Prostitution
Prostitution in Wien im Laufe der Jahrhunderte
Die Antike
Das erste bekannte Wiener Puff befand sich am Michaelerplatz, hier stand das "Lupanar". Lupa, die Wölfin, war die römische Bezeichnung für Vertreterinnen dieses Gewerbes (eine Dirna hatte Romulus und Remus aufgezogen), Lupanar war daher das römische Puff. In kleinen Separees verwöhnten hier römische Damen ihre Legionäre aus Vindobona. Bei der Ausgrabungsstelle am Michaelerplatz findet man die Reste dieses Gebäudes, sieht man genauer hin, so erkennt man eine Wand mit Spuren von Fresken mit Weinranken, der Pflanze des römischen Gottes Bacchus. Über dem Eingang in das Bordell fand sich der Schriftzug "HIC HABITAT FELICITAS", hier wohnt die Glückseligkeit. Auch im dritten Bezirk, im Bereich des Rennwegs, waren zahlreiche Dirnen anzutreffen. In der römischen Zivilstadt erkannte man Prostituierte an ihren grünen Togas (weiße Tunikas durften nur ehrbare Frauen tragen), an einer blonden Perücke und roten Stöckelschuhen.
Mittelalter
Das angeblich so finstere Mittelalter war deutlich aufgeklärter, als sämtliche Jahrhunderte, die nachfolgten. Erste schriftliche Aufzeichnungen über die „hurrerey“ in Wien finden sich um etwa 1100 nach Christus, weniger, als die Babenberger noch „heilig“ (Leopold III.) oder „tugendhaft“ (Leopold V.) genannt wurden, viel mehr jedoch ab Friedrich dem Streitbaren, der mit drei legitimen Frauen und unzähligen Konkubinen („Kebsweibern“) versucht hatte, Kinder zu zeugen. Im Babenberger Hof („Am Hof“) ging es locker zu, einer der Gründe, weshalb sich Minnesänger wie Walter von der Vogelweide oder Tannhäuser hier gerne aufhielten.
Als der letzte Babenberger 1246 starb, herrschte politisches und wirtschaftliches Chaos in der Stadt, das erst 1273 durch Rudolf I. (den ersten Habsburger) beherrschbar wurde. Rudolf erkannte, dass das Ignorieren oder gar Verbnieten der Prostitution nicht wirken würde. Er überlegte daher eine erstaunliche Regelung, er erfand den „Peitscherlbuben“. Sein Modell stellte sich so dar: Dirnen durften von Montag bis Samstag ihrem Gewerbe nachgehen, bevorzugte Straßenbereiche waren die Wollzeile und die Singertraße. Unterstellt wurden sie dem Henker, also dem Scharfrichter der Stadt. Sonntags, am Tag des Herren, war Arbeitsverbot, zum Abschluss der Woche (Samstagabend) mussten die Damen beim Henker ihren Obolus in Form von zwei Pfennigen abliefern. Natürlich gab es Ausnahmen für das Arbeitsverbot am Sonntag – wenn ein hoher Geistlicher oder Adliger die Stadt besuchte, musste ihm ja Unterhaltung geboten werden.
Das Gewerbe boomte vor allem zur Zeit der Universitätsgründung, Studenten waren gute Kunden. Im Mittelalter gab es 30 Badestuben, die ihre Kunden verwöhnten, Nutznießer und Dienstleister waren beiderlei Geschlechts.
Frühe Neuzeit
Maximilian I., eigentlich Erzherzog Maximilian von Österreich (* 22. März 1459 auf der Burg in Wiener Neustadt, Niederösterreich; † 12. Jänner 1519 auf Burg Wels, Oberösterreich) – bekannt als „der letzte Ritter“ - untersagte es den "sündhaften" Damen ihr Gewerbe auszuüben. Er ließ sämtliche Bordelle schließen. Zu dieser Zeit wurde sogar ein Verzeichnis "etlicher verdächtiger und leichtfertiger örter" in Wien herausgegeben. Folge war die Ächtung „unzüchtiger Weibspersonen“.
Im 16. Jahrhundert blühte das Geschäft mit der Liebe, neben drei offiziellen Bordellen (zwei beim heutigen Naschmarkt und eines am Tiefen Graben) trieben sich Freudenmädchen in den Gassen, Spelunken und - immer noch - in den Badehäusern herum. Ferdinand I. (1503-1564) sah das Treiben nicht so locker und berief die erste Keuschheitskommission ein, sie sorgte für hohe Strafen, wenn Damen dem Gewerbe nachgingen.
Viel Erfolg hatte die Kommission nicht, denn auch Ferdinand II. hatte seine Probleme mit dem Thema. Zur Abschreckung führte er eine Neuerung ein: die erwischten Dirnen wurden im "Narrenkötterl" am Hohen Markt zu Schau gestellt und von der schaulustigen Bevölkerung mit Unrat, faulem Gemüse oder Fäkalien beworfen. Doch auch diese Maßnahme führte nicht zu erhofftem Erfolg, die Mädchen nutzten die Chance, neue Kunden anzuwerben.
Auch Abraham a Santa Clara wetterte gegen die Unzucht, mehr dazu unter Abraham a Santa Clara in der Augustinerkirche.
Abslotismus und Aufklärung
Das Zentrum der gekauften Liebe im 17. Jahrhundert waren die Basteien. Hier befanden sich zahlreiche Wirtshäuser, die von Soldaten der Stadtguardia betrieben wurden, damit sich diese ihr Gehalt aufbessern konnten. Bald entdeckten die Soldaten, dass man mit Menschenhandel noch bessere Einkünfte erzielen konnte, und so entstanden "Winkelbordelle", Häuser, die einen Hinterausgang aus der Stadt hinaus hatten, und die man bei Razzien schnell verlassen konnte. Diese Bordelle trugen malerische Namen, wie "Zur wilden Sau", "Bey der neunfingerten Steyrischen Gredl" oder "Bey der angestrichenen Julerl". Der Historiker und Mönch Casimir Freschot (1640-1720), der Stammgast in der Wilden Sau war, schrieb über diese Spelunken und deren Mädchen mit deftigen Worten: "Allerley Unziffer, garstige Mist-Hamln, Mist-Butten, stinkende Zottl-Böck, Lumpen-Gesind, kretzig und schäbige Muschen, schändliche Nacht-Eulen, grausliche Pratzen-Gesichter ...".
Die Gegend hieß übrigens im Volksmund „Schlapfenpromenade“, die hier tätigen Damen wurden „Schnepfen“ genannt.
Nachdem die Gassen Wiens bis Ende des 17. Jahrhunderts düster, ja nahezu unbeleuchtet, waren, entwickelte sich auch hier ein reges nächtliches Treiben. Die Stammplätze für Prostitution entwickelten sich in der Wollzeile, am Graben, der Kärntner Straße, der Herrengasse, der Naglergasse, Am Hof, am Judenplatz und am Tiefen Graben.
Klassizismus
Im 18. Jahrhundert, in der Zeit Maria Theresias, wurde schließlich eine neue Keuschheitskommission ins Leben gerufen. Nun wurden Huren eingesperrt und ausgepeitscht, öfter wurden sie auch nach Temesvar „auf den Wasserschub“ geschickt – im Banat war das Straflager der Kaiserin. Doch nicht nur die Dienstleisterinnen waren von der keuschen Kommission betroffen, auch ihre Kunden. So war Giacomo Casanova Opfer der Spione und beschwerte sich literarisch darüber. Er schreib 1766 über einen Wienaufenthalt: »Schändliche Spione, die man Keuschheitskommissare nannte, waren die unerbittlichen Quälgeister aller hübschen Mädchen; die Kaiserin hatte alle Tugenden, nicht aber die Duldsamkeit, wenn es sich um unerlaubte Liebe zwischen Mann und Frau handelte.«
Damit die Dirnen noch zu Geschäften kamen, mussten sie sich tarnen. Man fand sie also als Rosenkranzverkäuferinnen oder als Putzmacherinnen. In höchsten Kreisen wurde der "Feigenblattorden" gegründet, der edlen Herren weiterhin die bezahlte Liebe ermöglichte. Als der Geheimbund aufflog, verdonnerte die Keuschheitskommission die Herren, öffentlich um Speis und Trank zu betteln. Die Wiener, die von der Kommission wenig hielten, reagierten entsprechend: sie versorgten die "Bettler" mit Leckerbissen und Spezialitäten.
Eine mögliche Strafe für Dirnen zu dieser Zeit war der Arbeitsdienst – der meist aus Stricken oder Spinnen bestand. Er wurde in Leistungen gemessen, und so hörte man öfter auf die Frage, wieviel man hatte abbüßen musste: „Zwei Paar Strümpfe“.
Im 18. Jahrhundert galt übrigens mehr Schein als Sein – die Damen stopften sich ihre Flachen Hintern mit Rosshaar aus und verstanden es, ihr faltiges Gesicht dick auf jung zu schminken.
Aufgrund der Verbote entwickelte sich natürlich die illegale Prostitution, zum Beispiel wurden „Porzellanfuhren“ häufiger: Die Dirne und ihr Kunde nahmen einen Fiaker, riefen dem Kutscher zu, dass es sich um eine Porzellanfuhr handle, und dieser fuhr besonders vorsichtig, um das Paar bei seinem Tun nicht zu stören. Auch Treffpunkte wie Theater-Logen waren besonders beliebt.
Josef II. (1741-1790) war auch nicht viel besser, obwohl er selbst Kunde der Hübschlerinnen gewesen sein soll. Er ließ sie ebenso verhaften, schickte sie zur Besserung ins Kloster oder ins Arbeitshaus und bestrafte sie am Pranger. Später ließ er sie mit geschorenen Haaren die Straßen kehren, was sich als nicht besonders glücklich erwies. Zum einen konnten die Huren beim Kehren neue Freier gewinnen, zum anderen machten sie oft das »Besenspalier« für ihre ehemaligen Kunden. Der Herrscher ging daher dazu über, die Mädchen zum Waschen der Krankenhauswäsche zu nutzen. Syphiliskranke Frauen kamen ins Spital von St. Marx. Josef II. machte die Krankensäle zur Abschreckung öffentlich, was dazu führte, dass der Pöbel lärmend durch die Zimmer tobte und die syphiliskranken Patienten verspottete.
Am berüchtigtsten zu dieser Zeit war aber wohl der "Spittelberg". Hier fand man 58 "Wirtshäuser", darunter die "Hollerstaude" und das "Löberl", das heute als Gasthaus "Witwe Bolte" bekannt ist. Aus diesem soll Kaiser Josef II. höchstpersönlich unsanft hinaus befördert worden sein, weil er der Dirne den Lohn nicht bezahlen wollte, woran heute noch ein Spruch über der Tür erinnert: "Durch dieses Tor im Bogen ist Kaiser Josef II. geflogen. 1778" In seinen letzten Regierungsjahren unternahm Josef II. nur mehr wenig gegen die Prostitution.
Imperialismus
Auch das 19. Jahrhundert war nicht so biedermeierlich, wie man annehmen sollte. Während dem Wiener Kongress 1814/1815 sorgten mehr Hübschlerinnen denn je für den Spaß von Staatsmännern und Würdenträgern. Damit stieg auch das Einkommen der Ärzte (zur Behandlung von Geschlechtskrankheiten) erheblich. Um 1820 gab es in Wien 20.000 Freudenmädchen, eine Anzahl, die, gemessen an 300.000 Einwohnern, beachtlich ist.
Um 1850 war die Hälfte der Sexarbeiterinnen unter 12 Jahre alt.
Eines der bekanntesten Freudenmädchen war Josefine Mutzenbacher, ein Vorstadtmädchen aus Ottakring. In ihren Arbeitspausen verbrachte sie die Zeit im Café Griensteidl.
20. Jahrhundert
Anfang des 20. Jahrhunderts war das Zentrum des Nachtlebens der heute so noble Kohlmarkt und der Graben. Allerdings begannen in diesem Jahrhundert auch, die Frauen um ihre Rechte zu kämpfen, Geheimbordelle und Geheimprostitution wurden üblich. Die schon lange bestehenden Freudenhäuser hielten sich bis in die Zwanziger-Jahre, bekannt war vor allem das Puff in der Bäckerstraße 9.
Während des Ersten Weltkrieges wurden Möglichkeiten an der Front eingerichtet, geteilt in Mannschafts- und Offiziersbordelle.
In der NS-Zeit wurden schließlich die aufgegriffenen Prostituierten in Konzentrationslager gebracht.
Gleich nach Ende des Krieges blühte das Geschäft wieder auf, Zentrum wurde wieder einmal der Kohlmarkt und nun auch die Kärntner Straße, bis sich – bei Umwandlung in Fußgängerzonen – der Markt zu den großen Durchfahrtsstraßen (Gürtel) verlagerte.
Video
Auf YouTube kann auch ein Spaziergang zum erotischen Wien abgerufen werden:
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