1934: Februarkämpfe
1934: Februarkämpfe
Die Februarkämpfe 1934 waren bewaffnete Auseinandersetzungen vom 12. bis 15. Februar 1934, die in Wien vor allem Arbeiterbezirke, Parteiinfrastruktur und große Gemeindebauten erfassten. Sie entstanden in einer Phase, in der die Bundesregierung unter Engelbert Dollfuß die parlamentarische Demokratie bereits ausgeschaltet und die sozialdemokratischen Strukturen zunehmend mit Verboten, Waffensuchen und Verhaftungen unter Druck gesetzt hatte. In Wien wurde der Konflikt insbesondere dort sichtbar, wo das Rote Wien baulich und organisatorisch konzentriert war: in Gemeindebauten, Arbeiterheimen und lokalen Organisationsknoten. [1][2]
Kurzüberblick
In der Logik der Ereignisse verbindet sich eine nationale Zäsur mit sehr konkreten Wiener Schauplätzen. Nach der Selbstausschaltung des Nationalrats im März 1933 regierte die Bundesregierung weitgehend per Verordnungen, schränkte Grundrechte ein und ging gegen politische Gegner vor; im März 1933 wurde der Republikanische Schutzbund aufgelöst. [3] Die Sozialdemokratie hatte diese Schritte laut hdgö trotz Protesten zunächst ohne bewaffneten Widerstand hingenommen, auch das Verbot des Schutzbunds am 31. Mai 1933. [4]
Anfang Februar 1934 häuften sich Waffensuchen und Verhaftungen. Als am Morgen des 12. Februar 1934 in Linz eine Waffensuche im sozialdemokratischen Parteisekretariat eskalierte, griffen bewaffnete Auseinandersetzungen auf weitere Orte über; in Wien konzentrierten sie sich besonders auf Arbeiterbezirke und markante Einrichtungen der sozialdemokratischen Infrastruktur. [5][6]
Zeitgeschichtliche Darstellungen betonen, dass Regierungskräfte in deutlicher Übermacht standen und in Wien auch schwere Waffen eingesetzt wurden. Das DÖW nennt als Forschungsstand mehr als 350 Tote, beschreibt den Einsatz von Artillerie und Minenwerfern gegen Gemeindebauten und Arbeiterwohnhäuser und verweist darauf, dass der erhoffte Generalstreik ausblieb. [7]
Wiener Schauplätze
In Wien ist der Konflikt besonders gut über einzelne Brennpunkte zu erzählen, weil sich dort politische Organisation, Wohnbau und öffentliche Gewalt unmittelbar berührten. In Ottakring war das Ottakringer Arbeiterheim (Kreitnergasse 29–33 / Klausgasse 30–32) schwer umkämpft; das DÖW beschreibt den Einsatz von Feldhaubitzen, Maschinengewehren und Minenwerfern gegen die Verteidiger und nennt als prominentes Opfer Ida Sever. [8]
In Döbling wurde der Karl-Marx-Hof zum Symbolort, weil hier die Auseinandersetzung um Gemeindebauten als „Festungen“ des Roten Wien sichtbar wurde. Laut DÖW setzte am 13. Februar Artilleriefeuer von der Hohen Warte gegen den Karl-Marx-Hof ein. [9]
In der heutigen Donaustadt (damals gehörte der Goethe-Hof noch zum 2. Bezirk) fanden rund um den Goethe-Hof (Schüttaustraße 21–39) heftige Kämpfe statt; das DÖW nennt für den 14. Februar 1934 ausdrücklich den Einsatz von Feldhaubitzen und Feldkanonen zur Niederringung der Verteidiger. [10]
In Floridsdorf waren der Schlingerhof und weitere Punkte entlang wichtiger Verkehrsachsen Schauplätze von Kämpfen. Ein DÖW-Fotodokument hält fest, dass es am 13. Februar 1934 beim Schlingerhof heftige bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Schutzbund und Exekutive gab, bei denen mehrere Tote zu beklagen waren. [11]
Mini-Zeitleiste
| Datum | Ereignis (Wien-Fokus) |
|---|---|
| März 1933 | Ausschaltung des Nationalrats; die Bundesregierung regiert in der Folge auf dem Verordnungsweg und verschärft Maßnahmen gegen politische Gegner. [12] |
| 31. Mai 1933 | Verbot des Republikanischen Schutzbunds; zugleich wachsen Waffensuchen und Druck auf sozialdemokratische Strukturen. [13] |
| Anfang Februar 1934 | Häufung von Waffensuchen und Verhaftungen; die Lage in Wien ist bereits angespannt, Parteiheime geraten in den Fokus. [14] |
| 12. Februar 1934 | Beginn der Kämpfe nach einer Waffensuche in Linz; Ausweitung auch auf Wiener Arbeiterbezirke und Gemeindebauten. [15][16] |
| 13. Februar 1934 | Artilleriefeuer von der Hohen Warte gegen den Karl-Marx-Hof; gleichzeitig bleiben mehrere Wiener Brennpunkte aktiv. [17] |
| 14. Februar 1934 | Einsatz von Feldhaubitzen und Feldkanonen gegen den Goethe-Hof (Schüttaustraße 21–39) zur Niederringung der Verteidiger. [18] |
| 12.–15. Februar 1934 | Dauer der Kämpfe; der Aufstandsversuch bricht zusammen, nachdem der Generalstreik ausbleibt und schwere Waffen gegen Arbeiterwohnhäuser eingesetzt werden. [19] |
| 1. Mai 1934 | Proklamation einer neuen Verfassung, die Österreich „auf christlicher und ständischer Grundlage“ definiert; damit wird der Umbau zur Diktatur auch rechtlich fixiert. [20][21] |
Folgen in Wien
Die Folgen waren in Wien unmittelbar sichtbar und langfristig wirksam. Kurzfristig bedeuteten sie eine militärische und polizeiliche Durchdringung jener Bezirke, in denen die Sozialdemokratie besonders stark war, sowie die Zerschlagung zentraler Organisationsorte. Der Blick auf einzelne Brennpunkte zeigt, wie sehr sich der Konflikt in die Stadt eingeschrieben hat: beschädigte Fassaden, zerstörte Innenräume, provisorische Sperren und eine rasch einsetzende Welle von Verhaftungen.
Politisch reagierte das Regime mit Standrecht und harter Repression. Das hdgö beschreibt die Regierungslinie nach dem Aufstand als standrechtliche Antwort und nennt die Hinrichtung von Anführern, darunter Koloman Wallisch. [22] Das DÖW nennt für den Forschungsstand mehr als 350 Todesopfer, verweist auf neun Hinrichtungen sowie auf Internierungen ohne gerichtliche Urteile, etwa im Anhaltelager Wöllersdorf, und auf Fluchtbewegungen ins Ausland. [23]
Mythentrennung
| Behauptung | Was stimmt? |
|---|---|
| Es handelte sich um ein ausschließlich Wiener Ereignis. | Tatsächlich begann die Eskalation zwar in Linz, doch die Kämpfe erfassten mehrere Orte; das hdgö nennt ausdrücklich neben Wien auch Steyr, Graz und die Obersteiermark. [24] |
| Die Kämpfe waren ein zentral gesteuerter Plan der Parteiführung. | Darstellungen des Parlaments und des DÖW betonen, dass die Eskalation in Linz vor dem Hintergrund von Verhaftungen und Waffensuchen entstand und dass Schutzbündler entgegen klaren Anordnungen der Parteiführung das Feuer eröffneten; die Auseinandersetzungen weiteten sich danach aus. [25][26] |
| Gegen Wohnanlagen und Arbeiterwohnungen wurden keine schweren Waffen eingesetzt. | Für Wien ist das Gegenteil quellennahe belegbar. Das hdgö spricht vom Beschuss von Arbeiterwohnungen mit Artillerie, und das DÖW dokumentiert für konkrete Wiener Schauplätze den Einsatz von Feldhaubitzen und Feldkanonen, etwa gegen den Karl-Marx-Hof und den Goethe-Hof. [27][28][29] |
| Der Generalstreik trug die Erhebung. | Das DÖW hält fest, dass der erhoffte Generalstreik ausblieb, was den raschen Zusammenbruch des Aufstandsversuchs mit erklärte. [30] |
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Quellen
- ↑ Haus der Geschichte Österreich (hdgö): 1934: Februarkämpfe. https://hdgoe.at/februar-1934
- ↑ Parlament Österreich: 12. Februar 1934: Österreich stürzt in den Bürgerkrieg (Hintergrund zur Ausschaltung des Parlaments 1933 und zur Eskalation). https://www.parlament.gv.at/aktuelles/news/archiv/j2014/2014_02_12_oesterreich_buergerkrieg
- ↑ Parlament Österreich: 12. Februar 1934: Österreich stürzt in den Bürgerkrieg. https://www.parlament.gv.at/aktuelles/news/archiv/j2014/2014_02_12_oesterreich_buergerkrieg
- ↑ Haus der Geschichte Österreich (hdgö): 1934: Februarkämpfe. https://hdgoe.at/februar-1934
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Februarkämpfe 1934 (Überblickstext). https://www.doew.at/n/ab9cd/Februarkaempfe-1934
- ↑ Haus der Geschichte Österreich (hdgö): 1934: Februarkämpfe. https://hdgoe.at/februar-1934
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Februarkämpfe 1934 (Überblickstext). https://www.doew.at/n/ab9cd/Februarkaempfe-1934
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Ottakring – Februar 1934 in Wien. https://www.doew.at/n/dvnva/Ottakring
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Döbling – Februar 1934 in Wien. https://www.doew.at/n/cvjvq/Doebling
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Donaustadt – Februar 1934 in Wien. https://www.doew.at/n/2sbgr/Donaustadt
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): DÖW Foto 3004/2 – Opfer der Kämpfe beim Schlingerhof. https://www.doew.at/n/1852h/DOeW-Foto-3004-2
- ↑ Parlament Österreich: 12. Februar 1934: Österreich stürzt in den Bürgerkrieg. https://www.parlament.gv.at/aktuelles/news/archiv/j2014/2014_02_12_oesterreich_buergerkrieg
- ↑ Haus der Geschichte Österreich (hdgö): 1934: Februarkämpfe. https://hdgoe.at/februar-1934
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Februarkämpfe 1934. https://www.doew.at/n/ab9cd/Februarkaempfe-1934
- ↑ Haus der Geschichte Österreich (hdgö): 1934: Februarkämpfe. https://hdgoe.at/februar-1934
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Februarkämpfe 1934. https://www.doew.at/n/ab9cd/Februarkaempfe-1934
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Döbling – Februar 1934 in Wien. https://www.doew.at/n/cvjvq/Doebling
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Donaustadt – Februar 1934 in Wien. https://www.doew.at/n/2sbgr/Donaustadt
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Februarkämpfe 1934. https://www.doew.at/n/ab9cd/Februarkaempfe-1934
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Februarkämpfe 1934. https://www.doew.at/n/ab9cd/Februarkaempfe-1934
- ↑ Haus der Geschichte Österreich (hdgö): Die Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur (Themenseite). https://hdgoe.at/dsd_themensammlung
- ↑ Haus der Geschichte Österreich (hdgö): 1934: Februarkämpfe. https://hdgoe.at/februar-1934
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Februarkämpfe 1934. https://www.doew.at/n/ab9cd/Februarkaempfe-1934
- ↑ Haus der Geschichte Österreich (hdgö): 1934: Februarkämpfe. https://hdgoe.at/februar-1934
- ↑ Parlament Österreich: 12. Februar 1934: Österreich stürzt in den Bürgerkrieg. https://www.parlament.gv.at/aktuelles/news/archiv/j2014/2014_02_12_oesterreich_buergerkrieg
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Februarkämpfe 1934. https://www.doew.at/n/ab9cd/Februarkaempfe-1934
- ↑ Haus der Geschichte Österreich (hdgö): 1934: Februarkämpfe. https://hdgoe.at/februar-1934
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Döbling – Februar 1934 in Wien. https://www.doew.at/n/cvjvq/Doebling
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Donaustadt – Februar 1934 in Wien. https://www.doew.at/n/2sbgr/Donaustadt
- ↑ Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Februarkämpfe 1934. https://www.doew.at/n/ab9cd/Februarkaempfe-1934