Sagen und Legenden
Das Jungferngässchen und der Karneval
Wie ein Grab zur Braut führte
Ort der Erzählung
Man erzählt von einem Mädchen, das jahrelang im Haus an der Jungferngasse auf den Richtigen wartete – vergeblich und verspottet von den Freundinnen. In ihrer Verzweiflung stieg sie hinab zum Totengräber beim Friedhof von St. Peter und bat ihn, ein schönes Grab für sie auszuheben. Der brave Totengräber machte sich gleich an die Arbeit.
Noch am gleichen Tage lernte das verzweifelte Mädchen, vielleicht wegen ihres melancholischen Ausdrucks im hübschen Gesicht, einen Mann kennen - und der, siehe da, begehrte sie auch gleich zur Frau.
Die Braut ging nun an nächsten Tag eilends zur Kirche, betete zu Gott und dankte ihm für den Glücksfall, und da sah sie wieder den Totengräber, der noch mit der Schaffung ihres Grabes beschäftigt war. Eilig ging sie mit einer größeren Summe an Gold zu dem Arbeitenden und flüsterte errötend: "Werft ja nur die Grube wieder zu, denn ich gehe bald nicht mehr als Jungfrau durch das Gässchen."
In Blitzeseile verbreitete sich der Vorfall in Wien. und nun strömen an jedem Faschingstage sämtliche sitzendgebliebenen Mädchen zu dem Totengräber, um sich von ihm ein Grab schaufeln zu lassen. Denn sie hoffen, dadurch ebenfalls bald zur Braut zu werden. Ob und wie vielen das gelang, ist nicht bekannt, sicher ist aber, dass dem Totengräber zum Karneval ein besonderes Einkommen beschert war und er aus diesem Grund dem Gässchen den Namen "Jungferngässchen" gegeben hat.
Historischer Hintergrund
Zur Einordnung: Die Jungferngasse ist bereits 1414 als »daz lückelin« / »das Luckel« belegt; der heutige Name gilt seit 1862. Sie gilt als einzige Gasse der Inneren Stadt ohne Haustor – »unzugänglich wie eine Jungfer«. Um die Gasse ranken sich mehrere Erzählmotive; die Faschingssage bindet den Namen volksetymologisch an Brautwünsche und den Peterskirchen-Friedhof.
Quellen