Die Legende vom Agnesbrünnl

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Sagen und Legenden
Die Legende vom Agnesbrünnl
Das Agnesbrünnl

Es war einmal ein Köhler, der im Wald Holz sammelte, um seine Kohlen zu brennen. Da, wo sich jetzt der Brunnen befindet, stand einst eine mächtige Eiche, die der Köhler fällen wollte, als er ein Weinen eines Kindes hörte. Er blickte sich um und entdeckte ein kleines wunderschönes Mädchen, das in eine Decke gewickelt lag. Rasch nahm er das kleine Bündel an sich und brachte es seiner Frau und seinem Sohn Karl heim. Anfangs war seine Frau über diese Überraschung gar nicht erfreut, doch als sie das Kind auswickelte, fielen ihr 20 Goldstücke in die Hände, und so nahm sie beides an. Das Kind, das das einer Fee war, wurde Agnes genannt.

Das Kind wuchs heran und brachte den Stiefeltern große Freude, denn jede Kohle, die es berührte, verwandelte sich zu Gold, und bald hatte der Köhler so viel davon, dass er aus Dankbarkeit eine Kirche und ein prachtvolles Schloss neben der Eiche in Sievering erbaute. Inzwischen wuchsen Karl und Agnes auf und verliebten sich ineinander. Doch es brach ein Krieg aus, und Karl sollte gegen die Türken ziehen. Die Fee, die das Kind in den Wald gelegt hatte, wollte, dass ihr künftiger Schwiegersohn zu Ruhm gelangte und erschien ihm in der Nacht. Sie weissagte ihm, dass an einem Baum ein Harnisch hängen würde, der für Karl gedacht sei. Er solle diesen anlegen, in das Türkenlager ziehen und den Obersten zu einem Zweikampf auffordern. Wenn er diesen besiegt habe, solle er den Helm des Anführers an sich nehmen, denn darin seien dessen Befehle und Nachrichten versteckt.

Tatsächlich fand Karl den Harnisch, nahm ihn, zog in das Türkenlager und tat, wie ihm vorhergesagt wurde. Siegreich ging er nun an den kaiserlichen Hof und wurde mit allerlei Ehrungen und Geschenken überhäuft, unter anderem mit einer Dame, die ihm zur Liebschaft wurde.

Eines Tages kehrte Karl in den Wald zurück und traf hier auch Agnes. als er ihr schöne Augen machte und er die Bekanntschaft in Wien verleugnete, spaltete sich die Erde und Agnes und Karl wurden hinuntergezogen. Seither sind beide verflucht, auf der Erde herumzuwandeln bis zum jüngsten Tag, das Sieveringer Schloss ist im Untergrund verschwunden. Manchmal, um 12 Uhr Mitternacht oder um 12 Uhr mittags erscheint ein schwarzer geharnischter Mann am Brunnen.


Eine andere Legende erzählt, dass Agnes und Karl erlöst werden können, wenn jemand den Teufel in Gestalt eines Adlers (oder eines Drachen) beschwören könne und ihm den goldenen Schlüssel, den er im Schnabel bei sich hätte, zu entringen. Also stiegen zahlreiche Frauen um Weihnachten (in den Rauhnächten) hinauf auf die Wiese und begannen, Beschwörungsformeln vor sich herzusagen. Es dauerte nicht lang, da erschien der fliegende Teufel, doch niemandem gelang es, den Schlüssel zu bekommen. So geistern Karl und Agnes immer noch in Sievering herum und manchmal erscheinen Karl in Gestalt eines Ritters oder Jägers oder Agnes in Gestalt einer weißen Frau und verschenken Kohlen, die zu Gold werden. Der Brunnen, der anstelle der Eiche gesetzt wurde, ist möglicherweise der Eingang ins unterirdische Schloss. [1]



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Quellen

  1. Theodor Vernaleken: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich, Wilhelm Braumüller. Wien, 1859, S. 3-18