Die Legende des Lieben Augustin

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Der Legende nach war der 36-jährige Augustin 1679 während der Pestepidemie wieder einmal stockbesoffen und schlief irgendwo in der Gosse seinen Rausch aus. Siech-Knechte, die damals die Opfer der Epidemie einsammeln mussten, fanden ihn, hielten ihn für tot und brachten die Schnaps-Leiche zusammen mit den Pest-Leichen auf ihrem Sammelkarren vor die Stadtmauer. Dort warfen sie ihre ganze Ladung in ein offenes Massengrab. Diese Pestgrube soll sich in der Nähe der Kirche St. Ulrich im siebten Wiener Gemeindebezirk befunden haben, gleich neben dem Platz, an dem heute der Augustinbrunnen steht. Am folgenden Tag habe Augustin inmitten der Leichen so lange krakeelt und auf seinem Dudelsack gespielt, bis Retter ihn aus der Grube zogen.

Dieses Erlebnis verarbeitet Augustin in einem Lied, das er unter anderem im Griechenbeisel gerne vortrug.

O du lieber Augustin, Augustin, Augustin,
O du lieber Augustin, alles ist hin.
Geld ist weg, Mensch (Mäd´l) ist weg,
Alles hin, Augustin.
O du lieber Augustin, Alles ist hin.
Rock ist weg, Stock ist weg,
Augustin liegt im Dreck,
O du lieber Augustin, Alles ist hin.
Und selbst das reiche Wien,
Hin ist's wie Augustin;
Weint mit mir im gleichen Sinn,
Alles ist hin!
Jeder Tag war ein Fest,
Und was jetzt? Pest, die Pest!
Nur ein groß' Leichenfest,
Das ist der Rest.
Augustin, Augustin,
Leg' nur ins Grab dich hin!
O du lieber Augustin, Alles ist hin!

Eine der zahlreichen Varianten der Sage findet sich auch in den "Schönesten Sagen aus Österreich":

Augustin hielt sich mit Vorliebe im Bierhaus "Zum roten Dachel" am Fleischmarkt auf und gab dort seine Possen und Lieder zum besten. Obwohl in der Pestzeit die meisten Lokale aus Furcht vor Ansteckung von den Wienern gemieden wurden, gab es im "Roten Dachel" stets vollbesetzte Tische; denn Augustins Humor lockte manchen Waghalsigen dorthin, der bei dem edlen Gerstensaft und den heiteren Klängen von Augustins Sackpfeife das tägliche Elend zu vergessen suchte.

An einem klaren Septemberabend aber saß der liebe Augustin trüb und niedergeschlagen in der Schenke, denn heute wollte sich kein Gast zeigen. Wortlos und unwillig stierte er vor sich hin und ließ sich Glas um Glas vorsetzen, um seinen Unmut zu dämpfen. Wankend und höchst unsicher auf den Beinen, verließ er spätabends den Schauplatz seiner früheren Triumphe, um seine vor der Stadt gelegene Behausung aufzusuchen.

Als er über den Kohlmarkt zum Burgtor hinausgetorkelt war, stolperte er und fiel am Rande der Straße nieder, wo er, unfähig, sich wieder zu erheben, liegenblieb und gleich einschlief. Als ein wenig später die Pestknechte mit einer Leichenfuhre an der Stelle vorüberkamen, dachten sie, hier liege auch ein mausetoter Mann, packten ihn und warfen ihn zu den übrigen Toten auf den Wagen. Sie luden ihn dann mit den andern in der Pestgrube ab und fuhren wieder davon.

Augustin aber hatte weder das Aufladen noch das Abladen verspürt, sondern mitten unter den Toten auf dem Wagen und in der Grube weitergeschlafen, als ob er zu Hause in seinem Bett läge. Als ihn dann die Morgenluft ernüchterte und er aus seinem Schlummer erwachte, sah er mit Bestürzung, dass eine Pestgrube voll schauerlicher Leichen seine unheimliche Schlafstätte gewesen war. Da kamen gerade die Pestknechte mit einer neuen. Leichenfuhre zu der Grube und gewahrten entsetzt einen Mann zwischen den Toten herumstapfen. Augustin aber rief ihnen laut schimpfend zu: "So helft mir doch! Seht ihr denn nicht, dass ich den Grubenrand nicht erreichen und daher aus dieser verdammten Grube nicht hinausklettern kann?"

Einer von den Knechten aber sagte: "Den haben wir doch gestern für tot auf der Straße aufgelesen und in die Grube geworfen. Hat der Mensch Glück, dass die Grube gestern noch nicht voll war und daher nicht zugeschüttet wurde, sonst hätte es für ihn aus seinem Rausch kein Erwachen mehr gegeben!" Der liebe Augustin aber wurde ungeduldig. Die Helfer waren ihm zu langsam. "Mit einer Nacht in der Pestgrube habe ich vollauf genug", rief er unwillig, "ich will keine Minute länger hier drinnen bleiben. Rasch, helft mir hinauf!" Sie zogen ihn aus der Grube, und er ging schimpfend davon. Das Nachtlager unter den Pestleichen hatte keine bösen Folgen für ihn; er blieb gesund, wie er es bisher gewesen war, und bildete weiter den Anziehungspunkt für die Gäste des "Roten Dachel", denen er sein schauriges Abenteuer in zierlichen Versen noch oft zu Gehör brachte, bis er im Jahre 1702 hochbetagt eines natürlichen Todes starb. [1]



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Quellen

  1. Quelle: Die schönsten Sagen aus Österreich, o. A., o. J., Seite 22