Kriegsanleihen
Kriegsanleihen im Ersten Weltkrieg
Eine Kriegsanleihe ist im Grunde ein Kredit, den die Käuferinnen und Käufer ihrem Staat gewähren, damit dieser den Krieg finanzieren kann. Diese Form der Kriegsfinanzierung ist bereits seit der frühen Neuzeit bekannt, ihre eigentliche Blüte erreichte sie jedoch im Ersten Weltkrieg. In der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn wurden zwischen 1914 und 1918 insgesamt 25 Kriegsanleihen aufgelegt – acht in der österreichischen Reichshälfte, sie allein brachten mehr als 35 Milliarden Kronen ein, insgesamt rund 51 Milliarden Kronen.[1]
Statt die Kriegskosten durch höhere Steuern zu finanzieren, setzte die Monarchie vor allem auf zwei Instrumente: den Druck zusätzlicher Banknoten und eben auf Kriegsanleihen. Etwa zwei Fünftel der Kosten wurden über die Notenpresse gedeckt, drei Fünftel über Anleihen – mit der Folge, dass sich die Geldmenge stark ausweitete und die Krone während und nach dem Krieg massiv an Wert verlor.[2]
Gleich zu Kriegsbeginn wurde die Wiener Börse geschlossen, um einen Finanzkollaps zu verhindern. Im Herbst 1914 folgte die erste Kriegsanleihe. Die Regierung sprach von einer finanziellen Wehrpflicht und warb mit vergleichsweise hohen Zinsen. Viele glaubten, ihr Geld sei sicher angelegt und werde nach einem siegreichen, kurzen Krieg samt Reparationszahlungen sogar Gewinn bringen.
Die Werbung für die Anleihen war professionell und allgegenwärtig. Plakate, Zeitungsinserate, Sammelaktionen in Schulen und Betrieben, Ansprachen in Kirchen und Vereinen – die Propaganda spielte mit Patriotismus, Gruppendruck und Gefühlen von Pflicht und Loyalität. In Wien entstanden zudem neue Formen öffentlicher Geldsammlung: Am Schwarzenbergplatz wurde eine Holzfigur aufgestellt, die gegen Spenden mit Nägeln beschlagen wurde – der Eisenmann. Jeder Nagel brachte Geld in die Kriegskasse. Mehr dazu findet sich unter Ebendorferstraße 2, wo ein solcher genagelter Mann heute noch zu sehen ist.
Je länger der Krieg dauerte, desto stärker klaffte die Lücke zwischen der optimistischen Anleihepropaganda und der Realität des Alltags. Schon 1914/15 stiegen die Verluste an der Front in die Hunderttausende, aus Galizien und der Bukowina kamen Flüchtlinge nach Wien, und gleichzeitig begannen Lebensmittel knapp zu werden. Ab 1915 wurden Grundnahrungsmittel nach und nach rationiert; Schlangen vor den Geschäften, Ersatzkaffee und Kunstspeisefette prägten den Alltag in der Stadt.
Trotz wachsender Kriegs- und Versorgungsmüdigkeit legte der Staat immer neue Anleihen auf. Mit jeder Zeichnungsrunde wurde intensiver geworben, gleichzeitig sank die reale Kaufkraft der versprochenen Zinsen. Viele Wienerinnen und Wiener investierten dennoch ihre Ersparnisse, weil sie keine Alternative sahen, patriotisch handeln wollten oder sozialem Druck ausgesetzt waren – etwa wenn Betriebe oder Organisationen gemeinschaftlich Kriegsanleihen zeichneten.
Als die Monarchie 1918 zusammenbrach, war das Finanzsystem völlig überdehnt. Die Nachfolgestaaten waren wirtschaftlich geschwächt, die Inflation beschleunigte sich und die Kriegsanleihen verloren weitgehend ihren Wert. Aus der scheinbar sicheren Anlage wurde für viele Kleinsparerinnen und Kleinsparer ein Totalverlust: Zurück blieben oft nur schön gestaltete, aber wertlose Papiere – ein sichtbares Symbol dafür, dass der Krieg nicht nur auf den Schlachtfeldern, sondern auch im Alltag der Bevölkerung einen hohen Preis forderte.[3]
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Quellen
- ↑ Ágnes Pogány: War Finance (Austria-Hungary), in: 1914–1918 Online. International Encyclopedia of the First World War; sowie Roman Sandgruber u. a.
- ↑ Vgl. Österreichische Nationalbank: Geschichte der Oesterreichisch-ungarischen Bank; Habsburger.net: Ressourcenmangel und Kriegsfinanzierungsnot im Film.
- ↑ Vgl. Wiener Geschichtsblätter, Wien Archiv, Tradition und Volksleben, Blatt W06065.

