnrichhof" [Blutgasse 7, Singerstraße 11-11a] und „Kleiner Fähnrichhof [Blutgasse 9, Singerstraße 9]). Weiters öffnet sich der große, verschachtelte Innenhof über Treppen und schmale Durchgänge bis zur Grünangergasse.

Die Fähnriche

Der Name des Fähnrichhofes leitet sich von einem Wandgemälde von 1566 ab, das einen Fähnrich darstellte.

Bereits sehr früh wurde die Stadt unterteilt (Stubenviertel, Kärntnerviertel, Widmerviertel, Schottenviertel) und jedem Viertel, nach Berufsgruppen getrennt, eine eigene Wachmannschaft zugeteilt, die sich auf bestimmten Plätzen zu sammeln hatte. In diesem Hof hier trafen sich die Fähnriche, daher der Name Fähnrichhof. Der Rat ernannte einen Viertelmeister der die jeweilige Truppe anführte. Jeder männliche Bürger der Stadt hatte Wachdienst, Sicherheitsdienst und Kriegsdienst zu leisten. Man musste "mit der Stadt leiden" - im Gegensatz zu durchziehenden Kaufleuten. Ab 1500 wurden diese Pflichten gegen Geld an andere Personen abgetreten. Der Name des Fähnrichhofes leitet sich von einem Wandgemälde von 1566 ab, das einen Fähnrich darstellte.

Die Keller der Blutgassenhöfe und ein Ausflug ins Mittelalter

Der Keller besteht aus einem Tonnengewölbe mit Bruchsteinmauerwerk. Die Kellergewölbe unter den Häusern des gesamten Komplexes nehmen einige Stockwerke ein, und die Stiegen sind sehr steil angelegt. Der Bedarf an Speicher- und Lagerplatz stieg vor allem im 13. Jhd. an, als der Babenberger Leopold VI. den Wienern 1221 das Stadtrecht verlieh, in dem auch das Stapelrecht festgehalten war. Dieses Stapelrecht verpflichtete fremde (durchziehende) Kaufleute, ihre Waren in der Residenzstadt zu stapeln (auf bestimmte Zeit einzulagern) und während dieser Zeit hatten die Wiener Bürger das Vorkaufsrecht.

In den Kellern wurde nicht nur die Handelsware Wein gelagert, sondern auch Gemüse (außerhalb der Stadt waren dafür eigene Erdgruben vorgesehen). Gemüse gab es wenig, und wenn, dann nur in der Saison. Der mittelalterliche Mensch ernährte sich also hauptsächlich von Brot, Wein und Fleisch. Beliebt war vor allem Zwiebel, nicht nur weil sie Geschmacksträger ist, sondern weil man auch an ihre potenzfördernde Wirkung glaubte.

Die Keller waren vor dem Weltkrieg angeblich mit den Katakomben des Stephansdoms verbunden.

Mittelalterliches Leben

In den Kellern wurde auch in Zisternen Wasser gesammelt, die durch steinerne Rinnen von der Oberfläche aus gefüllt wurden. Die Dachrinnen waren eine Erfindung des 13. Jh. und ermöglichten es, das wichtige, weil "weiche" Regenwasser aufzufangen und abzuleiten. In Wien erfahren wir erstmals 1335 von Dachrinnen im Zusammenhang mit Streitigkeiten wegen der Ableitung des Regenwassers, denn das Recht, Wasser aus den Dachrinnen zu nutzen, konnte auch verkauft werden. So bezahlte die Stadt Wien im Jahre 1455 an den Verweser des Bürgerspitals 20 Pfund Pfennige für das Recht, auf dem neuen Mehlspeicher ein Ziegeldach und eine Dachrinne anbringen zu dürfen.

Um nicht den Straßenschmutz in die Wohnungen zu tragen, waren in den engen Stiegenhäusern (Wendeltreppen, Handläufe in die Mauer eingelassen) Fußabstreifer am Beginn der Stufen angebracht.

In Paris wurden die Straßen bereits ab 1200 gepflastert, in Wien kamen lediglich die Hauptdurchzugsstraßen in den Genuss dieser Maßnahme, und auch nicht vor 1300. Steckenbleiben im Morast galt als Entschuldigung für Zuspätkommen, so wie heute der Verkehrsstau.

Die Entwicklung des Fähnrichhofes

Im 16. Jahrhundert wohnte im Fähnrichhof der Humanist Jans Cuspinian, eigentlich Johannes Spießheimer. Cuspinian war 1497 eines der Gründungsmitglieder der „Sodalitas Danubia“. 1684 kaufte der Buchbinder Johann Konrad Ludwig den Hof. Die Clarissen bauten den Hof 1702 um, 1753 brannte ein großer Teil des Fähnrichhofes ab.

Blutgasse 5

Blutgasse 5
Zur grünen Raith-Tafel

Das Haus 5 hatte ein Hausschild „Zur grünen Raith-Tafel“. Das heutige Aussehen erhielt es 1819, der Baukern ist jedoch aus dem 15. Jahrhundert, die Grundmauern gehen sogar ins 12. Jahrhundert zurück. Erwähnt wurde das Haus erstmals 1533, damals handelte es sich um ein "gemauertes Haus mit zwei Besitzern".

Sehenswert ist im Inneren die gewendelte Zweipfeilerstiege, die noch original erhalten ist. Eines der Gebäude des Komplexes war die Herberge der Riemer, sie hatte das Schild „Zum Vogel in der Au“. Hier befand sich auch ein bekanntes Bierhaus. In der Blutgasse 5 wohnte im Biedermeier der Komponist Wenzel Müller, dessen Lieder auch Volksliedcharakter erhalten hatten. Von ihm wird fälschlicherweise behauptet, er hätte beim Blick aus seinem Fenster in den Hof das Lied “Kommt ein Vogel geflogen“ komponiert. Das Lied ist jedoch tatsächlich nicht von ihm, es ist ein altes Volkslied.

1819 wurde ein kompletter Umbau des Hofes vorgenommen, seither sind hier sieben Häuser zu finden. 1945 war der Hof bereits so baufällig, dass er nicht mehr bewohnt werden konnte. Es drohte der Abriss, in letzter Minute griff jedoch die Stadt ein und kaufte die Häuser. Bei der Ausschreibung zu einem Ideenwettbewerb für die Neugestaltung gewannen die Architekten Prof. Euler und Prof. Turner, die 1962 dann gemeinsam mit dem Ekazent mit der großen Sanierung begannen. Dabei wurden auch zahlreiche Künstlerateliers im Haus eingeplant.

Blutgasse 7

Haus Nummer 7 ist der Große Fähnrichhof, es ist eines der wenigen hochmittelalterlichen Häuser (Anfang des 13. Jahrhunderts erbaut) in Wien, das noch erhalten ist, aus dieser Zeit ist noch das aufgehende Mauerwerk im Erdgeschoß erhalten.

Blutgasse 9

Nummer 9, am Eck der Singerstraße, ist der Kleine Fähnrichhof, der Kern stammt aus dem 16. Jahrhundert. Eigentlich handelte es sich um ein Renaissancehaus, die Fassade wurde im Barock neu gestaltet.

Cafè Bogner

Einst war an dieser Adresse eines der beliebtesten Cafès Wiens - das Bogner. Karl Bogner schuf mit seinen schummrigen Räumlichkeiten die Atmosphäre, die Künstlern gefiel. Zwischen 1826 und 1828 fanden hier täglich zwischen 17 und 19 Uhr Tafelrunden statt, die von Franz Schubert, Moritz von Schwind, Eduard von Bauernfeld, Johann Mayrhofer und Ernst von Feuchtersleben regelmäßig besucht wurden.

In einem anderen Raum versammelten sich Maler: Brunner, Cramolini, Gebrüder Decker, bisweilen Josef Franz Danhauser, August Pettenkofen und Ignaz Raffalt.

Geschichten um das Haus

Ein Gespenst in der Blutgasse

In einem Cafè soll sich folgende Geschichte abgespielt haben:

Ein Herr, wir nennen ihn Peter, geht durch die Blutgasse und trifft einen alten Freund den er bereits seit Jahren aus den Augen verloren hatte. Die beiden beschließen einen gemeinsamen Kaffee einzunehmen um über alte Zeiten zu sprechen. Peter bestellt einen Kaffee, der alte Freund nur ein Glas Wasser. Peter entschuldigt sich, sucht die Toilette auf, kommt zurück, Freund weg. Als er sich bei der Kellnerin nach seinen Freund erkundigt, schaut ihn diese nur fragend an und sagt, dass er doch alleine gekommen wäre. Peter verlässt das Lokal, wochenlang passiert nichts als er am Familientreffen von einem gemeinsamen Bekannten erfährt, dass dieser Freund vor zwei Jahren verblichen sei.

Naturdenkmal 726, die Platane

Naturdenkmal 726

Der Platz im Hof ist von einer prächtigen Platane überschattet, sie ist ca. 250 Jahre alt und denkmalgeschützt. Früher war sie von einem Eisenzaun umgeben, der vom 1732 aufgelassenen Friedhof von St. Stephan stammte, der den Baum aber nicht am Wachsen gehindert hat. Lange Zeit war noch ein „Speer“ sichtbar, der in den Baum eingewachsen war – der wurde jedoch gestohlen (es ist nur mehr die Spitze sichtbar).

Von diesem behauptet die Legende, er sei der Speer eines Templers.

Ausgrabungen – Mittelalterlicher Befund Blutgasse 7

2002 wurde eine Hausforschung durch die Stadtarchäologen vorgenommen, die fünf Bauphasen des Fähnrichhofes nachweisen konnte. Sie dauerten von der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts bis ins Jahr 1743 an.

Ausgrabungen

Adresse Ausgrabungscode zeitliche Lagerung Beschreibung der Fundstücke
Blutgasse 7 200219 Mittelalter, Neuzeit 2002 wurden hier Forschungsgrabungen bewilligt. Es konnte bewiesen werden, dass der Fähnrichshof in fünf Bauphasen entstand, die Mitte des 13. Jahrhunderts begonnen hatten und erst 1743 beendet waren.



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Quellen