Stephansdom: Die Legende vom dreizehnten Glockenschlag

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Sagen und Legenden
Stephansdom: Die Legende vom dreizehnten Glockenschlag

1., Innere Stadt Stephansdom Turmuhr & Stundenschlag Omen & Stadtgerücht

Relevante Orte: Stundenglocke/Schlagwerk an der Turmuhr des Stephansdoms (Stundenschlag 1–12)

Als die Uhr dreizehn schlug

Datei:Stephansdom Turm Schlagwerk Symbol.jpg

Schlagglocke für die Stunden – nicht die Pummerin

In stillen Nächten zählte Wien die Schläge vom Dom: eins, zwei, drei … zwölf. Manchmal aber schworen die Leute, sie hätten einen dreizehnten gehört. Dann hieß es: Es steht ein Unglück vor der Tür. Die einen flüsterten vom Tod eines Großen, andere von Feuer oder Krieg; wieder andere sagten, es kündige nur einen großen Wettersturz an.

Ein alter Nachtwächter erzählte, der Zusatzschlag sei einmal absichtlich erfolgt: Sein Lehrbub, der beim Schlagwerk stand, habe ihm einen Streich spielen wollen. Der Bursche riss an der Schnur, als die Hämmer schon zur Ruhe kamen – und das Echo trieb die Gasse in die Fenster. Die Sage nahm den Streich beim Wort und machte daraus ein Zeichen der Vorsehung. Seither horchte man umso genauer: Wenn die zwölf verklungen waren, wartete man einen Herzschlag lang – und hielt den Atem an. [1]

Hinweis: Gemeint ist der Stundenschlag der Turmuhr; die Pummerin ertönt nur zu besonderen Anlässen.

Varianten der Erzählung: Omen für einen Todesfall · Vorzeichen eines Brandes · Nebel oder Frost lässt den Hammer nachfedern · Lehrbub zieht heimlich noch einmal · das Glockenecho wird für einen Schlag gehalten.

Historischer Hintergrund

Zur Einordnung: Der Stundenschlag der Domuhr zählt im Zwölfersystem; alles darüber liegt jenseits der Regel – idealer Stoff für ein Stadtomen. Technische Erklärungen nennen vereiste Mechanik, nachschwingende Hämmer, Echo in Nebelnächten oder menschliche Fehlbedienung. Die Wiener Überlieferung formte daraus ein hörbares Menetekel: Schlägt’s dreizehn, so steht etwas bevor. Die Sage unterscheidet klar zwischen Stundenglocke und Festglocke Pummerin. [2]

Ein Kapellmeister, der unter Erzherzog Ferdinand, dem späteren Ferdinand I., gedient hatte, existierte tatsächlich: Arnold von Bruck. Er war ab 1527 als Kapellmeister am Wiener Hof tätig und wurde zum Jahresende 1545 vom kaiserlichen Hof in den Ruhestand versetzt. Zwar hielt er sich noch einige Zeit in Wien auf, und auch der Stephansdom spielte dabei eine Rolle (er war als Kaplan an einem der Altäre tätig), doch ab dem Jahr 1548 lebte er nachweislich in Linz.

Dass er also an einem Sturz vom Wiener Dom starb, kann bezweifelt werden, da sein Tod am 6. Februar 1554 als wohlhabender Mann in Linz vermerkt ist. Die Sage greift seinen Namen auf, löst ihn aber weitgehend von der historischen Person.

Die Sage im Detail

Als die Uhr dreizehn schlug

Wien, St.Stephan-Alte Glockenstube im Südturm.jpg

Die Glockensube

Kurz nach der Türkenbelagerung im Jahr 1529 erholte sich Wien langsam von den Schrecken und der Not. Die Wiener gingen wieder fort und trafen einander in Wirtshäusern zu fröhlichen Abenden. So auch ein kaiserlicher Kapellmeister namens Arnold de Bruck, der Stammgast eines Weinkellers in der Stadt war.

Eines Nachts, knapp vor Mitternacht, betritt eine Zigeunerin das Lokal. Die Gäste verstummen, keiner will sich jetzt seine gute Laune durch eine Prophezeiung verderben lassen. Nur de Bruck ruft der Frau zu, dass er gerne seine Zukunft wissen wolle. Sie nimmt seine Hand und beginnt, die Linien zu lesen: eine starke Herzenslinie, Kontakt zu berühmten Persönlichkeiten und sogar zum Kaiser. Als sie jedoch zur Lebenslinie kommt, verstummt sie plötzlich und kehrt ihm den Rücken. Schon will sie rasch das Lokal verlassen, da ruft de Bruck ihr nach, dass er unbedingt das Gesehene wissen wolle, er sei nicht abergläubisch. Das ganze Lokal starrt die beiden an. Langsam kommt die Wahrsagerin zurück und sagt: „Na gut. Ihr werdet nicht weit von hier sterben. Wenn die Turmuhr von St. Stephan dreizehn schlägt!“

Alle Gäste lachen, die Zigeunerin wirft de Bruck einen traurigen Blick zu und verschwindet.

Einige Zeit später, de Bruck hat den Abend und die Weissagung schon fast vergessen, stattet er seinem Bekannten, dem Glöckner von St. Stephan, einen Besuch ab. Er ist gerne hier oben auf dem Turm, genießt die Aussicht und die gute Luft. Gerade, als er in die Ferne blickt, beginnt die Glocke zu läuten. Der Kapellmeister hält sich die Ohren zu, um sein feines Kapellmeister-Ohr zu schützen, und schlägt dabei mit seinem Säbel heftig gegen die Glocke, deren zwölfter Schlag gerade verklungen ist.

Er bringt sie damit erneut zum Klingen – der Stadt scheint es, als schwebe ein dreizehnter Glockenschlag über ihr. In diesem Moment erinnert sich de Bruck an die Wahrsagung, doch es ist zu spät: Er verliert das Gleichgewicht, stürzt hinunter und ist sofort tot. Die Wahrsagerin wird nie wieder in Wien gesehen.

Eine etwas andere Variante der Legende erzählt, dass eine lustige Runde junger Musik in einer Spelunke der Stadt saß und sich zu fortgeschrittener Stunde von einer alten Hexe die Zukunft weissagen ließ. Der junge Kapellmeister Arnolds fragte, wann er sterben würde. Die Alte antwortete: „Wenn die Uhr auf der Stephanskirche dreizehn schlägt.“ Alle lachten und meinten, dann werde Arnold wohl ewig leben, denn ein dreizehnter Uhrschlag sei unmöglich.

Arnold liebte es, an einem schönen Tag den Turm des Stephansdomes zu besteigen und bis zur Glockenstube zu gelangen, um die Aussicht zu genießen. Eines Tages, gerade als die Uhr die Mittagsstunde schlug, stand er dort oben und blickte über die Stadt. Er lehnte sich zu weit vor – und stürzte in die Tiefe. Durch das Vorbeugen schlug sein Degen an die Glocke, und die Wiener wunderten sich über den dreizehnten Schlag. Dann sah man die grässlich verstümmelte Leiche Arnolds am Stephansplatz liegen, und der Wächter, der ihn begleitet hatte, klärte über den Hergang auf.[3]


Vertiefende Informationen: Stephansdom · Pummerin · Kanzel (Stephansdom)

Quellen

  1. Wiener Sagensammlungen (Omen des »13. Schlages«; Varianten: Tod/Brand/Krieg; Wächter-/Bubenstreich-Erklärung).
  2. Topographien und Sagensammlungen zu Wiener Turmuhren und Schlagwerken (Motiv »Unglücksschlag«).
  3. Gugitz, Gustav: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien, Wien 1952, S. 83.