Das fliegende Schiff

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Das fliegende Schiff Relevante Orte: Stephansdom, Hofburg
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"Wien, den 24. Juni 1709. Gestern früh um etwa neun Uhr war alles in hiesiger Stadt in großem Alarm und Bestürzung, alle Gassen liefen voller Leute, und diejenigen, so nicht auf den Gassen waren, lagen in den Fenstern, fragten, was zu tun wäre; fast keiner aber konnte dem andern gewissen Bescheid geben. Die Leute liefen umher und riefen, der Jüngste Tag wollte einbrechen, andere, man verspüre ein starkes Erdbeben, noch andere, es ließe sich eine ganze Armee Türken vor den Toren sehen.

Endlich kam allen in der Luft eine unbeschreibliche Menge großer und kleiner Vögel zu Gesichte, welche, wie es anfänglich schien, um einen gar großen Vogel umherflogen und mit demselben stritten. Es zog aber dieser Schwärm weiter herunter und der Erde näher zu, da man sehen konnte, dass dasjenige, das man für einen großen Vogel angesehen, eine Maschine war in Gestalt eines Schiffes mit einem darüberher sich ausbreitenden Segel, welches in der Luft daherschwebte und einen Menschen wie ein Mönch gekleidet in sich hielt, der mit verschiedenen Schüssen seine Ankunft kundmachte. Nach vielem Zirkulieren, was dieser Luftreiter in der Luft machte, sah man wohl, dass seine Intention war, sich auf einem Platz in dieser Stadt niederzulassen.

Es kam aber unvermutet ein Wind, der ihn an seinem Vorhaben nicht allein hinderte, sondern ihn auch an die St.-Stephans-Turmspitze trieb und machte, dass sich an derselben das Segel verwickelte, so dass die Maschine daran hängenblieb. Diese Begebenheit verursachte einen neuen Lärm unter dem gemeinen Volk, owelches alles nach dem Turmplatz lief, so dass wohl zwanzig Menschen in dem großen Gedränge sollen erdrückt worden sein. Dem in der Luft arrestierten Menschen aber war mit allen den Augen, die ihn angafften, nichts geholfen. Er verlangte durch Hände errettet zu werden, welche aber zu kurz waren, ihm einige Hilfe zu leisten. Als er nun ein paar Stunden die Situation dieser Stadt unter sich betrachtet hatte und sah, dass ihn von Fremden nicht konnte geholfen werden, ward er ungeduldig, nahm die in der Maschine vorhandenen Hammer- und Brechinstrumente zur Hand und arbeitete damit so lange, bis der oberste Teil der Spitze, die ihn arretierte, herunterfiel.

Er kam dadurch wieder in Flug, und nach einigem Herumschwenken brachte er sein Luftschiff mit großer Geschicklichkeit unweit der kaiserlichen Burg auf dem Platz zu stehen. Gleich wurde eine Kompanie Soldaten von hiesiger Garnison dahin gesandt, um diesen Ankömmling in Schutz zu nehmen, denn sonst wäre er von dem neugierigen Pöbel zertreten worden. Und ward darauf ins Wirtshaus "Zum schwarzen Adler" gebracht, woselbst er einige Stunden ausruhte, danach aber seine bei sich habenden Briefe abgab und dem allhier sich aufhaltenden portugiesischen Abgesandten und auch andern vornehmen Herren, welche ihm die Visite gaben, erzählte, wie er den 22. Juni des vorigen Tages, morgens um sechs Uhr von Lissabon mit seiner neuerfundenen Luftmaschine abgefahren und unterwegs große Anfechtung und Abenteuer gehabt mit den Adlern, Störchen, Paradies- und andern auf Erden unbekannten Vögeln kontinuierlich streiten müsste, und ohne die zwei Doppelhacken und vier Flinten, welche er bei sich gehabt, und eins ums andere abgefeuert, er mit dem Leben nicht würde davongekommen sein."

Die Geschichte wurde durch einen privaten Geschäftemacher, der Feuerwerke veranstaltete, in Form eines "Allarm-Flugblatt" veröffentlicht, passiert ist sie nie. Angeret wurde die Geschichte wohl durch die damals vorhandenen Bestrebungen zu fliegen, die Wiener Zeitung hatte zuvor in ihrem "Wienner Diarium" über Flugversuche eines Portugiesen berichtet. [1]



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Quellen