Der Glocken Ruf

Aus City ABC

Der Glocken Ruf Relevante Orte: Führichgasse 1

In Wien lebte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine Frau, nicht sehr weit über die Lebensblüte geschritten, deren Mann kürzlich das Zeitliche gesegnet, und welche über diesen Verlust sich nicht trösten zu können schien. Sehr oft drängte die Frau sich zum Beichtstuhle, vertraute dem Priester den heftigen Schmerz über das ihr begegnete Unglück und schwor, nie vergessen und keinem andere je ihr Herz schenken zu können. Dem eben so würdigen als erfahrenen Diener des Herrn erschien diese Leidensäußerung übertrieben und verdächtig. Aus der Erfahrung wissend, dass der heftigste und am lautesten sich äußernde Schmerz am leichtesten einen Tröster finde, erteilte er seinem Beichtkinde den Rat, nach dreitägigem Fasten jeden Morgen die Kirche des St. Claraklosters zu besuchen und aufmerksam auf das Geläute der Glocken zu sein, mit der Versicherung, dass dies ihr jedenfalls Trost bringen werde.

Die Frau verfolgte den Rat ihres Beichtvaters, fastete streng, wie er befohlen, drei Tage, eilte dann am frühen Morgen nach dem St. Clarakloster und horchte gespannt der Glocken Ruf.

Nicht sehr oft war das geschehen, als sie sich merklich erleichtert fühlte und eines Morgens freuderfüllt zu ihrem Beichtvater kam, ihm erzählend, dass sie die aus den Glocken schallende Stimme sehr gut verstanden, welche deutlich: "Ein Mann! Ein Mann!" gerufen, hinzusetzend, sie könne der dringenden Mahnung nocht länger widerstehen und müsse sich daher wieder verehelichen. [1]


Gehe weiter zu Der Hahnentanz zu Wien


Gehe zurück zu Führichgasse 1

Quellen

  1. Österreichische Illustrierte Zeitung vorzüglich für nationale Interessen. Nr. 21, 1851, Ausgabe vom 17. November, S.3