Der schwarze Wagen

Aus City ABC

Der schwarze Wagen Relevante Orte: Wien allgemein

In Wien warnte man noch vor hundert Jahren die Kinder vor dem "schwarzen Wagen". Mit diesem aber hatte es folgende Bewandtnis.

Nicht zur Stunde der Mitternacht, wo die gewöhnlichen Gespenster ihren Umgang halten, sondern um vieles später, nämlich zur Zeit, wo, nach Eintritt der Nacht- und Tagscheide, Mensch und Tier der tiefsten Ruhe genießen und ein markdurchfrostender Wind durch die einsamen Straßen streicht, rasselt es plötzlich von fernher über das Granitpflaster der Stadt, dass selbst der behaglichste Schläfer halb erwacht und aufstöhnt und horcht, was da los sein möge.

Und näher und näher braust und rumort es zwischen den Häusern fort, dass die Wände schüttern und die Fenster klirren. Das ist der "schwarze Wagen". Jeder, der ihn hört und wach genug ist, um sich seiner bewusst zu sein, fühlt die Begierde, sich zu überzeugen, wer denn zu so unheimlicher Stunde mit solchem Ungestüm durch die Straßen jagt; namentlich spüren die Kinder viel Lust dazu.

Allein statt emporzuspringen und an das Fenster zu eilen, ehe der Wagen vorbeigerollt, hüllen sie sich lieber um so fester in ihre Decke, denn sie erinnern sich mit Schaudern dessen, was ihnen die Kindermagd längst eingeprägt hat. - "Der schwarze Wagen ist ein Fuhrwerk, worauf der leibhafte Satan selber sitzt. Wage sich ja niemand an das Fenster, wenn er vorüberfährt, denn eine Maulschelle so derber Art, dass ihm zeitlebens die fünf Finger des Bösen auf der Wange eingebrannt bleiben, ist die geringste Strafe für seine Neugierde. Manchem aber erging es noch schlechter, indem ihm der Kopf entweder ganz weggerissen oder wenigstens so verdreht wurde, dass ihm das Gesicht nach rückwärts, das Genick nach vorne stand!"

Man lässt daher den "schwarzen Wagen" lieber unbelauscht vorüber jagen und sucht den Schreck, den sein Rasseln eingejagt hat, zu verschlafen. [1]


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Quellen

  1. Gustav Gugitz: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien, herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 53, S. 73f, Sagen.at