1485 - 1490: Matthias Corvinus hat seinen Sitz in Wien

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Geschichte Wiens
1485–1490: Sitz des Corvinus
Zwischen 1485 und 1490 erlebte Wien eine seiner ungewöhnlichsten Phasen: Die Stadt stand unter der Herrschaft des ungarischen Königs Matthias Corvinus. Nach einer langen Belagerung zog Matthias am 1. Juni 1485 als Sieger in Wien ein und machte die Stadt für einige Jahre zu seinem bevorzugten Aufenthaltsort. Erst nach seinem Tod 1490 gelang es Maximilian I., Wien wieder in den habsburgischen Herrschaftsverband zurückzuführen.


Die Eroberung Wiens und der Einzug am 1. Juni 1485

Seit Jahren standen Kaiser Friedrich III. und Matthias Corvinus in einem erbitterten Konflikt um die Vorherrschaft in Österreich und im östlichen Reichsteil. Anfang 1485 begann Matthias die Belagerung Wiens, die sich über mehrere Monate hinzog und die Stadt an den Rand einer Versorgungskrise brachte. Hunger, Seuchen und die Aussicht auf keine wirksame Entsetzung zwangen die Stadt schließlich zum Nachgeben.

Am 1. Juni 1485 öffneten die Wiener die Tore, und Matthias Corvinus zog mit seinem Heer feierlich in die Stadt ein. Zeitgenössische Berichte schildern einen eindrucksvollen Triumphzug, bei dem der König deutlich machte, dass nun er – und nicht mehr der Habsburger Kaiser – der neue Herr der Stadt war. Die Stände Österreichs unter der Enns leisteten ihm Huldigung, und Matthias nahm neben seinen anderen Titeln auch den eines Herzogs von Österreich an.

Mit der Eroberung Wiens war der österreichisch-ungarische Krieg faktisch entschieden. Zahlreiche niederösterreichische Städte und Burgen hatten sich bereits zuvor auf die Seite des ungarischen Königs gestellt oder wurden nun nach und nach besetzt. Wien war damit nicht länger habsburgische Residenz, sondern Teil eines Herrschaftsverbandes, der von Buda aus gedacht, aber nun zu einem guten Teil von Wien aus regiert wurde.

Wien als Residenz des ungarischen Königs

Nach seinem Sieg machte Matthias Corvinus Wien zu einem seiner wichtigsten Aufenthaltsorte. Er residierte in der Burg, dem Vorgängerbau der heutigen Hofburg, und hielt dort einen glänzenden Hof. Ungarische, böhmische und österreichische Adelige, Gesandte aus vielen Teilen Europas sowie ein Kreis von Humanisten und Gelehrten prägten das Bild der Stadt in diesen Jahren.

Für Wien bedeutete dies einen spürbaren Wandel. Die Stadt wurde in die ungarische Politik integriert, zugleich aber als eroberte Residenz bewusst gepflegt. Matthias gewährte Wien zeitweise Steuererleichterungen und respektierte in vielem die überlieferten Rechte und Strukturen der Stadt. Die städtischen Eliten mussten sich auf die neuen Machtverhältnisse einstellen, blieben aber in vielen Funktionen im Amt, solange sie die neue Herrschaft akzeptierten.

Auch wenn Wien streng genommen nicht offizielle Hauptstadt des ungarischen Königreichs wurde, war die Präsenz des Königs dennoch von großer symbolischer Bedeutung. Dass ein nicht-habsburgischer Herrscher in der Wiener Burg Hof hielt, stellte die bisherige Ordnung in Mitteleuropa sichtbar in Frage und unterstrich den Anspruch Matthias’ auf eine eigenständige Großmachtstellung.

Stadtgesellschaft und Universität unter ungarischer Herrschaft

Für die Bevölkerung Wiens änderte sich der Alltag nicht von einem Tag auf den anderen, doch der Herrschaftswechsel war deutlich spürbar. Neue Truppen, neue Amtsträger und eine andere Hofsprache prägten das Bild der Stadt. Viele Einwohner hofften auf eine Stabilisierung nach den kriegsbedingten Entbehrungen; andere begegneten dem neuen König mit Skepsis.

Ein besonders heikler Punkt war die Haltung der Universität Wien. Als geistliche und rechtlich eigenständige Institution verweigerte sie den Huldigungseid, den Matthias verlangte. Dies führte zu Spannungen und zeitweisen finanziellen Sanktionen, die die Hochschule empfindlich trafen. Dennoch blieb die Universität ein wichtiger Ort des Wissens, an dem nun auch ungarische und böhmische Einflüsse stärker zu spüren waren.

Die wirtschaftliche Lage der Stadt war ambivalent. Einerseits litten Handel und Gewerbe unter den Folgen von Krieg, Belagerung und politischen Unsicherheiten. Andererseits brachte die Anwesenheit des Hofes neue Aufträge für Handwerker, Wirte und Lieferanten. Wien blieb eine befestigte Stadt mit mittelalterlichem Gesicht, doch die politischen Ereignisse verliehen ihr eine neue, überregionale Bedeutung.

Der Tod des Königs und die Rückkehr Maximilians I.

Am 6. April 1490 starb Matthias Corvinus überraschend in Wien. Sein Tod löste ein Machtvakuum aus: In Ungarn stritten verschiedene Bewerber um die Nachfolge, darunter sein illegitimer Sohn Johann Corvinus, der böhmische König Vladislav II. und auch die Habsburger, die ihre Chance gekommen sahen.

Maximilian, bereits zum römisch-deutschen König gewählt, nutzte die Situation, um die verlorenen niederösterreichischen Gebiete zurückzugewinnen. In einer kurzen, entschlossenen Kampagne eroberte er Städte und Burgen, die unter ungarischer Herrschaft gestanden hatten, und zog im August 1490 in das inzwischen von den ungarischen Truppen geräumte Wien ein. Damit kehrte die Stadt in den habsburgischen Herrschaftsverband zurück.

In den Jahren danach wurden die offenen Fragen zwischen Habsburgern und ungarischer Krone in Verträgen und Verhandlungen, etwa im Frieden von Pressburg 1491, neu geordnet. Für Wien endete damit eine kurze, aber hochbedeutende Phase fremder Herrschaft, deren Spuren in der politischen Erinnerung jedoch lange nachwirkten.

Bedeutung der Jahre 1485–1490 für Wien

Die Herrschaft Matthias Corvinus’ über Wien dauerte nur fünf Jahre, doch sie markiert einen markanten Einschnitt in der Stadtgeschichte. Zum ersten Mal seit langer Zeit war Wien nicht Residenz eines Habsburgers, sondern eines auswärtigen Königs, der seine Machtansprüche in Mitteleuropa energisch verfolgte und die Stadt in ein neues politisches Gefüge einband.

Für Wien selbst waren dies Jahre des Übergangs zwischen Spätmittelalter und beginnender Früher Neuzeit. Die Stadt stand im Zentrum großer machtpolitischer Auseinandersetzungen und erlebte zugleich kulturelle Impulse durch den humanistisch geprägten Hof des Königs. Dass diese Episode in der späteren Erinnerung lange im Schatten der großen habsburgischen Erzählung stand, macht sie heute umso interessanter: Wien erscheint hier als Schauplatz eines europäischen Experiments, in dem sich ungarische, böhmische und österreichische Interessen kreuzten.

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