Stephansdom: Der mechanische Adler am Südturm

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Sagen und Legenden
Stephansdom: Der mechanische Adler am Südturm

1., Innere Stadt Stephansdom Südturm (»Steffl«) Türmer & Feuerwache

Der Kunstadler vom Steffl

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Porträt des Rudolf II., 1954.

Eine Legende erzählt, dass im Jahre 1575 Kaiser Rudolf II. als gekrönter römischer König von Regensburg nach Wien zurückkehrte und sogleich den Stephansdom aufsuchte. Von der Turmspitze sei ihm ein großer mechanischer Adler mit Lorbeerzweig entgegengeflogen – das kunstvolle Werk des Johann Marbig. Der Kunstadler, drei Fuß hoch, soll später lange unter dem Dach von St. Stephan verwahrt worden sein.[1][2]

Ort: Stephansdom (Südturm / Turmspitze) • Stephansplatz

Historischer Hintergrund

Der wahre Kern: Nach Ogesser wurde bei einem feierlichen Zug Rudolfs II. zu St. Stephan (1577) auf dem Turm eine Vorrichtung angebracht, dass ihm ein Adler an einem langen Rennseile von der Spitze herab bis an den Freithof entgegen geflogen kam; manche Beschreibungen gaben ihn als sehr künstliches Uhrwerk aus.[3] Die Legende überhöht also eine belegte Fest-Maschinerie zum dauerhaft aufbewahrten Wunderwerk und datiert sie teils abweichend (1575 vs. 1577).

Relevante Orte: Galerie und Helm des Südturms · Türmerstube des Stephansdoms

Der Vogel, der den Wind verstand

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Adler am Südturm - Doppeladler

Die Wiener erzählten, auf dem Südturm habe einst ein mechanischer Adler gesessen: ein Kupfervogel mit Gelenken, der den Kopf drehte und die Schwingen hob, sobald der Wind umlief. In stürmischen Nächten klapperte sein Blech wie ein Warnruf; die Türmer horchten – denn wenn der Adler dreimal schlug, sollte, so hieß es, irgendwo in der Stadt ein Feuer ausbrechen.

Ein junger Schlossergeselle soll den Vogel für die Türmer gebaut haben, mit Stangen, Federn und Gegengewichten verborgen im Helmbereich. Als der Geselle prahlte, sein Werk könne sogar gegen Gewitter anschreien, zog über Wien ein Wetter auf. Der Wind fuhr in die Schwingen, der Adler ächzte, drehte sich – und ein Blitz zerriss die Nacht. Am Morgen fand man den Vogel verstummt, die Flügel halb gesenkt. Da sagten die Leute: Der Steffl duldet keine Eitelkeit; wer den Himmel nachäfft, dem wird der Wind zum Meister.

Von da an blieb der Adler ein stummer Wächter. Doch wenn die Böen um die Galerie heulen, meinen manche bis heute, ein Metallflügel rühre sich – und mahne zur Wachsamkeit.

Ort: Helm und Galerie des Südturms; Sichtbezug zur Türmerstube und über die Dächer

Varianten der Erzählung: Adler schlägt bei Feuerzeichen der Türmer · Flügelschlag als Wetteromen · der Vogel löst sich im Sturm und wird im Hof aufgefunden.

Historischer Hintergrund

Zur Einordnung: Hohe Stadttürme trugen seit dem Mittelalter Wetterfahnen (Hahn, Adler, Standarte) und dienten als Feuerwachen. Die Sage erklärt solche beweglichen Turmzeichen als »mechanischen« Vogel und verknüpft sie mit Omen und Türmerdienst. Am Stephansdom blieb der Südturm der klassische Wachtposten über der Stadt; der Adler der Sage deutet die realen Windfahnen und Metallzeichen poetisch um. [4]

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Quellen

  1. Realis: Curiositäten und Memorabilien-Lexicon von Wien, Anton Köhler, Wien 1846, S. 20 f.
  2. F. W. Weiskern: Beschreibung der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien, Bd. 3, Wien 1770, S. 81.
  3. Rupert Feuchtmüller: Der Wiener Stephansdom, Wiener Domverlag, Wien 1978, S. 302 (mit Ogesser-Zitat).
  4. Wiener Sagensammlungen: Turmzeichen, Wetterfahnen & Türmer; Motiv »mechanischer Vogel« am Südturm.