Sagen und Legenden
Das Hausgespenst in der Rotenturmstraße
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Der Wächter mit der Fidel
Rotenturmtor, Bermann
Im 15. Jahrhundert stand beim heutigen Rotenturmstraße 14 ein großes Haus des Bäckermeisters Hans During, das niemand beziehen mochte: Nacht für Nacht polterte es, und klägliches Wehklagen hallte durch die Zimmer. Staub und Spinnweben hingen von den Decken, die Fenster waren blind – ein Spukhaus.
Der Bäcker lobte 100 Gulden für den aus, der dem Treiben ein Ende machte. Da meldete sich der muntere Wächter vom Stubentor, eine Fidel unterm Arm. Er verschloss sich in einem Zimmer und wartete. Als Mitternacht läutete, scharrten Schritte über den Flur; die Tür ging auf, die Kerze flackerte aus – und herein humpelte ein altes Männlein mit langem Bart, Kerze in der einen, einen Lederbeutel in der anderen Hand. Es schüttete Münzen auf den Tisch und begann unablässig zu zählen.
Nun setzte der Wächter an zu spielen: zuerst volkstümliche Weisen, dann Wiener Lieder – und schließlich, weil Weihnachten nahte, ein Weihnachtslied. Da hielt der Alte inne, seufzte: Wie selig die Jahre der Kindheit! Plötzlich stieß er den Tisch um, die Münzen rollten, und er rief: Fort, du böses Geld! Du hast mich zur Habgier verführt und Unschuldige ins Unglück gestürzt! Er strich sich über das dünne Haar – und zerging in der Dunkelheit.
Am Morgen lag der leere Beutel auf dem Tisch, der Boden war mit Münzen bedeckt. Der Wächter sammelte sie ein und brachte sie zum Pfarrer von Sankt Stephan, damit er sie unter den Armen verteile. Von da an schwieg das Haus; Hans During ließ es herrichten und zog ein – und der Wächter kaufte von den verdienten 100 Gulden hübsche Weihnachtsgeschenke für seine Familie.
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Historischer Hintergrund
Zur Einordnung: Die Sage verbindet typische Motive: der unerlöste Geist, der an Geldgier gebunden ist; Erlösung durch Musik (Weihnachtslied), Läutezeit und Almosen. Die Verortung an der Rotenturmstraße knüpft an Bäcker- und Handelstraditionen an; der Wächter vom Stubentor verankert den Stoff im Stadtraum der Tore und Nachtwachen.
Quellen
- ↑ CityABC: Das Hausgespenst in der Rotenturmstraße (Erzählfassung und Ort).