Annenfest

Aus City ABC

Rituale und Brauchtum
Annenfest

Ganz Wien Annentag, 26. Juli Prater · Stuwer-Feuerwerke Landstraße / Zur goldenen Birne Wiener Annentempel Kahlenberg · St. Josef · Zieglervilla

Relevante Orte: Feuerwerkswiese im Prater, Tanzsaal Wiener Annentempel im Gasthof Zur goldenen Birne (Landstraßer Hauptstraße 31), Annenfest am Kahlenberg bei der Kirche St. Josef und der Zieglervilla.

Annenfest in Wien

Namenstagsfest der heiligen Anna am 26. Juli und seine Schauplätze im alten Wien

Datei:Annenfest Alt Wien Stich.jpg

Darstellung eines Annenfests in Alt-Wien (19. Jahrhundert).

Das Annenfest war ein Namenstagsfest zu Ehren der heiligen Anna und all jener Wienerinnen, die Anna, Annerl oder Nanni hießen. Besonders im 18. und 19. Jahrhundert entwickelte sich daraus ein städtisches Volksfest mit Theateraufführungen, Serenaden, Feuerwerken und kleinen Geschenken. Der 26. Juli als Annentag galt bis in die spätmariatheresianische Zeit als offizieller Feiertag; der Name Anna gehörte um 1900 zu den häufigsten Frauennamen in Wien.[1]

Das Fest war nicht an einen einzigen Schauplatz gebunden, sondern spiegelte sich an mehreren Orten der Stadt: im Prater mit spektakulären Feuerwerken, in Tanzsälen wie dem Wiener Annentempel bei der Landstraßer Hauptstraße und auf dem Kahlenberg, wo Annenfeste mit Schönheitsbewerben der Annerln stattfanden. So wurde der Namenstag zu einem Sommerfest, das liturgische Verehrung, städtische Vergnügungskultur und Mode der jeweiligen Zeit verband.

Historischer Hintergrund des Annentags

Die Verehrung der heiligen Anna setzte im Mittelalter ein; im 16. Jahrhundert wurde der 26. Juli als Festtag allgemein festgelegt. In der frühen Neuzeit wurde der Annentag schließlich fester Bestandteil des Kirchenjahres, und der Kult verbreitete sich in ganz Mitteleuropa. In Österreich und speziell in Wien beschreiben Kirchen- und Volkskunde eine starke Popularität der Heiligen, von Annenkirchen und -kapellen bis zur Benennung von Mädchen nach Anna. Der Annentag war bis in die spätmariatheresianische Zeit ein anerkannter Feiertag im Herrschaftsgebiet; erst später wurde er in den säkularisierten Jahreslauf eingepasst.[2]

In Wien hatte das Annenfest damit eine doppelte Dimension: einerseits als kirchlicher Gedenktag mit Gottesdiensten in Annenkirchen und -kapellen, andererseits als bürgerliches Fest, bei dem Annerln besonders geehrt wurden. Schon früh verbinden Quellen die liturgische Feier mit Formen der Unterhaltung: Serenaden, Theater und Feuergaben für die Namensträgerinnen werden erwähnt, dazu reich geschmückte Säle und Festtafeln in Gasthäusern und Vergnügungsetablissements.

Feuerwerke im Prater und städtische Attraktionen

Eine zentrale Bühne des Annenfests war der Prater. Seit den 1770er-Jahren veranstaltete der Feuerwerksunternehmer Johann Georg Stuwer am Annentag eigene Feuerwerke, die zu den großen Spektakeln der Stadt zählten. Eine von Gustav Gugitz überlieferte Liste zeigt, dass Stuwer zwischen 1776 und 1800 nahezu jährlich zum Annentag ein aufwendiges Feuerwerk auf der Feuerwerkswiese im Prater abzog, häufig mit erklärenden Programmen und allegorischen Themen.[3]

Zu diesen Feuerwerken kamen weitere Attraktionen: zeitgenössische Berichte nennen Aufstiege von Luftballons in den 1780er-Jahren und aerostatische Figuren, die über dem Praterhimmel schwebten. Solche Besonderheiten machten das Annenfest auch für jene interessant, die mit der Heiligenverehrung selbst wenig zu tun hatten. Der Weg in den Prater wurde zum Teil des jährlichen Stadterlebnisses: vom Stadtkern über die Praterstraße hinaus zu Glacis, Wiesen und Feuerwerksplätzen.

Wiener Annentempel und Zur goldenen Birne

Ein besonders enger Bezug des Annenfests zu einem konkreten Lokal findet sich auf der Landstraße. Im Gasthof Zur goldenen Birne an der Landstraßer Hauptstraße 31 wurde im frühen 19. Jahrhundert ein Tanzsaal errichtet, der wegen der dort gefeierten Namenfeste der Wiener Annerln bald den Beinamen Wiener Annentempel erhielt.[4][5]

Der Annentempel war eine der gefragten Tanzadressen des Vormärz. Hier fanden Bälle statt, bei denen die Wiener Tanzmusik eine wichtige Rolle spielte: Kapellen von Johann Strauß Vater, Joseph Lanner und anderen spielten Annenpolkas, Quadrillen und neue Walzerprogramme. Zeitgenössische Tanzlokal-Verzeichnisse und Werkbiografien berichten, dass Strauß und Lanner im Annentempel wiederholt auftraten und eigene Stücke zum Annentag vorstellten.[6][7]

Der Spitzname Wiener Annentempel verweist darauf, wie stark das Annenfest im städtischen Gedächtnis verankert war: Der Saal wurde nicht nach seinem Bauherrn oder seiner Architektur benannt, sondern nach der Praxis, hier jedes Jahr das Namensfest der Annerln zu begehen.[8]

Annenfest am Kahlenberg und die Zieglervilla

Eine weitere Ausprägung des Annenfests lag auf dem Kahlenberg. Quellen aus dem 19. Jahrhundert berichten von Annenfesten bei der Kirche St. Josef am Gipfel, bei denen eine Art Schönheitskonkurrenz der anwesenden Mädchen und Frauen stattfand. Den Ursprung dieses Festes führt die Überlieferung auf Anna Ziegler zurück, die Mitte des 19. Jahrhunderts als Initiatorin genannt wird. An ihr erinnert eine Gipsbüste, die einst an der sogenannter Zieglervilla östlich der Kahlenberger Kirche angebracht war.[9]

Das Kahlenberger Annenfest verband den religiösen Gedenktag mit dem beliebten Ausflugsziel im Wienerwald. Wer hinaufstieg oder mit Wagen herauffuhr, konnte Aussicht, Wirtshausbesuch und Feststimmung verbinden; für die Stadtbevölkerung wurde der Annentag so zugleich zu einem Tag der Landpartie. In der Erinnerung an das alte Wien nehmen die Kahlenberger Annenfeste einen festen Platz ein, zumal sie mit überlieferten Bildquellen und Berichten illustriert sind.

Geschenkblätter, Fächer und Mode

Zum Annentag wurden auch besondere Gaben und Erinnerungsstücke geschaffen. Eine wichtige Rolle spielte der Kupferstecher und Kunsthändler Johann Hieronymus Löschenkohl, der in Wien Faltfächer und sogenannte Geschenkblätter mit aktuellen Szenen druckte. Volkskundliche Darstellungen nennen ausdrücklich Fächer zum Annenfest und zu Neujahr, die in unterschiedlichen Preislagen angeboten wurden und als typische Mitbringsel oder Gaben für die Namensträgerinnen dienten.[10]

Solche Fächer und Geschenkblätter verbanden Mode, Graphik und Brauch: Sie transportierten Bilder von Feuerwerken, Tanzsälen oder allegorischen Szenen und machten das Annenfest auch in den Wohnstuben sichtbar. In Anzeigen der Wiener Zeitung und von Modejournalen wurden diese Produkte gezielt um den Annentag beworben; damit erhielt das Fest auch einen wirtschaftlichen Aspekt im Gewerbe der Waderlmacher und Kunsthändler.

Literatur, Tanzmusik und Annenpolkas

Die älteste ausführlichere Schilderung eines Annenfests ist aus 1787 überliefert; kurz darauf erwähnte der Schriftsteller Ferdinand Leopold von Perinet das Fest in seinen Annehmlichkeiten in Wien und beschrieb damit einen Teil des sommerlichen Stadtlebens.[11]

Auch die Musik nahm wiederholt Bezug auf das Annenfest. Werke von Mozart werden im Zusammenhang mit Festprogrammen genannt; später widmeten Johann Strauß Vater, Johann Strauß Sohn, Joseph Lanner und andere Komponisten dem Annenfest eigene Annapolkas und Quadrillen. In Tanzlokalen wie dem Wiener Annentempel, dem Sperl oder der Neue Welt in Hietzing wurden solche Stücke zu Annenfesten und Sommerbällen uraufgeführt oder als Novitäten angekündigt.[12]

Daneben entstanden Theaterstücke und Singspiele, die mit dem Annenfest verbunden waren und nachweislich in Wiener Theatern Erfolg hatten. Programmzettel nennen Annenfeste als Anlass für spezielle Aufführungen; so verschwimmt in der Überlieferung oft die Grenze zwischen liturgischem Gedenktag, Volksfest und Unterhaltungstheater.

Nachklang und heutige Sicht

Mit dem Wandel der Vergnügungskultur, dem Verschwinden oder der Umnutzung von Tanzsälen und Etablissements verloren die klassischen Annenfeste ihre frühere Selbstverständlichkeit. Im 20. Jahrhundert trat der Annentag hinter andere Feiertage zurück; die großen Feste in Prater, Annentempel und auf dem Kahlenberg wurden nicht fortgeführt oder nur noch punktuell erinnert.[13]

Heute wird der Annentag vor allem in Pfarren mit Annenpatrozinium liturgisch begangen; vereinzelt greifen Kirtage und Pfarrfeste die ältere Tradition auf. In der Wiener Stadtgeschichte lebt das Annenfest weiter als Beispiel dafür, wie stark Namenstage, Heiligenverehrung und städtische Vergnügungskultur einmal miteinander verwoben waren – vom Feuerwerk im Prater über den Wiener Annentempel bis zum Annenfest am Kahlenberg.

Navigation

→ weiter zu Bäckerumzug
← zurück zu Allerseelen und das Allerseelenstück

Quellen

  1. Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Bd. 1, Kremayr & Scheriau, Wien 1992, Stichwort Annenfest bzw. Anna (Heilige), mit Angaben zum offiziellen Feiertag und zur Verbreitung des Namens Anna.
  2. Wien Geschichte Wiki, Artikel Anna (Heilige) und Annenfest; volkskundliche Darstellungen zum Annentag in Wien.
  3. Gustav Gugitz: Das Annenfest im alten Wien, in: Emil Karl Blümml / Gustav Gugitz, Von Leuten und Zeiten im alten Wien, Wien 1922, insbesondere die dort zitierte Liste der Annentagsfeuerwerke Stuwers.
  4. Wien Geschichte Wiki, Artikel Zur goldenen Birne und Wiener Annentempel; sowie Stadtbräuche Wien 3 im Austria-Forum, mit Hinweisen auf den Tanzsaal und das Namensfest der Wiener Annen.
  5. https://1030wien.at/bezirksinfo_ge_bau_20.htm
  6. Wolfgang Dörner: Joseph Lanner. Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis, Böhlau 2012, Abschnitte zu Auftritten in der Goldenen Birne und dem Annentempel; Hinweise auf jährlich am Annenfest abgehaltene Feiern.
  7. https://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_s/Stipperger_Johann-Ev_1772_1833.xml
  8. https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Zur_goldenen_Birne
  9. Wien Geschichte Wiki, Artikel Annenfest, Kahlenberg und St. Josef am Kahlenberg, mit Hinweisen auf Anna Ziegler und die Zieglervilla.
  10. ABC zur Volkskunde Österreichs, Stichwort Fächer, mit Hinweisen auf Johann Hieronymus Löschenkohl und seine Fächer zum Annenfest und zu Neujahr.
  11. Hinweise bei Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Stichwort Annenfest, und in Gustav Gugitz, Das Annenfest im alten Wien, zur frühen literarischen Erwähnung bei Perinet.
  12. Werkkommentare zu Johann Strauß Vater und Joseph Lanner, insbesondere zur Annen-Polka und zu Tanzprogrammen im Sperl, in der Goldenen Birne und der Neuen Welt; vgl. Wien Geschichte Wiki, Neue Welt.
  13. Neuere Stadtgeschichtsdarstellungen und volkskundliche Überblickswerke, etwa Helga Maria Wolf: Sehnsucht nach dem Alten Wien, mit Hinweisen auf den Bedeutungsverlust klassischer Stadtbräuche wie des Annenfests.