Kriminalfall: Die Ermordung des Rechtsanwaltes Dr. Rothziegel
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- Ein Offizier fühlt sich in seiner Ehre verletzt
Der Kriminalfall
Der Advokat Dr. Theimer betrieb, gemeinsam mit dem 39-jährigen Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Isidor Hermann Rothziegel, am Rudolfsplatz 6 eine Kanzlei.
Als er am 1.2.1895 gegen halb vier, nach der Mittagspause, in die Kanzlei zurückkam, vernahm er ein seltsames Schnaufen aus dem Büro seines Geschäftspartners. Erst dachte er, Rothziegel würde träumen, und mache deswegen die Geräusche, bei genauerem Hinhören erschien es ihm aber doch, als vernähme er ein Röcheln und Ächzen. Rasch holte er einen Schlosser, um die versperrte Türe zu seinem Kollegen zu öffnen. Da lag Rothziegel in einer Blutlache, am Kopf eine schwere Verletzung, die Hände im Todeskampf verkrampft. Theimer holte nun rasch die angesehenen Ärzte Dr. Horowitz und Dr. Pins, die konnten jedoch auch nicht mehr tun, als es dem Sterbenden auf einem Sofa bequem zu machen. Die gerufene Rettung fuhr mit Rothziegel ins AKH, er starb aber noch während der Fahrt.
Die Gerichtsmedizin stellte nun bald fest, dass der Tote zahlreiche Schnittverletzungen an den Handgelenken aufwies, anfangs glaubte man daher noch an einen Selbstmord, doch die Schädelverletzung war durch einen stumpfen Gegenstand entstanden, und bei einer Hausdurchsuchung wurde eine blutverschmierte Kassette aufgefunden. In der Kasse fehlte kein Geld, und in der Anzugtasche des Toten fand man das aufgeklappte Rasiermesser, das nicht dem Toten gehört hatte. Es gab also keinen Zweifel mehr an einem Mord.
Während der Untersuchungen tauchte nun der 35-jährige Gustav Eichinger auf, ein Offizier, der seine Laufbahn quittiert hatte und als Sollizitator erst wenige Monate zuvor bei den Anwälten begonnen hatte. Er reagierte heftig auf die Todesnachricht seines Chefs, zitterte am ganzen Körper und machte sich durch die übertriebene Aufregung verdächtig. Die Polizei nahm ihn sofort in Untersuchungshaft und verhörte ihn.
Rasch stellte sich bei Ermittlungen heraus, dass Eichinger hoch verschuldet gewesen war, und plötzlich - durch einen Geldsegen beschenkt - die rückständige Miete von 65 Gulden bei seinem Hausherren bezahlt hätte. Diesem erschien es eigenartig, dass sein Mieter ihm das Retourgeld von 35 Gulden erlassen hatte, immerhin betrug der Monatslohn des ehemaligen Offiziers 60 Gulden pro Monat. Eichinger gab bald zu, dass er Geld der Kanzlei unterschlagen hätte, mit einem Mord habe er jedoch nichts zu tun.
Inzwischen hatte der Gerichtsmediziner Professor Eduard von Hofmann ein genaues Bild der Verletzungen und einen möglichen Tathergang rekonstruiert. Neben den zahlreichen Schnittverletzungen an den Pulsadern, die offensichtlich zur Vortäuschung eines Selbstmordes beigebracht worden waren, fanden sich am Schädel mindestens sechs kreisrunde Knocheneinbrüche, die vermutlich durch einen Schusterhammer verursacht worden waren. Wahrscheinlich war Rothziegel bereits nach dem ersten Schlag bewusstlos zusammengebrochen, die nachfolgenden Schläge führten zu Gehirnblutungen und dem Tod.
Am 5. Februar 1895 wurde auf der israelitischen Abteilung des Zentralfriedhofes die Beerdigung vorgenommen, immer noch tappte die Polizei im Dunklen. Neben dem Verdächtigen Eichinger hatte man auch andere Personen kontrolliert. Immerhin war Rothziegel in der Damenwelt munter unterwegs gewesen, es hätte also auch ein eifersüchtiger Ehemann der mögliche Mörder sein können. Den entscheidenen Hinweis gab zwei Tage später schließlich das Dienstmädchen der Anwaltskanzlei, als man ihr das Rasiermesser zeigte. Sie erkannte es eindeutig als das des Sollizitators Eichinger, denn sie hatte es sich vor wenigen Tagen von ihm ausgeliehen, um Vorhänge abzuschneiden.
Mit dieser Indiz ging die Polizei nun zu dem Inhaftierten, der immer noch leugnete. Erst als dieser erfuhr, dass seine Ehefrau ebenfalls verhaftet wurde, weil ihr Mittäterschaft unterstellt wurde, brach er zusammen und begann zu gestehen. Tatsächlich hatte Eichinger am Tag des Mordes mehrere Aufträge von den Anwälten erhalten, unter Anderem den Kauf eines französischen Hammers. Da er nicht alle Aufträge rechtzeitig erledigen konnte, war es zwischen Rothziegel und ihm zu einem heftigen Streit gekommen, bei dem der Anwalt den Mitarbeiter heftig beleidigt hätte. Aus Zorn griff Eichinger zum Hammer, der am Schreibtisch lag, und schlug ihm seinem Chef mehrmals auf den Kopf. Die Schnittwunden hatte er tatsächlich zur Verschleierung des Mordes verursacht, seine Aufregung sei jedoch schuld gewesen, dass er das Messer irrtümlich dem Opfer in die Tasche gesteckt hätte.
Der Mord wäre laut diesem Geständnis im Affekt geschehen, doch ganz glaubte die Polizei das nicht. Unklar war der Anlass des Hammerkaufs, denn ein gleichartiger Hammer war in der Kanzlei vorhanden. Auch, dass dieses Mordwerkzeug verschwunden war, gab den Kriminalisten keine Ruhe. Das von Eichinger angegebene Versteck - er hatte den Hammer in der Hessgasse in einer öffentlichen Toilette auf einem Mauervorsprung versteckt - wurde leer vorgefunden, erst eine Woche später fand ein Diener das Werkzeug in der Nähe der Wohnung Eichingers.
Als es am 22. April 1895 zur Verhandlung kam, war Eichinger schließlich voll geständig.
Das Urteil im aufsehenerregenden Prozess lautete: "Gustav Eichinger wird der Anklage wegen Verbrechens des Raubmordes und des Diebstahles schuldig erkannt und zum Tode durch den Strang verurteilt." Am 10. Juni 1895 milderte der Kaiser die Strafe ab, Gustav Eichinger erhielt lebenslangen schweren Kerker, jährlich am 1. Februar durch Fasten und Einzelhaft in dunkler Zelle verschärft.[1]
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