Spuk im Zeughaus

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Sagen und Legenden
Spuk im Zeughaus


1., Innere Stadt Am Hof Am Hof 9-10, Altes Zeughaus (hist.) Nachtwache & Rüstungen

Relevante Orte: Am Hof 9-10 – Altes städtisches Zeughaus (historisch) und Hofgebäude im Umfeld


Wenn nachts die Rüstungen gehen

Datei:Zeughaus Ruestungen Symbol.jpg

Harnische im Ständer – wenn der Wind schweigt und doch etwas klingelt (Symbolbild)

Man erzählte sich am Am Hof, dass im alten Zeughaus nach Mitternacht ein leises Klirren und Scharren zu hören sei, obwohl die Fenster verriegelt waren und die Wache schlief. Der junge Nachtwächter Franz wollte wissen, was es damit auf sich habe. Er blieb hinter dem schweren Tor verborgen und wartete, bis die Turmuhr zwölf schlug.

Kaum war der letzte Schlag verklungen, regte sich im Dunkel ein Harnisch auf seinem Ständer. Ein Helm drehte sich, als suche er sein Visier; eine Handschuhschale kippte, als wolle sie nach der Klinge greifen. Dann schob sich, Schritt um Schritt, eine alte Komtur-Rüstung vom Platz und blieb vor der Tür stehen. Franz fasste sich ein Herz: Er nahm die Mütze ab und flüsterte, man möge sagen, was fehle. Da klirrte es aus der Tiefe der Halle wie eine Antwort: ein Schlüssel.

Am Morgen fand man in einem vergessenen Fach unter den Waffenständern einen Bund alter Schlüssel und eine Liste über ausgeliehene Ausrüstung – ein Posten war nie zurückgebracht worden. Seitdem sagten die Leute, die Rüstungen gingen, bis das Fehlende gefunden sei. Und wer des Nachts am Hof ein Klirren höre, solle nicht lachen; es könne sein, dass ein Helm noch immer nach seinem Schwert sucht.

Ort: Hallen des alten Zeughauses am Am Hof; Tor und Waffenstände

Varianten der Erzählung: Ein Fähnlein spukt, bis seine Standarte wieder aufgehängt wird · ein Türkenhelm klappert, bis die Trophäe in die Kirche gestiftet ist · skeptische Deutung: Holzwerk arbeitet, Metall scheppert im Luftzug.

Wenn nachts die Rüstungen gehen

Datei:Zeughaus Ruestungen Symbol.jpg

Harnische im Ständer – wenn der Wind schweigt und doch etwas klingelt (Symbolbild)

In einem alten Almanach von Wien aus dem Jahr 1774 ist das Zeughaus, das sich damals Am Hof 9-10 befand, so beschrieben: „Neben einer ziemlich beträchtlichen Artillerie und vielen heutzutage üblichen Waffen befindet sich allda auch eine Menge alter Waffen, und viele andere Sachen, die man von den Türken, besonders da sie im Jahr 1683 von Wien hinweggeschlagen worden, erobert hat. Man zeigt eben in diesem Orte den Kopf des Kara Mustafa, welcher damals Großvezir war, und die Türkische Armee commandirte, und im darauf folgenden Jahre zu Belgrad erdrosselt worden, von wannen nach er sein Kopf nach Wien gebracht worden. Es ist auch allhier der halbe Mond und der Stern, als die türkischen Wappen, welche im Jahre 1529 an die Spitze des St. Stephansthurmes (damit der türkische Kaiser Sülejman nicht auf diese Kirche seine Stücke spielen liesse) gesetzt, und aber nach der letzten türkischen Belagerung im Jahre 1683 wieder herunter genommen, und an deren Statt das Kreuz, welches man noch izt auf der Spitze sieht, auf Befehl Kaiser Leopolds hinauf gesetzt worden.“

Und über diesen Kopf und einen Spuk im Zeughaus erzählt diese Legende:

An dem Abend, als die Nachricht über den Sieg über die Türken eintraf, erging der Befehl an die Mitarbeiter des Zeughauses, die Rüstungen ausfolgen zu lassen. Der alte Aufseher des Zeughauses musste nach Hause und ließ an seiner Stelle seinen Sohn im Zeughaus. Er beauftragte ihn, auf alles sorgsam zu achten. Gerade, als der Junge sein Mittagsbrot essen wollte, hörte er ein furchtbares Getöse aus dem Treppenhaus. Es hörte sich an, als bewaffnete Soldaten durch das Haus marschieren. Weil der Jüngling wusste, dass niemand im Haus sein konnte, erschrak er gewaltig – und noch mehr bekam er es mit der Angst zu tun, als plötzlich ein Trupp geharnischter Männer mit geschlossenen Visieren auf ihn zukam. Sie zogen an seinem Tisch vorbei und zerschmolzen in Dunst.

Ängstlich versuchte er sich zu beruhigen, als ihn wieder ein Geräusch erschreckte: Es klang, als würde ein metallener Säbel gegen den Steinboden schlagen. Langsam schritt nun ein prachtvoll gekleideter Türke mit schwarzem Bart an ihm vorüber, leichenblass ging er die Treppe hinunter, ohne vom jungen Mann Notiz zu nehmen – und verschwand, genauso, wie der Trupp davor.

Leichenblass und verstört setzte sich der Junge auf einen Stein vor dem Haus und wartete auf die Rückkehr seines Vaters. Dieser lachte nur, als er seinen Sohn sah. Er selbst hätte im Laufe der vielen Jahre während seiner Tätigkeit im Zeughaus schon zahlreiche Erscheinungen gehabt. Er erzählte daher: „Als die Türken im Jahr 1683 ihr Lager im Stich ließen, erhielt der geflüchtete Großwesir eine seidene Schnur um den Hals und sein Kopf wurde öffentlich aufgesteckt. Der Kopf kam in das Wiener Zeughaus. Seit dieser Zeit ist im Zeughaus immer, wenn ein Türkenkrieg entbrennt, und ein Muselmann nicht zur Ruhe kommen kann, ein Ansturm an Geistererscheinungen. So wird es wohl bleiben, bis alle Türken ein Ende haben.“

Historischer Hintergrund

Zur Einordnung: Am Am Hof befand sich über Jahrhunderte ein städtisches Zeughaus mit Waffen- und Rüstungsbeständen sowie Wachräumen. Der Ort war Knotenpunkt für Stadtwache, Ausrüstungen und Trophäen vergangener Kriege. Geräusche von Holztragwerken, Metallbeschlägen und zugigen Hallen wurden volkstümlich als nächtliche »Rüstungsmärsche« gedeutet – so entstand der Spuk vom Zeughaus. [1]



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Quellen

  1. Stadttopographische Überlieferungen zum Zeughaus am Hof; Wiener Sagensammlungen zum »Klirren der Rüstungen«.