Neudeggergasse
| Neudeggergasse (8., Josefstadt) | |
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Namensgebung und Geschichte
Die Neudeggergasse ist eine kurze Querstraße im 8. Bezirk (Josefstadt), die die stark befahrene Lerchenfelder Straße mit der ruhigen Zeltgasse verbindet. Trotz ihrer zentralen Lage wirkt die Gasse eher kleinstädtisch: Mehrere drei- bis viergeschoßige Vorstadthäuser aus der Zeit Josephs II. und des frühen 19. Jahrhunderts fassen den Straßenraum eng, im Erdgeschoß finden sich heute vor allem kleinere Lokale und Wohnnutzungen. [1][2]
Benannt wurde die Gasse 1778 nach dem Neudegger Hof, einem ausgedehnten Gut, das sich als Lehen des Bistums Passau beziehungsweise später des Schottenstifts zwischen Lerchenfelder Straße, Neustiftgasse, Burggasse und Siebensternstraße erstreckte. Der Name leitet sich von der topographischen Bezeichnung Im Neideck ab; ältere Quellen führen ihn teils auf ein Adelsgeschlecht Neydegger beziehungsweise Hans von Neudegg zurück. [3][4]
Vor der systematischen Verbauung wurde der Verlauf als Alter Bergsteig bezeichnet, ein schmaler Weg, der wohl einer älteren Trasse am Abhang in Richtung Lerchenfeld folgte. Erst mit der Parzellierung des Neudegg-Lehens nach 1770 entstanden entlang dieses Steigs die heute noch ablesbaren Hausreihen; die Neudeggergasse erhielt damals auch ihre bis heute gültige Form mit der Anbindung an die Lerchenfelder Straße. [5]
Heute ist die Neudeggergasse eine verkehrsberuhigte Wohnstraße mit Aufenthaltsfunktion; im Rahmen von Aktionen wie dem Tag der Wohnstraße wird sie regelmäßig temporär für Feste und Begegnungsräume genutzt, womit der enge Straßenzug immer wieder buchstäblich zur Bühne für den Bezirk wird. [6]
Neudegg und Neudegger Hof
Das historische Gebiet Neudegg umfasste weit mehr als die heutige Gasse: Ein breiter Streifen reichte von der Lerchenfelder Straße über die Neustiftgasse und Burggasse bis zur Siebensternstraße und war spätestens seit dem Spätmittelalter als Neudegg-Lehen fassbar. Zum Gut gehörten neben dem Neudeggerhof auch zahlreiche Häuser, Gärten, Äcker und Weingärten. [7]
Mit der schrittweisen Parzellierung dieser Flächen im 18. Jahrhundert wurde das vormals ländliche Areal in ein dicht bebautes Vorstadtquartier verwandelt; die Neudeggergasse ist eines der sichtbarsten Resultate dieser Entwicklung. Die ehemalige Grundstücksstruktur prägt bis heute die relativ schmale, langgestreckte Parzellenform der Häuserzeilen.
Synagoge Neudeggergasse
Besondere stadt- und zeitgeschichtliche Bedeutung hat das Grundstück Neudeggergasse 12. Hier errichtete der Tempelverein Josefstadt auf Basis einer Stiftung des Bankiers Moriz Freiherr von Königswarter eine große Vereinssynagoge, den sogenannten Neudeggertempel. Der Bau nach Plänen des Architekten Max Fleischer wurde 1903 in neugotischer Sichtziegelarchitektur fertiggestellt und fasste mehrere hundert Personen. [8][9]
Die Synagoge prägte mit ihren hohen Türmen, dem großen Rosettenfenster und der repräsentativen Fassade den Straßenraum der Neudeggergasse und war religiöses wie kulturelles Zentrum der jüdischen Bevölkerung in der Josefstadt. 1938 wurde das Gebäude während des Novemberpogroms verwüstet, 1940 schließlich abgetragen; 1948 erfolgte die Rückstellung des Grundstücks an die Israelitische Kultusgemeinde, die es 1953 an die Stadt Wien verkaufte. An ihrer Stelle steht heute ein Gemeindebau, der durch eine Gedenktafel und eine Stele an die zerstörte Synagoge erinnert. [10][11][12]
Virtuelle Rekonstruktionen und Publikationen wie Die Wiener Synagoge in der Neudeggergasse. Ein Mikrokosmos und seine Geschichte haben das Aussehen und die Nachbarschaft des Neudeggertempels in den letzten Jahrzehnten wieder stärker ins Bewusstsein gerückt und machen die Bedeutung dieses heute verlorenen Baus nachvollziehbar. [13]
Häuser der Gasse
- Neudeggergasse 1-3
- Neudeggergasse 2
- Neudeggergasse 4 – Geburtshaus von Franz Dobiaschofsky
- Neudeggergasse 5 – Zum grünen Baum; Wohnhaus des Satirikers Josef Richter (Eipeldauer-Briefe)
- Neudeggergasse 6 – Zur Krönung Christi
- Neudeggergasse 7
- Neudeggergasse 8 – Kleine Galerie
- Neudeggergasse 9
- Neudeggergasse 10 – Zum Bauern (später Zum Tiroler)
- Neudeggergasse 11
- Neudeggergasse 12 – ehemalige Synagoge (Neudeggertempel, 1903–1938), heute Gemeindebau mit Gedenkstele
- Neudeggergasse 13
- Neudeggergasse 14 – Zum römischen Kaiser
- Neudeggergasse 15
- Neudeggergasse 16 – Zu den drei Katzeln
- Neudeggergasse 17
- Neudeggergasse 18 – Zum heiligen Leonhard
- Neudeggergasse 19 – Hausbesitz des Adressbuchautors Anton Behsel (1816–1839)
- Neudeggergasse 20 – Durchhaus, später u. a. Haus des Revolutionärs Joseph Christian Ettenreich
- Neudeggergasse 21
- Neudeggergasse 22 – Maria-Franc-Hof, städtische Wohnhausanlage (1955–1958)
- Neudeggergasse 23 – Ehemalige Steueradministration für den 8. Bezirk (1872–1884); Sterbehaus der Hofbildhauer Franz Schönlaub und Karl Elmar
Verkehrsanbindung
- Straßenbahn 46 in der Lerchenfelder Straße (Haltestellen Lerchenfelder Straße/Neustiftgasse bzw. Stiftgasse).
- Autobus 13A (Haltestellen Piaristengasse / Theater in der Josefstadt) in kurzer Gehentfernung, zudem Linien 48A und weitere Busverbindungen entlang der Lerchenfelder Straße.
- U-Bahn U2 (und künftige U5) – Station Rathaus – sowie U3 (Volkstheater) und U6 (Josefstädter Straße) sind jeweils in einigen Minuten zu Fuß erreichbar. [14]
→ weiter zu kreuzenden Straßen: Lerchenfelder Straße | Zeltgasse
Quellen
- ↑ Stadtarchäologie Wien: Neudeggergasse 5 – zur Entwicklung der Gasse aus einem schmalen Steig und zu den josephinischen Vorstadthäusern.
- ↑ Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Bd. 1., Kremayr & Scheriau, Wien 1992, S. 1
- ↑ Wien Geschichte Wiki: Neudeggergasse – Benennung, Lage, frühere Bezeichnung Alter Bergsteig.
- ↑ Wikipedia/Liste der Straßennamen von Wien/Josefstadt: Eintrag Neudeggergasse – Herkunft des Namens und Bezug zum Neudegg-Lehen.
- ↑ Straßen, Gassen und Plätze von Wien, Wien 1950 – Eintrag Neudeggergasse: Lageangabe von der Lerchenfelder Straße 16/18 bis Zeltgasse 1.
- ↑ ORF Wien: Vierter Tag der Wohnstraße wird gefeiert – u. a. zu Aktivitäten in der Neudeggergasse.
- ↑ Wikipedia: Neudegg (Wien) – Ausdehnung des Neudegg-Lehens und Geschichte des Neudeggerhofs.
- ↑ Wikipedia: Synagoge Neudeggergasse – Geschichte, Bau und Zerstörung der Synagoge.
- ↑ Projekt Lichtzeichen: Neudeggertempel, Neudeggergasse 12 – Kurzbeschreibung mit Angaben zu Baujahr und Architekt.
- ↑ Wiener Wohnen: Neudeggergasse 12 – Gemeindebau und Vorgeschichte als Synagoge.
- ↑ Wiener Wohnen / Nievergessen: Ehemalige Synagoge – Neudeggergasse – zur Geschichte des Neudeggertempels.
- ↑ Jüdisches Museum Wien, Hannah Landsmann: Unterwegs in "Unserer Stadt!" – Josefstadt – zur Erinnerungskultur rund um die ehemalige Synagoge.
- ↑ Käthe Kratz / Hubert Gaisbauer (Hg.): Verlorene Nachbarschaft. Die Wiener Synagoge in der Neudeggergasse. Ein Mikrokosmos und seine Geschichte, Wien 1999.
- ↑ Moovit: Neudeggergasse, Josefstadt – Übersicht der anliegenden Linien.