Kriminalfall: Edith Cadivec - Züchtigung vor zahlenden Herren

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Verbrechen: Schändung und Verführung zur Unzucht in mehreren Fällen.

Die sadomasochistische Lehrerin, die im Gefängnis erotische Literatur schreibt


Im Haus Biberstraße 9 wohnte 1916 die Lehrerin Edith Cadivec, die sich auch Edith de Cadwéc oder Baronin Cadwé nannte, und in ihrer Dachwohnung auch eine Privatschule betrieb. Sie warb in Anzeigen mit dem Slogan: „Energischen Unterricht erteilt distinguierte Lehrerin bei strengster Disziplin“.

Nachbarn berichteten später von wechselnden Besuchen – es kamen Kinder armer Familien genauso wie reiche Herren, unter anderem ein bekannter Burgschauspieler, Universitätsprofessoren und Industrielle.

Als am Weihnachtsabend 1923 einer ihrer Schützlinge, die zwölfjährige Grete Pilz, am Wilhelminenberg von der Polizei aufgegriffen wurde und der Amtsarzt einen Bluterguss am Gesäß feststellte, wurde Anzeige gegen die Lehrerin erstattet. Am 3.1.1924 steht die Polizei vor der Tür der Privatschule. Rasch stellt sich heraus, dass die Lehrerin ihren Schülerinnen bewusst schwere Aufgaben stellte, um sie dann zu züchtigen. In Ihrer Wohnung wurden Sammlungen von Riemen und Lederzeug, spanischem Rohr, Birkenruten, Rossschweif und Kosakenpeitschen gefunden, aber auch sadomasochistische Bilder und einschlägige Kataloge. Die Züchtigungen fanden im Beisein der hohen Herren statt, die pro Vorstellung 300.000 Gulden bezahlten, das entsprach dem Wochenlohn einer Putzfrau. Die Lehrerin hatte alles akribisch in einem Haushaltsbuch aufgezeichnet, was beim Gerichtsprozess zu einer hohen Strafe führte. Schlagen aus erzieherischen Gründen war damals erlaubt, nicht jedoch, dabei Lust zu empfinden.

Das Schöffengericht verurteilt Cadivec zu sechs Jahren schweren Kerkers, wegen des Verbrechens zur Unzucht in einem Abhängigkeitsverhältnis wird die Haft durch einen Fasttag vierteljährlich verschärft. Am 18.12.1927 wird sie in Folge einer Weihnachtsamnestie vorzeitig entlassen.

In der Wiener Gesellschaft sorgte die Verurteilung für rege Diskussion, Sigmund Freud, Alfred Polgar und Karl Kraus veröffentlichten Artikel, in denen sie sich mit ihr solidarisieren oder Verständnis für ihre Neigung zeigen. Als Synonym für Flagellation bürgerte sich im Wienerischen jener Jahre der Ausdruck „cadivezzln“ ein: Jemanden „cadivezzln“.

Nach ihrer Haftentlassung und einer Namensänderung (Edith Christally) veröffentlicht sie ihre Geschichte, die immer wieder neu aufgelegt wird (zum Beispiel im Heyne-Verlag in der Reihe „Exquisit Bücher“, oder im Belleville Verlag, „Bibliothek des Bizarren“).

Das Leben von Cadivez verläuft danach ärmlich – sie wohnt zur Untermiete, kommt 1937 in eine Psychiatrie wird 1940 teilentmündigt und ist ab 1951 als Patientin in Steinhof aktenkundig. Danach verläuft sich ihre Spur.



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