Sagen und Legenden
Raub in der Schottenkirche
Raub in der Schottenkirche (1538)
Schottenkloster (Darstellung, 17. Jh.)
Im Jahr 1538, so erzählt man, ließ sich ein als Ketzer verschriener Zimmermann nachts in der Schottenkirche einschließen. Er brach das Sakramentshäuschen auf und entwendete die Hostien: einen Teil warf er verächtlich zu Boden und trat darauf, einen anderen biss er an und spuckte ihn wieder aus; einige steckte er in den Hosensack, um sie später noch schlimmer zu schänden.
Als man am Morgen die Kirche öffnete, versteckte er sich – wurde aber gefasst. Seltsam: Sein Hemd war blutdurchtränkt, obwohl er unverletzt schien. Bei der Untersuchung fand man die Hostien, blutrot. Man nahm sie ihm ab und verwahrte sie an einem heiligen Ort. Der Täter soll sich bekehrt haben; verurteilt wurde er dennoch und – als abschreckendes Beispiel für Kirchenraub – enthauptet. [1][2]
Ort: Schottenkirche (Innenraum / Sakramentshäuschen)
Historischer Hintergrund
Zur Einordnung: Erzählungen von Hostienschändung und blutenden Hostien kursierten in der Frühneuzeit im Umfeld heftiger konfessioneller Spannungen. Sie verbinden reale Orte und Rituale mit Wundermotiven und dienten oft der Moralisierung oder Abschreckung. Der hier geschilderte Fall wird in Wiener Sagensammlungen tradiert; eine gerichtliche Hinrichtung wegen Kirchenraubs entspricht den harten Strafpraktiken der Zeit. Die Bezeichnung Ketzer spiegelt die Sprache der Überlieferung, nicht heutige Bewertung.
Quellen
- ↑ Gustav Gugitz: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien. Wien 1952, S. 62.
- ↑ www.sagen.at – Raub in der Schottenkirche.