Sagen und Legenden
Stephansdom: Der Hansl im Stephansdom
1., Innere Stadt
Stephansdom
Kanzel · »Fenstergucker«
Volksmund: »der Hansl«
Relevante Orte: Steinene Kanzel im Langhaus des Stephansdoms (Figur des »Fensterguckers« am Kanzelkorb)
Der Bubenstreich im Stein
Der »Fenstergucker« – im Volksmund der kleine Hansl
Eine alte Wiener Erzählung weiß: In der Domkanzel stecke ein kleiner Bursch, der Hansl. Er soll ein Ministrant gewesen sein, neugierig und nie satt zu hören. Während der Predigt lugte er aus einem kleinen Steinfensterl am Kanzelkorb und grinste zu den Leuten hinunter. Der Mesner schalt, der Prediger hob warnend den Finger – doch der Bub schaute weiter.
Als er eines Sonntags besonders frech grinste, vergaß der Bildhauer sein Werkzeug nicht: Er meißelte dem Lausbuben sein Gesicht in den Stein, damit er künftig immer schauen müsse, ohne je dazwischenzureden. Seither zeigen die Mütter ihren Kindern den kleinen Kopf am Kanzelrand und sagen: Siehst, der Hansl, der schaut heute noch zu, ob du brav bist. Andere behaupten, es sei das Bildnis des Meisters selbst – aber der Volksmund blieb dabei: Unser Hansl im Dom.
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Ort: Am Kanzelkorb; Blickrichtung ins Langhaus
Der »Fenstergucker«
An der Kanzel von St. Stephan ist einiges zu entdecken, Kröten und Lurche, Päpste und Äbte, und auch ein Mann, der aus einem Fenster sieht, der Fenstergucker, möglicher Weise ist es Meister Pilgram, der Erbauer der Kanzel.
Bei den Wienern geht die Legende um, dass man dreimal um die Kanzel herumgeht und "Hansl, was machst du jetzt?" fragt - zweimal würde man keine Antwort bekommen. Doch beim Dritten mal sagt der Meister: "Nix!"[2]
Historischer Hintergrund
Zur Einordnung: Die berühmte steinerne Kanzel des Stephansdoms entstand um 1510; Zuschreibung und Werkstatt werden meist in den Umkreis von Anton Pilgram gestellt. Am Kanzelkorb schaut eine Büste aus einem Rundfenster – die Figur wird kunsthistorisch häufig als Selbstbildnis des Meisters (»Fenstergucker«) gedeutet. Die Sage macht daraus den schelmischen Hansl, der für immer schauen muss und so zum erzählerischen Maskottchen der Kanzel wurde.
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Quellen
- ↑ Wiener Sagensammlungen (Motiv: Ministrant/Lausbub als »Hansl« am Kanzelkorb; Deutung des Fensterguckers im Volksmund).
- ↑ Friedl Hofbauer, Cornelia Buchinger, Barbara Waldschütz: Zahnweh, Tod und Teufel. Sagen und Geschichten rund um den Stephansdom. Wien, 2000. S. 92
- ↑ Kunst- und Stadttopographien: Kanzel des Stephansdoms (Entstehungszeit um 1510; Pilgram-Zuschreibung); Deutung der Büste als »Fenstergucker«.