Die Sage vom Stoß im Himmel

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Sagen und Legenden
Die Sage vom Stoß im Himmel
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Hier lebte einst eine sehr eitle und hochmütige Frau, die sich immer in die edlesten Stoffe hüllte und die meiste Zeit vor dem Spiegel verbrachte. Vor lauter Eitelkeit versäumte sie die Haushaltsführung und den Kirchengang, ihr gesamtes Vermögen verwendete sie auf ihre Schönheit.

Eines Tages ging sie an einem Bild der Heiligen Maria vorbei und spottete über das einfache Gewand der Muttergottes. In ihrem Hochmut forderte sie Maria auf, mit ihrer Kleiderpracht zu wetteifern.

Um Mitternacht klopfte es an der Tür der Hochmütigen und davor stand eine Bettlerin in armseligen Lumpen. Die Bettlerin hob drohend ihren Krückstock und schrie: Elende! Du bist eine Bettlerin! Welch armselige Lumpen ich in deinem Kleiderschrank angehäuft sehe! Lass dir einmal meine Schätze zeigen, kostbare Gewänder, wie sie nicht mal Königinnen haben! Willst du eines haben?“

Die eitle Frau wurde böse und wollte die Alte verjagen, doch diese zog aus ihrem schmutzigen Korb ein prächtiges Gewand aus Samt und Perlen, dazu einen luftigen Schleier, einen Gürtel und ein Paar Schuhe. Als die Junge dies alles sah, viel sie vor der Bettlerin auf die Knie und flehte sie an, ihr alles zu überlassen – sie wolle dafür im Gegenzug alles hergeben, was die andere wolle. Nun hatte das hochmütige Mädchen jedoch sein gesamtes Geld bereits für ihre Schönheit ausgegeben, und die Alte machte ihr daher folgenden Vorschlag: „Ich will dir das Kleid drei Tage und Nächte borgen. Du gibst mir als Lohn, was dein Kleid um Mitternacht der dritten Nacht bedeckt!“ Das Mädchen dachte sich nicht viel dabei, stimmte zu, und wurde drei Tage von den Damen in Wien in dem wundervollen Gewand bewundert.

Als die dritte Nacht anbrach kam das Mädchen ins Grübeln – und schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie sich das Kleid ausziehen sollte. Doch was sie auch versuchte, das wie angegossen sitzende Kleid ging nicht ab. Verzweifelt versuchte sie es zu zerreißen, zu zerschneiden, doch sinnlos.

Pünktlich um Mitternacht klopfte es an der Tür. Sie ging langsam auf, und da stand die Alte, die lachend ausstieß: “Nun, mein Mädchen, was von dem Kleid verhüllt sich mir zeigt, das bist du!“ In dem Moment verwandelte sich die Bettlerin zum Teufel, der Samt wurde zu Zunder, die Goldstickerei zu Feuer und die Perlen zu Schwefelwölkchen. Das Mädchen drohte zu verbrennen, als das brennende Kleid plötzlich abfiel und der Teufel durch einen heftigen Stoß zurückfiel – neben der Sünderin stand die Heilige Barbara, deren Bild das Mädchen unter dem Kleid getragen hatte.

So wurde das eitle Mädchen gerettet und trat voll Dankbarkeit ins Kloster ein, tat Buße und entsagte jeder Eitelkeit. Die Gegend hier heißt seither Stoß Im Himmel, nach dem rettenden Stoß, den die Heilige Barbara dem Teufel versetzt hatte.[1]


Tatsächlich ist die kleine Gasse Stoß im Himmel wohl nach einer alten Wiener Bürgerfamilie benannt: Hans Stoßanhimls (gest. 1529), die letzte Namensträgerinnen waren Margarete Stoßimhimlin (gest. 1770) und Marianne Stoßinhimlin (gest. 1797). In der nahen Kirche Maria-Stiege war dazu eine Grabschrift zu lesen: "Anno Domini 1529 am 2. Dezember starb der fürsichtig Ers. Weise Hanns Stoß-am-Himmel, Bürger zu Wien, hier begraben." [2]



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Quellen

  1. Gustav Gugitz [Hsg]: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien, Wien 1952, Nr. 27, S. 44ff
  2. Realis (Gerhard Cockelberghe-Duetzele): Geschichten, Sagen und Merkwürdigkeiten aus Wiens Vorzeit, Wien 1846, S. 359