Churhausgasse 2

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Haus: Churhausgasse 2 Grund-Informationen
Curhaus Wien.jpg
Aliasadressen =Churhausgasse 2, =Singerstraße 5, =Stephansplatz 3/3A
Ehem. Konskriptionsnummer vor 1862: 874 | vor 1821: 925 | vor 1795: 857
Baujahr 1738-1740
Architekt Johann Gottfried Pock, Daniel Christoph Dietrich, vollendet von Matthias Franziskus Gerl


Das Churhaus - Architektur und Geschichte

Ansicht um 1912 [1]

Gegenüber dem Südportal des Stephansdoms befindet sich das Churhaus (eigentlich Curhaus, denn Cur war die Seelsorgegeistlichkeit von St. Stephan, abgeleitet von cura animarum). Durch den Bau des Hauses verschwand das Kirchengassel (davor „Raubergassel“), durch das man vom Stock-im-Eisen-Platz (damals noch der alte Roßmarkt) auf den Stephansfreithof gelangen konnte.

Portal mit Wappen

Ehemals (im 14. Jahrhundert) stand an dieser Stelle die einzige Bürgerschule Wiens, sie war bis zur Errichtung der Universität 1365 vermutlich sogar die einzige höhere Schule in Wien. Heute erinnert daran noch eine Gedenktafel. Auf einem Teil des Areals, abgetrennt durch das Raubergassel, war die Bauhütte von St. Stephan.

Die Gründung des Churhauses erfolgte 1618 durch Kardinal Khlesl, der eine Bildungsstätte für Geistliche, ein Aluminat, einrichten wollte, und dafür 20.000 Gulden angelegt hatte. Ein zusätzlicher Finanzier fand sich in Bischof Leopold Karl Graf Kollonitsch (Kolonitz). [2]

Errichtet wurde das heute hier zu findende freistehende Palais zwischen 1738 und 1740. Über dem Tor (Nummer 3) befindet sich zur Erinnerung an Kollonitz ein geschmiedetes Lunettengitter mit den goldenen Initialen 'C.K.' (für Cardinal Kollonitz) und dem Datum 1740. Das Lunettengitter des Eingangs 3A zeigt das Datum 1738 und markiert damit den Baubeginn des Churhauses. Über den beiden Portalen sind die Wappen der Erzbischöfe Migazzi (links) und Trautson (rechts) zu sehen.

1759 wurde in dem Haus das Erzbischöfliche Alumnat (Priesterseminar) tatsächlich gegründet, das 1914 in die Boltzmanngasse 9 im 9. Bezirk übersiedelte.

Die Aufstockung um das vierte Stockwerk wurde 1806 durch Louis Montoyer vorgenommen, dabei trug er das Dreiecksgiebeldach ab und ersetzte es durch das heutige.

Das Churhaus wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt, die Wiederherstellung erfolgte durch Hans Petermair.

Historische Ansichten des Gebäudes sind auf den Seiten des Wien Museum zu finden: https://sammlung.wienmuseum.at/suche/?iconclasses=1439524

Das Gebäude umfasst zwei Innenhöfe, hier sind Fensterrahmungen im Barockstil zu sehen. Einer der Innenhöfe wurde 1999 überdacht, und wird seither als Vortragssaal genutzt. Im Zuge der Umbauarbeiten fand man hier gotische Bruchsteinmauern mit Gewölbeansatz. [3]

Heute wird das Gebäude für unterschiedliche diözesane Einrichtungen genutzt, daneben befinden sich hier die Pfarrräume und die Wohnungen für den Dompfarrer, die Churpriester und das Kirchenmeisteramt. Auch die Sekretariate des Doms und der Spendenverwaltung sind hier untergebracht.

Die Bürgerschule

Die erste Erwähnung der Bürgerschule findet sich 1237, sie war die erste, und wahrscheinlich auch die einzige, höhere Schule in Wien, bis 1365 die Universität gegründet wurde. Im 16. Jahrhundert übernahmen die Jesuiten die Schule, die sie örtlich verlegten.

Bild Anlass/Persönlichkeit Text der Tafel
Wien 01 Stephansplatz 04 a.jpg Bürgerschule Hier stand die Bürgerschule der Gemeinde,

die älteste, und bis zur Gründung der
Universität durch Herzog Rudolf IV. auch
die bedeutendste Lehranstalt der Stadt.

Aus der ursprünglichen Pfarrschule wurde später eine Lateinschule, das Niveau war deutlich höher, als das heutiger Schulen, dem der späteren Universität durchaus ebenbürtig. Die Finanzierung (das Gehalt des Schulmeisters und der ihm unterstellten Magister) wurde durch die Stadt übernommen, das restliche Lehrpersonal wurde durch das Schulgeld bezahlt. Das Schuleintrittsalter war 7 Jahre. Die Schüler waren verpflichtet, an allen Messen und Leichenbegängnissen teilzunehmen. Der Schultag begann durch das Läuten des Primglöckleins der Stephanskirche, das um 5 Uhr morgens ertönte. Begonnen wurde der Tag gemeinsam mit der Frühmesse (der Prim), es gab eine gemeinsame Mittagspause, der Tag endete mit dem Nachtgebet. Vierteljährlich wurden öffentliche Prüfungen abgehalten, die dann einen Aufstieg in eine höhere Leistungsgruppe erlaubte.

Einer der Rektoren der Schule (1615 - 1621) war Heinrich Abermann, der die deutsche Übersetzung der Vienna Austriae des Wolfgang Lazius - und damit die erste Stadtgeschichte Wiens in deutscher Sprache - veröffentlichte.

Im 16. Jahrhundert wurde die Schule den Jesuiten übergeben, die sie verlegte. Das Gebäude wurde von da an für administrative Ämter des Wiener Bistums genutzt. Heute ist im Churhaus auch die Religionspädagogische Akademie zu finden.

Die Bauhütte von St. Stephan, auch Steinmetzhüttenhaus

Auf einem Teil des Areals, abgetrennt durch das Raubergassel, befand sich die Bauhütte von St. Stephan.

Die Bauhütte war der Sitz der Steinmetze und war nach deutschem Muster eingerichtet. Sie vereinte hier alle Künstler und Steinmetze der Stephanskirche, der Vorsteher war der Dombaumeister. Die Kunst, die hier ausgeübt wurde, wurde geheim gehalten, Aufzeichnungen wurden in Form von Symbolen gemacht, die nur den „Maurern“ zugänglich waren. Teilweise entwickelte sich aus diesen Bräuchen und der Symbolik die Freimaurerei. Die Bauhütten wurden 1731 durch Kaiser Karl VI. verboten.

Mittelalterliche Wiener Dombaumeister

• Konrad der Maurer (1359 bis spätestens 1394)
• Ulrich Helbling (frühestens 1393 bis 1400)
• Wenczla (Parier der Ältere?; 1400-1404)
• Peter von Prachatitz (1404-1429)
• Hans von Prachatitz (1429-1435 [oder 1437?])
• Mathes Helbling (1435[?]-1444)
• Hans Puchsbaum (1446-1454 [oder 1455?])
• Laurenz Spenyng(1455-1477)
• Simon Achleitner (1478-1482 [oder 1488?])
• Jörg Kling (1488-1506)
• Jörg Öchsl (1506-1510)
• Anton Pilgram (1510-1515)
• Gregor Hauser (1515-1520).

Die Churhauskapelle

Am 12.11.1742 wurde die Churhauskapelle zu Ehren der Vermählung Marias durch Kardinal Sigismund Graf Kollonitz geweiht und entwickelte sich rasch zur „Nobeltrauungskapelle“ von Wien. In der Kapelle befindet sich ein barocker Hochaltar mit dem Altarbild der „Vermählung Mariens“, geschaffen von Antal Schmid.

Die Orgel wurde 2016 neu angeschafft und ist ein Werk von Jens Steinhoff. [4] Auf ihr üben die Organisten des Stephansdoms.

Über den Portalen sind allegorische Figuren angebracht, die die vier theologischen Disziplinen versinnbildlichen - die Kasuistik, die Liturgik, die Kirchengeschichte und die Bibelkunde. [5]

Die Donin’sche Churhausbibliothek

Nicht öffentlich zugänglich ist im zweiten Stock des Churhauses die „Donin’sche Curhausbibliothek“. Gestiftet wurde diese Sammlung von ca. 30.000 Büchern 1877 von Ludwig Donin (auch: Anton Philalethes, Otto Cassian, Ludwig Priester, Rhollandus), der sein Leben damit verbracht hatte, Bestände die bis ins 16. Jahrhundert zurück reichen, zu sammeln und zu katalogisieren. Zusätzlich verfasste er selbst zahlreiche Gebetbücher und Schriften über den Stephansdom. Die Bücher sind in 16 Schränken verwahrt, die noch aus der Zeit des Entstehens der Bibliothek stammen, man fühlt sich in die Zeit zurück versetzt, wenn man hier steht. [6]

Wohnhaus bekannter Persönlichkeiten

Wohn- und Sterbehaus des Schriftstellers Ludwig Donin

Persönlichkeit Ludwig Donin
KopfX.png

Ludwig Donin (23.1.1810-20.8.1876) war Priester und Schriftsteller. Er arbeitete ab 1835 als Religionslehrer und verfasste historische Werke, erlangte aber vor allem durch seine politisch-polemischen Werke und Reisebeschreibungen Aufmerksamkeit. Seine Tätigkeit als Domkurat von St. Stephan widmete er hauptsächlich sozialen Aufgaben.

Gedenktafel Anton Maria Schwartz

Persönlichkeit Anton Maria Schwartz
KopfX.png

Anton Maria Schwartz (1852-1929) war Priester und gründete am 24.11.1889 die Kalastiner-Kongretation. Ziel des Männerordens war die Linderung der Not junger Arbeiter und Lehrlinge. Schwartz wurde für sein Werk 1998 seliggesprochen, die Gedenktafel, die an ihn erinnert, ist an der Fassade des Churhauses angebracht:

Bild Anlass/Persönlichkeit Text der Tafel
Schwartz GT.png Schwartz, Anton Maria Der selige Anton Maria Schwartz,

Gründer der Kalasantinerkongregation,
Arbeiterapostel von Wien, lebte 1871 - 75 als
Priesterseminarist in diesem Hause

Tragische Vorfälle

In diesem Haus spielten sich auch tragische Geschichten ab, wie des Johannes Krawarik oder die des Leopold Buchinger.

Der Fenstersturz des Johannes Krawarik

Krimi Symbol free.jpg

Kardinal Innitzer hatte eine feierliche Erklärung von Bischöfen, die sich „aus innerster Überzeugung“ für einen Anschluss von Österreich engagierten, mit den Worten „Heil Hitler“ unterschrieben. Dies sorgte innerhalb der Kirche für einen Eklat, sodass Innitzer vom Papst Pius XI. in Rom heftig zurechtgewiesen wurde. Daher gestand er beim Rosenkranzfest 1938 der katholischen Jugend Wiens, dass er sich geirrt hätte (er hat danach gegen das Nazi-Regime gekämpft) – der einzige Führer sei Christus. Diese Aussage war der Anlass für die Jugendlichen, das erzbischöfliche Palais und das Churhaus am 8.10.1938 zu stürmen. Dabei warfen sie den Domkuraten Johannes Krawarik aus dem Fenster, der Geistliche brach sich beide Beine. Heute erinnert daran eine Tafel - einst im Hof neben den Müllcontainern, mittlerweile im Foyer des Hauses.

Bild Anlass/Persönlichkeit Text der Tafel
Wien01 Stephansplatz003 2017-06-09 GuentherZ GD Krawarik 0116.jpg Johannes Krawarik Hier wurde am 8.X.1938 Domkurat

Johannes Krawarik
von nationalsozialistischen Fanatikern
aus dem ersten Stock heruntergestürzt.
Zum Gedächtnis an ihren Mitgründer errichtet
von der K.Ö.St.V. Vindobona I im MKV
zum 60 Stiftungsfest 1980

Der Mord an Leopold Buchinger

Krimi Symbol free.jpg

Am 10.3.1892 wurde im Hochparterre der 70-jährige Kuratdiener Leopold Buchinger ermordet von der Köchin aufgefunden. Seine Leiche lag mit zertrümmertem Kopf und aufgeschlitzter Kehle am Boden, daneben ein Zwei-Gulden-Stück und fünf Silbergulden. Ein Raubmord konnte ausgeschlossen werden, es fanden sich in der Wohnung Wertpapiere, Sparbücher und Bargeld im Wert von 31.000 Gulden. Wie ein Diener zu solchen Reichtümern kam, blieb ungeklärt – sein Monatsgehalt betrug jedenfalls sechs Gulden (er hätte für diesen Reichtum 430 Jahre arbeiten müssen). Buchinger war zuletzt um 3 Uhr nachmittags gesehen worden, um 6 Uhr sollte der Bäcker kommen, der jedoch nicht eingelassen wurde (zu diesem Zeitpunkt war Buchinger bereits tot). Mehr konnte die Polizei nicht herausfinden – ein ungeklärter Mord in Wien. [7]

Ausgrabungen

Adresse Ausgrabungscode zeitliche Lagerung Beschreibung der Fundstücke
Stephansplatz 3 und 4 199712 Mittelalter/Neuzeit 1997 wurden Forschungsgrabungen hier durchgeführt. Man fand dabei mittelalterliche Ziegel- und Steinmauern sowie eine Steinpflasterung im Hof des Churhauses (Stephansplatz 4).
Singerstraße 1, 3 und 5 189751 römisch Bei einer Grabung entlang der Häuser 1, 3 und 5 fanden sich - vor allem geballt im Bereich Haus 5 - römische Ziegelstücke.



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Quellen

  1. Heinrich Kirsch (Vindobona) (Hersteller), 1., Stephansplatz 3-3A - Churhaus, Ansichtskarte, um 1912, Wien Museum Inv.-Nr. 58891/254, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/94606/)
  2. Gerhard Robert Walter von Coeckelberghe-Dützele: Curiositäten- und Memorabilien-Lexicon von Wien: ein belehrendes und unterhaltendes Nachschlag- und Lesebuch in anekdotischer, artistischer, biographischer, geschichtlicher, legendarischer, pittoresker, romantischer u. topographischer Beziehung. Band 1, Wien, 1846. S.51
  3. https://www.dompfarre.info/Ueber_uns/Dom_und_Pfarre/Curhaus/
  4. https://www.erzdioezese-wien.at/pages/inst/14428427/orgelnundglocken/article/66006.html
  5. https://www.dompfarre.info/Ueber_uns/Dom_und_Pfarre/Curhaus/#gallery-4
  6. https://booksinvienna.wordpress.com/2017/02/15/curhausbibliothek-zeitreise-in-die-vergangenheit/
  7. Ubald Tartaruga: Der Wiener Pitaval, Edition Seyrl, Wien, 2000, S. 399