Kategorie:Erster Weltkrieg

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Geschichte Wiens
Wien im Ersten Weltkrieg
Als im Sommer 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, war Wien Hauptstadt eines riesigen Vielvölkerreichs. In den folgenden vier Jahren veränderten Frontberichte, Flüchtlingsströme, Versorgungsengpässe und politische Umbrüche den Alltag der Stadt grundlegend – und hinterließen Spuren, die noch lange spürbar blieben.


Wien im Sommer 1914

Als in Wien Ende Juli 1914 die Mobilmachung bekanntgegeben wurde, mischten sich Jubel, Neugier und Angst. Auf den Straßen wurde musiziert, Soldaten wurden unter Gesang verabschiedet, an Bahnhöfen spielten Kapellen, viele Menschen glaubten an einen kurzen, siegreichen Krieg. Zeitungen und Plakate zeichneten das Bild eines Verteidigungskrieges, der die Ehre der Monarchie retten sollte.

Gleichzeitig begannen schon in den ersten Kriegswochen spürbare Eingriffe in den Alltag. Die Wiener Börse wurde geschlossen, der Zahlungsverkehr eingeschränkt, Reservisten einberufen. Viele Betriebe verloren innerhalb weniger Tage einen Teil ihrer Arbeitskräfte, vor allem junge Männer, die an die Front geschickt wurden.

Mit dem Kriegsbeginn veränderte sich auch das Bild der Stadt. Militärische Einrichtungen expandierten, Kasernen wurden belebt, auf Plätzen fanden Werbungen für Kriegsanleihen und Sammelaktionen für das Rote Kreuz statt. Die Illusion der Normalität hielt aber nicht lange: Schon im Herbst 1914 kehrten die ersten Verwundeten zurück, und die Zahl der Gefallenen stieg rasch in die Hunderttausende.

Kriegsalltag und Versorgungskrise

Je länger der Krieg dauerte, desto stärker zeigte sich, wie sehr Wien von Nachschub aus anderen Teilen der Monarchie abhing. Anfangs hoffte man, die Versorgung über Vorräte und Zukäufe aufrechterhalten zu können. Bald wurden jedoch Nahrungsmittel knapp, Preise stiegen, und vor Bäckereien, Fleischereien und Lebensmittelgeschäften bildeten sich Schlangen.

Ab 1915 wurden nach und nach Lebensmittelkarten eingeführt. Brot, Mehl, Zucker, Fett, Fleisch und andere Güter wurden rationiert, die zugeteilten Mengen reichten oft nicht aus. Zu den Schlangen vor den Geschäften kamen Schwarzmärkte und Tauschhandel: Wer noch etwas besaß, tauschte Kleidung, Möbel oder Schmuck gegen Lebensmittel. Ersatzprodukte wie Kunstfette, Streckkaffee oder Mehlmischungen wurden alltäglich.

Die Wohnsituation verschlechterte sich ebenfalls. In vielen Häusern lebten plötzlich mehr Menschen: Flüchtlinge, Einquartierungen von Soldaten, Angehörige von Verwundeten. Heizmaterial wurde knapp, Wohnungen waren im Winter kalt, zumal Kohle und Holz ebenfalls rationiert wurden. Der Alltag in Wien bestand aus Anstellen, Organisieren, Improvisieren – und aus der ständigen Sorge um Angehörige an der Front.

Arbeit, Frauen und Kinder im Krieg

Der Krieg veränderte die Arbeitswelt in Wien grundlegend. Viele Männer waren an der Front, und so rückten Frauen, Jugendliche und ältere Menschen in Bereiche nach, die zuvor als typische Männerarbeit galten. In der Rüstungsindustrie, in Verkehrsbetrieben, bei Post und Bahn, aber auch in Büros und Verwaltungen wurden neue Arbeitskräfte gesucht.

Frauen arbeiteten in Munitionsfabriken, in Werkstätten oder als Straßenbahnschaffnerinnen. Sie trugen damit wesentlich zur Aufrechterhaltung von Produktion und Infrastruktur bei, standen aber gleichzeitig unter doppelter Belastung: Neben der Lohnarbeit hatten sie meist die Verantwortung für Haushalt, Kinder und oft auch für pflegebedürftige Angehörige.

Kinder mussten früh mithelfen. Sie stellten sich für die Familie in Schlangen an, sammelten Rohstoffe, beteiligten sich an Schulaktionen für Kriegsanleihen oder Hilfspakete für Soldaten. In vielen Familien fehlte durch den Krieg ein Elternteil, sei es durch Einberufung, Verwundung oder Tod; Schulen wurden zu Orten, an denen neben Unterricht auch patriotische Erziehung und Kriegspropaganda eine große Rolle spielten.

Flüchtlinge, Verwundete und Gefangene

Die Fronten des Ersten Weltkriegs rückten zeitweise bedrohlich nahe an den Rand der Monarchie. Besonders die Kämpfe in Galizien und der Bukowina führten dazu, dass Zehntausende Flüchtlinge nach Wien kamen. Sie wurden in Schulen, Barackenlagern, Klöstern oder Notquartieren untergebracht, was die ohnehin angespannte Wohn- und Versorgungslage weiter verschärfte.

Die Stadt wurde außerdem zu einem Zentrum für die Versorgung von Verwundeten und Kriegsversehrten. Spitäler wurden erweitert, zusätzliche Lazarette eingerichtet, auch Schulen, Kasernen und andere große Gebäude dienten zeitweise als Krankenhäuser. In den Straßen der Stadt wurden verwundete Soldaten sichtbar, viele mit bleibenden körperlichen und seelischen Schäden.

Am Rand der Stadt entstanden oder vergrößerten sich Lager für Kriegsgefangene. Sie waren Teil des unsichtbareren Kriegsalltags: Arbeitskräfte, die in Landwirtschaft, Handwerk oder im Straßenbau eingesetzt wurden, oft unter schwierigen Bedingungen. In der Wahrnehmung der Wiener Bevölkerung tauchten sie vor allem dort auf, wo sie bei Arbeiten in der Öffentlichkeit zu sehen waren.

Kriegsfinanzierung und Kriegsanleihen

Der Krieg musste bezahlt werden – Waffen, Munition, Sold, Versorgung der Truppen und der Hinterbliebenen. Die Monarchie setzte dabei vor allem auf zwei Instrumente: das Drucken von Geld und die Ausgabe von Kriegsanleihen. Besonders sichtbar waren in Wien die Werbekampagnen für diese Anleihen. Plakate, Inserate, Sammelaktionen und feierliche Ansprachen sollten dazu bewegen, Ersparnisse in Kriegsanleihen zu investieren.

Eine ausführliche Darstellung der Kriegsfinanzierung und der Anleihenkampagnen findet sich unter 1914–1918: Kriegsanleihen. Dort wird auch beschrieben, wie über 25 Anleihen im Laufe des Krieges gezeichnet wurden und wie viele Wienerinnen und Wiener nach 1918 feststellen mussten, dass ihre Anleihepapiere kaum mehr einen realen Wert besaßen.

Ende des Kriegs und Zusammenbruch

Im letzten Kriegsjahr 1918 war die Erschöpfung der Stadt unübersehbar. Die Lebensmittelknappheit spitzte sich zu, Krankheiten breiteten sich leichter aus, die Spanische Grippe forderte auch in Wien zahlreiche Todesopfer. Streiks und Demonstrationen nahmen zu, Frauen, Arbeiterinnen und Arbeiter, Soldaten und Kriegsbeschädigte gingen auf die Straße, um für bessere Versorgung und ein Ende des Kriegs zu demonstrieren.

Mit der militärischen Niederlage der Monarchie brach im Herbst 1918 das politische System zusammen. Am 12. November 1918 wurde in Wien die Republik ausgerufen. Gleichzeitig stand die Stadt vor enormen Herausforderungen: Millionen an Kriegsversehrten und Hinterbliebenen, Hyperinflation, eine instabile Währung, zerbrochene Handelsbeziehungen und eine völlig veränderte politische Landkarte.

Viele der Probleme der Zwischenkriegszeit – Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Armut – lassen sich ohne die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs nicht verstehen. Die Spuren des Kriegs blieben in Wien sichtbar: in Denkmälern, Friedhöfen, Gedenktafeln, aber auch in der Erinnerungskultur, die über Jahrzehnte um Deutungen von Opferrolle, Verantwortung und Schuld rang.

Themen

  • „Kriegsalltag in Wien 1914–1918“
  • „Versorgungskrise und Hungerwinter in Wien“
  • „Frauenarbeit im Ersten Weltkrieg“ / „Frauen in Wien 1914–1918“
  • „Kriegspropaganda in Wien“ (Plakate, Filme, Aktionen)
  • „Wehrmann in Eisen und Kriegsnagelungen“
  • „Flüchtlinge und Evakuierte in Wien 1914–1918“
  • "Lazarette und Spitäler im Ersten Weltkrieg“
  • "Kriegsgefangenenlager im Raum Wien“
  • "Denkmäler und Gedenkorte des Ersten Weltkriegs in Wien“
  • "Friedhöfe und Kriegsgräber 1914–1918“
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