Stephansdom: Gedichte, Die Herzogsgruft

Aus City ABC

Gedichte
Johann N. Vogl: Die Herzogsgruft
Die Sage über Die Herzogsgruft wurde von Vogl in Gedichtform erzählt.
Stephansdom old Ducal Vault 1739.png

In Nacht gehüllet lag St. Stephans Dom
Am Hochaltar ein einzig Lämpchen glomm

Vom Gruftg’wölb' war weggewälzt der Stein,
Die Messingschrift erglänzt im Fackelschein.

Am Rande des Gewölb's doch standen drei
Gleich Eichen ragend, in des Lebens Mai.

Drei Söhne sind's vom Hause Österreich
Drei Herzoge an Mut und Kraft sich gleich.

Herr Rudolph, der als Stifter wird genannt,
Herr Leupold, der als kühner Held bekannt,

Und Albrecht, der an Milde unerreicht,
Die steh'n dort an der Gruft, so schaurig feucht.

Spricht da Herr Rudolph: „Brüder, alsoweit
Wär' nun der Bau gedieh'n im Lauf der Zeit.“

Erhöht die Hallen und das Schiff geschmückt,
Zum Wolkenflug der Turm emporgerückt

„Und wie ich über alles dies gewacht,
Ward minder nicht des Künftigen ich bedacht.“

Denn auch vollendet ist die Gruft, die bald
Sich uns erschließt zum stillen Aufenthalt,

Bereitet ist in ihr das Pfühl dem Gast
Den als den ersten jener Raum umfasst,

Auch mein' ich, müsse gut sich's ruh'n darinn,
Weil ob dem Schläfer Orgelklänge zieh'n,"

„Weil ihm zu Häupten stets der Priester steht
Wenn er am Hochaltar sein Amt begeht,

"Doch da ich fort nun muss in's welsche Land,
So reicht, ihr Wackern, nochmals mir die Hand...

"Und schwört, dass ihr an meiner Statt genau
Nun fördern wollt der Habsburg schönsten Bau,

„Auf dass, wenn wieder ich zur Stelle hier,
Ihr sprechen könnt mit heit'rer Stirn zu mir ,"

Damit sich Habsburg's Treu aufs Neu erprobt:
Gehalten haben wir, was wir gelobt!"

Da reichen beide Brüder ihm die Hand
Und sprachen: "Diesen Druck dafür zum Pfand"

D'rauf schritten wieder sie zum Dom hinaus,
Und Nacht erfüllte rings das Gotteshaus.

Vorüber war ein Jahr, und wieder glomm
Am Hochaltar das Lämpchen dort im Dom:

Vom Gruftgewölb war weggewälzt der Stein,
Wie früher glänzt die Schrift im Fackelschein.

Und an der off'nen Gruft ganz nahe bei
Wie damals siehst du jetzt auch dort die Drei.

Herrn Albrecht, der wie keiner sanft und mild,
Und Leupold dann, das kühne Heldenbild,

Und Rudolph, der als Stifter wird genannt,
Und kürzlich erst den Weg zur Heimat fand.

Doch jeglicher von diesen Dreien schweigt,
Denn - Rudolph liegt im Sarg, das Haupt geneigt.

Die Hand gefaltet auf der kalten" Brust
Die an dem Bau des Dom's nur hing mit Lust.

Erloschen in dem hohlen Aug’ der Schein,
Das Freude fand am Stephansturm allein.

Und beide Brüder, gramerfüllt den Sinn,
Zum dritten in dem Sarge treten bin

und reichen ob der Leiche sich die Hand
Wie einst, da sie gereicht sie ihm zum Pfand,

Und sprechen d’rauf, von tiefen Schmerz durchtobt:
„Gehalten haben wir, was wir gelobt!



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