Liliengasse 1

Aus City ABC

(Weitergeleitet von Singerstraße 10)

Das Gebäude

Ein Bild.

Bezirk
1., Innere Stadt
Aliasadressen
=Liliengasse 1
=Singerstraße 10
Konskriptionsnummer
vor 1862: 897
vor 1821: 953
vor 1795: 929
Baujahr
1912
Architekten (Bau)
Karl Schön, Wilhelm Schön
Inhaltslizenz: CC-BY-SA 4.0

Das Gebäude "Zum weißen Einhorn" - Architektur und Geschichte

Dom Café, Sicht von 1913

Das Gebäude, das heute hier zu sehen ist, wurde 1912 durch den Architekten Karl Schön errichtet.

Ehemaliges Dom Café und Art-Club

In dem Haus befand sich in der Nachkriegszeit das Dom Café, das ab 1953 Sitz des Art-Clubs war. Der Club war von Albert Paris Gütersloh 1947 gegründet worden, rasch scharten sich junge Maler, Bildhauer, Autoren und Musiker um ihn. 1959 löste sich der Verein wegen interner Differenzen auf, die meisten der Mitglieder hatten bereits ihren künstlerischen Weg gefunden.

Vorgängerhäuser

Das Haus hatte zwischen 1503 und 1529 dem Humanisten Arzt und Kunstsammler Johannes Cuspinian (1473-1529) gehört.

Wohnhaus des Arztes Cuspinian

Cuspinian wurde 1473 in Schweinfurt als "Johannes Spiessheimer" geboren und war 1492 von Kaiser Maximilian I. nach Wien berufen worden. Ab 1500 war er als Schulmeister von St. Stephan tätig, wurde bald Rektor der Universität und mehrfach Dekan der medizinischen Universität. Cuspinian starb am 19.4.1529, bestimmte jedoch zuvor haargenau, wie sein Grabstein aussehen solle. Dieser befindet sich auch heute noch im Stephansdom, gut sichtbar neben der Kreuzkapelle.

Man sieht darauf den Humanisten zwischen seinen beiden Frauen Anna Putsch (mit der er vier Söhne und vier Töchter hatte) und Agnes Stainer stehen. Die lateinische Inschrift bedeutet übersetzt etwa:

"Ich pflegte zuerst die Musen und die Kunst des Apolllo, denn ich war einst gleichzeitig Mediziner und Dichter. Später erhob mich, der ich noch zu höherem geboren war, der Kaiser und verlieh mir das Amt des Stadtanwalts. Bloß diese Worte sollen die Inschrift auf unserem Grab sein:

Einst lebte ich. Cupinianus bin ich gewesen.
Ewige Denkmäler der unermesslichen Geschichte hinterließ ich
In diesen wird Cuspinianus stets lebendig sein.

Cuspinian wohnte erst im Fähnrichhof (Blutgasse 5, 7 und 9), besaß dann dieses Haus und schließlich eines in der Weihburggasse 11. In der Deutschordenskirche findet sich heute noch ein von ihm gestifteter Altar, der Cuspinianaltar.

Die Donaugesellschaft, Sodalitas Danubiana

Symbol Medizin free.png

Johannes Cuspinian, der das Haus 1503 erworben hatte, ließ es 1510 neu erbauen - mit dem Ziel, es für sich selbst zu nutzen und zum Sitz der Donaugesellschaft zu machen.

Der Verein "Sodalitas Danubiana" war 1497 von Konrad Celtes gegründet worden, Vorbild war dafür die zwei Jahre zuvor gegründete Heidelberger Sodalitas litteraria Rhenania. Celtes selbst leitete den Verein bis zu seinem Tod (1508). Cuspinian, der nachfolgende Obmann, ließ an dem neuen Vereinshaus marmorne Inschriftentafeln mit den Namen der Mitglieder anbringen. Eine weitere Tafel beschrieb die Erbauung des Hauses:

Bild Text der Tafel Übersetzung
Cuspinians Haus.jpg Johannes Cuspinian Francus,

Orientalis Prefectus Gimnasii
Vienensis sibi annaeq(ue) con ac
Liberis Cariss(imis) Grataeq(ue) pos
teritati hanc domum extrue
bat anno MDX Maximilano impe(rante)

Johann Cuspinian aus Ostfranken

Vorsteher der Hohen Schule zu Wien
hat sich und Anna seiner Gattin
und auch den geliebten Kindern und
willkommener Nachkommenschaft dies Haus errichtet
im Jahre 1510 unter Kaiser Maximilian

Als das Haus 1911 abgebrochen wurde, übergab Albert Figdor, der Käufer des Hauses, diese Tafeln an das Wien Museum. Der Altar von Cuspinians Hauskapelle, der um 1515 entstanden war, ist heute in Besitz der gegenüberliegenden Deutschordenskirche [1]

Das Einhorn, das zum Pferd wurde

1565 wurde an dem Haus ein Hausschild „Zum Einhorn“ angebracht, zwischen 1628 und 1687 findet sich der Name „Zum weißen Einhorn“, später „Zum steinernen Rössl“. Dies wohl deshalb, weil das Steinbildnis verstümmelt worden war und das Horn verlorengegangen war.

Ab 1788 - das Haus war in Besitz von den erben des Franz Freiherr von Sternbach - ersetzte eine Pferdefigur aus Blei das Steinbild. Der Erschaffer des Werkes war Karl Georg Merville (1751-1798), der das Pferd wahrscheinlich als Probestück für eine größere Skulptur gefertigt hatte. [2] Diese Skulptur wurde bei der Demolierung des Hauses im Jahr 1911 von Dr. Albert Figdor erworben und dem Historischen Museum Wien überlassen.

Wohnhaus bekannter Persönlichkeiten

Wohnhaus des Hofkapellmeisters Antonio Draghi

KopfX.png

Ob der Komponist und Hofkapellmeister Antonio Draghi (* 1635 Rimini, Italien, † spätestens 16. Jänner 1700, ev. ebenhier) hier gestorben ist, ist nicht gesichert. Gewohnt hatte er jedenfalls hier und komponierte die „La Monarchia latina trionfante", eine Barockoper, die zur Feier der Geburt Josefs I. am 16. Juli 1678 in der Favorita uraufgeführt wurde.

1697 besaß er auch Haus 941, heute Kärntner Straße 13-15.

Ausgrabungen

Ausgrabungscode zeitliche Lagerung Beschreibung der Fundstücke
191213 römisch 1912 wurden beim Bau des Hauses römisches Mauerwerk und ein Brunnen sowie zahlreiche Fundstücke (Keramik, Münzen, Glasflaschen, Metallbeschläge) zu Tage gefördert.



Gehe weiter zu Liliengasse 2 | Singerstraße 11

Gehe zurück zu Liliengasse | Singerstraße | Straßen des 1. Bezirks

Quellen

  1. Renata Kassal-Mikula: Steinerne Zeugen, Relikte aus dem Alten Wien, Wien Museum, 2008, Wien, S. 33
  2. Renata Kassal-Mikula: Steinerne Zeugen, Relikte aus dem Alten Wien, Wien Museum, 2008, Wien, S. 38