Das Hufscharren des Reiterstandbilds

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Sagen und Legenden
Das Hufscharren des Reiterstandbilds


1., Innere Stadt Josefsplatz Reiterstandbild Kaiser Joseph II. Augustinerkirche · Prunksaal

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Relevante Orte: Reiterdenkmal Kaiser Joseph II. am Josefsplatz · Arkaden zur Augustinerkirche · Front des Prunksaals der Nationalbibliothek

Wenn Bronze unruhig wird

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Reiterdenkmal Joseph II.

In windstillen Nächten, wenn die Fenster des Prunksaals dunkel sind und nur ein Laternenkreis über den Platz fällt, will man vor dem Reiterdenkmal ein leises Scharren hören. Nicht laut, eher wie ein vorsichtiges Antreten: ein Huf, der den Boden prüft. Ein Hausknecht erzählte, er habe den Ton vernommen, als die Uhr der Augustinerkirche die elfte schlug. Er trat näher und sah, wie der Schatten des Pferdes kurz zuckte, obwohl die Laterne fest stand.

Am Morgen fand man auf den Steinplatten einen feinen, dunklen Abrieb – als hätte eine Metallkante den Kreis angerührt. Die Platzwache wischte ihn fort; in der folgenden Nacht war er wieder da. Alte Wiener sagten: Der Kaiser reitet, wenn etwas entschieden werden muss; dann scharrt der Schimmel, bis der Weg klar ist.

Andere schworen, der Klang komme nur dann, wenn am nächsten Tag eine große Prüfung, ein Streit oder eine Hochzeit in der Hofburg ansteht. Skeptische meinten, es sei nur die Arbeit des Steins und des Metalls in kalter Luft. Doch wer bei Nacht am Platz vorbeigeht und plötzlich ein sanftes Kratzen hört, bleibt unwillkürlich stehen und schaut zum Sattel hinauf.

Ort: Sockelzone des Reiterdenkmals; Blickachsen zur Hofburg, zur Augustinerkirche und zum Prunksaal

Varianten der Erzählung: Ein einziges Hufkratzen vor Hofereignissen · der Schatten des Pferdes bewegt sich gegen den Wind · am Sockel findet sich morgens ein Lorbeerblatt · skeptische Deutung: Metalldehnung, Pflasterfugen, Wagenhall vom Michaelerplatz.

Historischer Hintergrund

Zur Einordnung: Das klassizistische Reiterstandbild Kaiser Joseph II. am Josefsplatz wurde im frühen 19. Jahrhundert nach Entwurf von Franz Anton Zauner geschaffen und erinnert in Haltung und Gestus an antike Vorbilder. Der geometrische Platz mit den hohen Fassaden der Nationalbibliothek und der Wegebezug zur Hofburg erzeugen starke Echos und Lichtspiele. Die Sage deutet nächtige Geräusche und Schattenverschiebungen zu einem »Hufscharren« – als Omen für Entscheidungen am Hof. [1]

Quellen

  • Dehio Wien I: Josefsplatz – Reiterstandbild Kaiser Joseph II. (Zauner), Platzraum/Nationalbibliothek.
  • Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien – Josefsplatz; Joseph-II-Denkmal.
  • Gustav Gugitz: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien. Wien 1952 – Herrscher- und Denkmalmotive (Omen/Bewegungslegenden).
  1. Wiener Stadttopographie: Josefsplatz/Prunksaal; Reiterstandbilder als Herrschersymbole; akustische und optische Effekte auf geschlossenen Platzräumen.