Stephansdom: Die Fenster
1., Innere Stadt Stephansdom Innenraum Fenster & Licht
Vertiefende Informationen: Stephansdom · Stephansdom: Rundgang Innen · Stephansdom: Die Süd-Seite
Die Fenster des Doms
Der Dom hat 31 schmale hohe Fenster, jedes davon trug einst schillernd bunte Glasscheiben. Durch die Zerstörungen in Kriegen sind sie heute nicht mehr erhalten bzw, hier nicht mehr zu sehen.
Jedes der Fester ist in 48 Rahmen (die 1763 mit Eisen umgeben wurden) unterteilt, die je vier Tafeln enthalten. Damit sind die Fenster in Summe mit 6.244 Tafeln ausgestattet.
Ein Großteil dieser bunten Glastafeln wurde 1564 Kaiser Ferdinand I. zur Verfügung gestellt, aber schon 1646 durch normale Glasscheiben getauscht, da zu wenig Licht in die Kathedrale fiel.
Mittelalterliche Chorfenster
Die bedeutendste Leistung der mittelalterlichen Glasmalerei in Wien sind die Chorfenster des Stephansdoms. In der Mitte des 14. Jahrhunderts entstand ein umfangreicher Zyklus im Albertinischen Chor, der mit seinen großformatigen Bildfeldern und Architekturscheiben zu den wichtigsten Ensembles gotischer Glasmalerei im mitteleuropäischen Raum zählt.[1]
Die Gläser wurden aus farbigem Hüttenglas gefertigt und mit Schwarzlotmalerei, Konturen und Details versehen. Viele Darstellungen zeigen Heilige, Herrscherfiguren und architektonische Kulissen, die das himmlische Jerusalem heraufbeschwören. Im Lauf der Jahrhunderte wurden einzelne Scheiben beschädigt, ersetzt, umgelagert oder – wie im 19. Jahrhundert – stark ergänzt. Nur die Fenster direkt hinter dem Hochaltar bewahren noch einen größeren Bestand originaler mittelalterlicher Scheiben, auch wenn sie heute mosaikartig aus älteren Fragmenten und jüngeren Ergänzungen zusammengesetzt sind.
Teile des ursprünglichen Chorzyklus gelangten im 19. Jahrhundert in museale Sammlungen, etwa ins MAK und ins Wien Museum, wo sie als eigenständige Kunstwerke präsentiert werden. Gleichzeitig blieb im Dom genug Substanz, um die Wirkung eines durch farbiges Chorlicht geprägten Altarraums zumindest zu erahnen.
Barocke Aufhellung und neugotische Pracht
In der Barockzeit galten die mittelalterlichen Glasfenster als zu düster. Man bevorzugte helle, lichtdurchflutete Kirchenräume, in denen der Raum als Ganzes gleichmäßig erstrahlt. Deshalb wurden die farbigen Scheiben nach und nach ausgebaut und durch weitgehend farblose Verglasungen ersetzt.
Erst im 19. Jahrhundert, im Zuge der Neugotik, entdeckte man die Faszination der Buntglasfenster wieder. Zwischen 1854 und 1901 erhielt der Dom in mehreren Etappen eine neue, historistische Verglasung: Den Anfang machte 1854 die Barbarakapelle, deren zweibahnige Fenster mit Teppichmustern im Atelier von Carl Geyling entstanden. Es folgten großflächige Fensterprogramme in Chor und Langhaus, in denen Szenen aus dem Leben Mariens, Heiligengestalten und figurenreiche Architekturen in leuchtenden Farben inszeniert wurden.
Die Fenster dieser Zeit wurden bald als „zu historistisch“ kritisiert; ihr farbiger Reichtum entsprach um 1900 nicht mehr dem ästhetischen Empfinden moderner Architekten. Dass man sie deshalb im Zweiten Weltkrieg nicht systematisch auslagerte, wurde dem Dom 1945 zum Verhängnis: Bombenschäden und der Brand zerstörten den Großteil dieser neugotischen Verglasung vollständig.
Nachkriegsfenster und Licht im Dom heute
Beim Wiederaufbau nach 1945 entschied man sich bewusst gegen eine vollständige Rekonstruktion der verlorenen neugotischen Fenster. Stattdessen erhielt der Dom eine schlichtere, ruhigere Verglasung aus bunt getönten, aber weitgehend ornamentlosen Scheiben. Die heutigen Fenster stammen großteils aus Restbeständen der Firmen „Carl Geyling’s Erben“ und Franz Götzer und wurden vom Land Tirol gestiftet.
Die Glasfarben sind überwiegend in zarten Blau- und Grüntönen gehalten. Zusammen mit der modernen Beleuchtungsanlage, die 2018 installiert wurde, ergibt sich ein eher kühles und gleichmäßiges Raumlicht, das sich per LED-Technik je nach Anlass und Tageszeit variieren lässt.
Nur an einzelnen Stellen – vor allem im Chor, in der Bartholomäuskapelle und im Bereich der Rosette hinter der Hauptorgel – tritt wieder ein stärker „bildhaftes“ Fenstererlebnis auf, bei dem konkrete Szenen und Figuren im Glas erscheinen.
Besondere Fenster im Überblick
Chorfenster hinter dem Hochaltar
Friedrich von Schmidt Stephansdom Entwurf zum vierten Fenster im Apostelchor.jpg Hinter dem barocken Hochaltar befinden sich die wichtigsten mittelalterlichen Glasfenster, die im Dom selbst erhalten sind. In schmalen, hohen Bahnen steigt ein dichter Teppich aus Architekturmotiven, Ornamenten und Figuren in die Höhe. Die heute sichtbaren Fenster sind ein „Patchwork“ aus originalen Scheiben des 14. Jahrhunderts, Ergänzungen des 19. Jahrhunderts und Restaurierungsarbeiten des 20. Jahrhunderts, vermitteln aber immer noch sehr anschaulich den Eindruck eines farbig leuchtenden, gotischen Chorraums.
Am wirkungsvollsten erleben Besucher diese Fenster, wenn sie vom Langhaus aus in Richtung Hochaltar blicken: Die dunklen Umrisse des Hochaltars treten dann vor das farbige Glas und zeichnen sich als Silhouette ab.
Habsburgerfenster in der Bartholomäuskapelle
In der Bartholomäuskapelle hoch über dem südwestlichen Eck des Doms befinden sich die berühmten Habsburgerfenster, auch „Fürstenfenster“ genannt. Der Zyklus zeigt Mitglieder des Herrscherhauses als stehende Figuren, eingebunden in eine reich ornamentierte Architektur, und gehört zu den bedeutendsten Glasmalereien des späten 14. Jahrhunderts in Europa.
Im 19. Jahrhundert wurden viele der Scheiben ausgebaut und gelangten als Schenkungen und Leihgaben ins Wien Museum und ins MAK. Seit 2011 kehren einzelne Fenster nach und nach an ihren ursprünglichen Ort im Dom zurück; 2020 begann ein größer angelegtes Rückführungs- und Rekonstruktionsprojekt, das 2024 mit der erneuten Verglasung der Kapelle weitgehend abgeschlossen werden konnte.
Heute erlebt man hier eine seltene Kombination: originale Glasmalerei des 14. Jahrhunderts, ergänzt um sorgfältig rekonstruierte Partien und geschützt durch moderne Klimasteuerung und Schutzverglasung.
Michaelsfenster
Ebenfalls in der Bartholomäuskapelle befindet sich das sogenannte Michaelsfenster. Ursprünglich zeigte es in drei Geschossen den Erzengel Michael als Seelenwäger. Erhalten blieb jedoch nur der obere Teil und im mittleren Geschoß das rechte Drittel aus der Zeit um 1398. Die fehlenden Partien wurden nach dem überlieferten Bildprogramm ergänzt: Der Künstler Peter Baldinger entwarf moderne Scheiben, die deutlich als zeitgenössisch erkennbar sind, sich aber eng an den ikonographischen Befund anschließen. Ausgeführt wurden sie in der Glaswerkstatt des Stiftes Schlierbach gemeinsam mit der Glasbildnerin Kyra Kleinschmidt; 2025 wurde das komplettierte Fenster offiziell präsentiert.
Fenster im Albertinischen Chor
Im Albertinischen Chor, also im östlichen Hochchor des Doms, fallen neben den mittelalterlichen Resten auch die Nachkriegsfenster aus den 1950er Jahren ins Auge. Sie zeigen unter anderem den Tiroler Adler und erinnern daran, dass das Land Tirol nach 1945 wesentliche Glaslieferungen für den Wiederaufbau des Doms finanzierte. Die Gestaltung ist bewusst zurückhaltend: Wappen, stilisierte Ornamente und ruhig komponierte Farbflächen fügen sich zu einem eher nüchternen, aber klar lesbaren Bildprogramm.
Rosette hinter der Hauptorgel
Die große Rosette auf der Westseite, hinter der Hauptorgel, besitzt eine moderne Verglasung. Während die ursprüngliche gotische Rosette verlorenging, nutzt die heutige Gestaltung das Rundfenster als farbigen Akzentpunkt im Zusammenspiel von Orgelprospekt, Westempore und Langhaus. Moderne Glasmalerei und gotische Architektur treten hier sichtbar in Dialog.
Lichtspiele am Stephanitag und Dreikönigstag
Die bewusste Ausrichtung des Doms macht sich bei bestimmten Konstellationen von Sonne und Kirchenjahr bemerkbar.
Durch die Ostung der Kirche fällt am 26. Dezember, dem Festtag des heiligen Stephanus, um die Mittagszeit ein Sonnenstrahl durch die Chorfenster direkt auf die Ikone des Kirchenpatrons am Hochaltar. Am 6. Jänner, zum Abschluss der Epiphanie, trifft das Licht jene Zone der Glasfenster, in der die drei Kronen der Heiligen Drei Könige dargestellt sind, und lässt sie im Gegenlicht aufleuchten.
Für Besucherinnen und Besucher, die zur richtigen Zeit im Mittelschiff stehen, wird die enge Verzahnung von Architektur, Bildprogramm und astronomischer Ausrichtung unmittelbar erlebbar: Der Dom wird zur Bühne, auf der das Licht selbst eine zentrale Rolle spielt.
→ weiter zu Stephansdom: Steindenkmäler am Dom
← zurück zu Kategorie:Themen:Stephansdom
Quellen
- ↑ Wien Geschichte Wiki: „Glasmaler“ (Abschnitt zu den 17 Chorfenstern von St. Stephan); Eva Frodl-Kraft, „Die mittelalterlichen Glasgemälde in Wien“, CVMA I, Graz 1962.

