Das Hausgespenst in der Rotenturmstraße

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Das Hausgespenst in der Rotenturmstraße Relevante Orte: Rotenturmstraße 14
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Im 15.Jahrhundert stand etwa hier ein großes Haus, das einem Bäckermeister namens Hans During gehörte. Er konnte jedoch nicht hier wohnen, auch an Vermietung war nicht zu denken, denn es spukte hier. Jede Nacht polterte es und ein Gejammer hallte durch die Räume. Da sich niemand mehr in das Haus hineintraute, verwahrloste es, von den Decken hingen Spinnweben, die Fester waren trübe und überhaupt gruselte es einen schon, wenn man durch die Tür trat.

Da der Bäckermeister dem ein Ende setzen wollte, versprach er dem, der das Geistertreiben beenden würde, 100 Gulden. Nach kurzer Zeit meldete sich der Wächter des Stubentores. Kurz zögerte Hans During, ob er das Vorhaben dem munteren Mann mit Fidel zumuten solle, übergab ihm dann aber doch den Schlüssel. Der Wächter suchte sich also ein halbwegs wohnliches Zimmer und setzte sich gegenüber der Tür, um das Geschehen abzuwarten.

Da saß er nun, beobachtete die dicken Schneeflocken vor dem Fenster und vertrieb sich die Zeit mit Gedanken an seine Familie. Wenn er doch nur den Geist vertreiben könnte, er würde seiner Frau und den Kindern schöne Weihnachtsgeschenke machen können...

Und endlich, als die Glocken des Stephansdoms Mitternacht läuteten, geschah etwas: Tritte schlurften durch das Haus, die Zimmertür ging auf und die fast niedergebrannte Kerze verlosch. Der Wächter sah nun, wer da hereingekommen war, ein altes Männlein mit langem Bart, das Gesicht von Runzeln zerfurcht, in einer Hand hielt er einen Lederbeutel, in der anderen eine brennende Kerze. Mühsam humpelte der Alte zum Tisch, ließ sich auf einen Sessel fallen und starrte vor sich hin. Der Wächter nahm nun flink seine Fidel zur Hand und begann Lieder zu spielen, erst Volksweisen, dann Wiener Lieder und letztlich, wegen des nahenden Weihnachtsfestes, auch Weihnachtslieder. Der Alte hatte indessen seinen Beutel genommen und den Inhalt auf den Tisch geleert. Viele Münzen rollten über den Tisch, der Alte begann sie nun zu zählen, immer und immer wieder, also wolle das Ergebnis seiner Zählung ihn nicht befriedigen. Erst, als die Klänge eines Weihnachtsliedes ertönten, hielt der alte Mann kurz inne, schaute verträumt in die Ferne und sprach: "Ach, wie selig, wie glücklich waren die Jahre der Kindheit, durch die solche Lieder klangen." Unerwartet hob er plötzlich den Tisch an, ließ alle Münzen zu Boden rollen und schrie: "Fort mit dir, du böses Geld, Blendwerk des Teufels! Du wecktest in mir die Habgier, ich habe mit dir schuldlose Menschen ins Unglück gestürzt!" Der Wächter sah noch, wie sich der Alte mit den Fingern über sein schütteres Haar strich, dann zerschmolz die Gestalt in der Dunkelheit und war nicht mehr zu sehen.

Müde rollte sich der Wächter nun auf seinem Lager zusammen und schlief endlich ein. Morgens weckten ihn die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster auf sein Gesicht fielen. Verschlafen rieb er sich die Augen, und konnte nicht glauben, was er hier sah. Auf dem Tisch lag der leere Lederbeutel, der Boden war mit Münzen übersät. Rasch sammelte der gute Mann das Geld ein, verstaute es im Lederbeutel und brachte es zum Pfarrer von Sankt Stephan, damit er es unter den Armen verteile.

Seit diesem Tag spukte es nicht mehr in dem Haus, Bäckermeister During ließ es herrichten und zog mit seinen Lieben hier ein. Der Wächter aber konnte mit seinen verdienten 100 Gulden wunderbare Weihnachtsgeschenke für Frau und Kinder besorgen.


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Quellen