Das dreifache Klopfen

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Rituale und Brauchtum
Das dreifache Klopfen


1., Innere Stadt Kapuzinergruft Neuer Markt Habsburger · Hofzeremoniell

Das dreifache Klopfen ist ein Begräbnisritual des habsburgischen Hofzeremoniells bei Beisetzungen in der Kapuzinergruft unter der Kapuzinerkirche am Neuen Markt.

Das dreifache Klopfen – Einlassritual in der Kapuzinergruft

Ort: Portal der Kapuzinerkirche am Neuen Markt; Zugang zur Kaisergruft

Schilderij van de keizerlijke grafkelder onder de Kapucijnerkerk in Wenen Wien. Kaiserl. Gruft bei den Capuzinern (titel op object), RP-F-F16492.jpg

Historische Darstellung der Kapuzinergruft

In der Kaisergruft unter der Kapuzinerkirche am Neuen Markt werden seit dem 17. Jahrhundert Angehörige des Hauses Habsburg bestattet. Bekannt geworden ist ein eigenes Einlassritual: Vor der verschlossenen Kirchentür hält der Trauerzug an. Ein Zeremonienmeister klopft mit einem Stab dreimal an die Pforte, aus dem Inneren fragt ein Kapuzinerbruder: Wer begehrt Einlass?

Daraufhin nennt der Zeremonienmeister die Titel und Würden der oder des Verstorbenen. Die Antwort lautet: Wir kennen sie / ihn nicht. Nach einem zweiten Klopfen wiederholt sich der Dialog in verkürzter Form. Erst beim dritten Klopfen nennt der Zeremonienmeister nur noch den Taufnamen und bezeichnet die oder den Verstorbenen als sterblichen, sündigen Menschen. Erst dann öffnet sich die Tür, und der Sarg wird zur Beisetzung in die Gruft getragen.[1]

In dieser Form wurde das Ritual international bekannt, als es 1989 bei der Beisetzung von Kaiserin Zita und 2011 bei der Bestattung von Otto Habsburg öffentlich vollzogen wurde. Medienberichte und Dokumentationen haben seither dazu beigetragen, dass das dreifache Klopfen als besonderes Element des Wiener Hofzeremoniells wahrgenommen wird.[2]

Überlieferung und Deutung: In populären Darstellungen wird das dreifache Klopfen oft als alte Hoflegende erzählt. Historische Quellen belegen für das 18. und 19. Jahrhundert Klopfzeichen und formelhafte Ansprachen bei Kaiserbegräbnissen; die heute bekannte Wortfolge ist jedoch erst in neuerer Zeit nachweisbar und wurde 1989 für die Bestattung Zitas in dieser Form gestaltet. In der Forschung wird das Ritual daher teils als legendarische Ausformung eines höfischen Brauchs eingeordnet.[3]

Historischer Hintergrund

Die Kapuzinergruft (auch Kaisergruft) wurde im frühen 17. Jahrhundert als Grablege der Habsburger eingerichtet. Kaiserin Anna stiftete 1617 das Kloster und verfügte ihre eigene Bestattung dort; der Bau der Gruft begann 1622 und wurde 1633 abgeschlossen. Seitdem wurden im Laufe der Jahrhunderte die meisten Mitglieder der Dynastie hier beigesetzt, von Kaiser Matthias und Anna über Maria Theresia bis zu späten Angehörigen der Familie Habsburg-Lothringen.[4]

Die Begräbnisfeiern der Habsburger folgten einem ausgeprägten Hofzeremoniell. Zeitgenössische Berichte aus dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert beschreiben, dass der Trauerzug vor der Gruftpforte anhielt, dass Klopfzeichen gegeben und die Verstorbene oder der Verstorbene mit ihren beziehungsweise seinen Titeln angesagt wurden. In Tagebuchnotizen und literarischen Bearbeitungen (etwa bei Friedrich Hebbel) erscheinen Varianten eines Dialogs zwischen Herold und Klosterbruder, der die Vergänglichkeit aller Würden betont.[5]

Neuere Untersuchungen des Hofprotokolls und der Primärquellen zeigen, dass die heute verbreitete Formulierung mit der dreifachen Abweisung und der abschließenden Wendung vom sterblichen, sündigen Menschen in älteren Protokollen nicht belegt ist und wohl erst im 20. Jahrhundert festgeschrieben wurde. In Interviews um die Beisetzung Ottos von Habsburg 2011 bezeichneten Vertreter der Kapuziner das Ritual ausdrücklich als Legende, die seit der Bestattung Zitas 1989 in dieser Form gepflegt wird, ohne für alle früheren Kaiserbegräbnisse nachweisbar zu sein.[6]

Vor diesem Hintergrund lässt sich das dreifache Klopfen heute als Verbindung von historischem Hofbrauchtum, theologisch motivierter Demutsbotschaft und moderner Erinnerungsinszenierung verstehen. Für Besucherinnen und Besucher der Kaisergruft steht es sinnbildlich für die Idee, dass vor dem Tod alle Standesunterschiede relativ werden.

Vertiefende Informationen: Kapuzinergruft · Neuer Markt · Hofburg · Literatur zum Wiener Hofzeremoniell

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Quellen

  1. Der Standard, Die Anklopf-Zeremonie im Wortlaut, 15. Juli 2011; ORF Wien, Das Anklopfritual bei Habsburg-Beisetzung, 2011.
  2. Berichte zur Beisetzung Zitas 1989 und Ottos von Habsburg 2011; u. a. Presse- und Agenturmeldungen.
  3. Wikipedia-Artikel Kaisergruft, Abschnitt Einlasszeremonie; Georg Markus, Die Anklopf-Zeremonie war früher unbekannt, in: Kurier, 15. Juli 2011; Stadtbekannt, Wiener Mythen und Geschichten – alles nur gelogen, Teil 2, 2017.
  4. Wikipedia-Artikel Kaisergruft; Informationen der Kapuziner Wien und der offiziellen Website der Kaisergruft.
  5. Ludwig August Frankl-Hochwart, zit. nach Friedrich Hebbel, Tagebücher; vgl. dazu den Abschnitt Einlasszeremonie im Artikel Kaisergruft.
  6. Magdalena Hawlik-van de Water, Der schöne Tod. Zeremonialstrukturen des Wiener Hofes bei Tod und Begräbnis, 1989; Medienberichte 2011, u. a. ORF, Die Presse, Der Standard.