Davidgasse 92-94
- Bezirk
- 10., Favoriten
- Aliasadressen
- =Davidgasse 92-94
- =Zur Spinnerin 8-10
- =Rotenhofgasse 99-101
- =Knöllgasse 11-15
- Konskriptionsnummer Inzersdorf
- vor 1862: -
- vor 1821: -
- vor 1795: -
- Bauzeit
- 1907
- Architekten (Bau)
- nicht bekannt
Das Haus Abadie – Architektur und Geschichte
Der große Fabriksblock Davidgasse 92-94 ist der ehemalige Standort der Zigaretten-Papier- und Hülsenfabrik Abadie und prägt mit seinen langgestreckten Ziegel- und Putzfassaden bis heute den industriellen Charakter des Triesterviertels.[1]
Das Gebäude liegt zwischen Davidgasse, Zur Spinnerin, Rotenhofgasse und Knöllgasse. Die längere Front orientiert sich zur Straße Zur Spinnerin, ausgeführt in Sichtziegelbauweise mit additiven Putzgliederungen; teilweise sind noch Eisensprossenfenster erhalten.[2] Der Block fasst genau genommen drei Hauskörper, von denen der zur Knöllgasse hin situierte Teil der jüngste ist.
1907 ließ der Budapester Zigarettenpapierfabrikant Emil M. Farchy hier eine Zigarettenpapierfabrik errichten, die als industrieller Nukleus an der Davidgasse fungierte.[3] 1910 übernahm die französische Abadie-Papier-Gesellschaft den Betrieb und ließ den Fabriksbau für die eigenen Anforderungen ausbauen; in der Literatur wird deshalb häufig 1910 als Baujahr des heutigen Werkes genannt.[4] [5]
Im Frühjahr 1945 wurde der Komplex durch einen Bombentreffer schwer beschädigt; nach dem Wiederaufbau konnte die Produktion jedoch wieder aufgenommen werden und lief bis in die 1970er-Jahre weiter.[6] Die industrielle Nutzung endete in den 1980er-Jahren, seither wird der Block überwiegend für Bildungs- und Dienstleistungszwecke adaptiert.[7]
Industriegeschichte: Zigarettenpapier und Sammelbildchen
Die Marke Abadie geht auf ein 1783 in Paris gegründetes Unternehmen zurück, das zu den Pionieren der industriellen Zigarettenpapiererzeugung zählt.[8] Anfang des 20. Jahrhunderts war Zigarettenpapier stark gefragt: Viele Raucherinnen und Raucher kauften Tabak und Papier separat und drehten ihre Zigaretten selbst. Entsprechend groß fiel der Wiener Standort im damals rasch wachsenden Triesterviertel aus.
Nach der Übernahme durch Abadie 1910 entwickelte sich die Fabrik zu einem bedeutenden Arbeitgeber: In mehreren rund vierzig Meter langen Arbeitssälen produzierten etwa 700, überwiegend weibliche Beschäftigte jährlich rund 300 Millionen Zigarettenhülsen.[9] Das dafür benötigte besonders feine Rohpapier wurde per Bahn direkt aus Frankreich geliefert; Werbematerial hob die besondere Reinheit und Qualität der verwendeten Fasern hervor.[10]
Abadie war auch für auffällige Werbeaktionen bekannt. Legendär sind Slogans wie Rauch Abadie auf jeden Fall und die Sammelbildchen, die den Packungen beigelegt waren. Serien mit Flaggen, Wappen, Schlössern, Sportmotiven und ähnlichen Themen wurden in eigene Alben eingeklebt und intensiv getauscht; viele Wienerinnen und Wiener verbinden bis heute Kindheits- oder Familienerinnerungen mit diesen Bildern.[11]
1938 wurde das – jüdische – Unternehmen im Zuge der NS-Herrschaft arisiert und einer regimetreuen Verwaltung unterstellt; in der Firmenchronik erscheinen in dieser Zeit neue Gesellschaftsformen wie die Zigaretten-Papier-Aktiengesellschaft und spätere Kommanditgesellschaften unter Hans Behr.[12] 1972 übernahmen die Austria Tabakwerke den Betrieb, bevor die Zigarettenpapierproduktion schließlich eingestellt wurde.[13]
Heutige Nutzung
Seit den 1980er-Jahren wird der vormalige Fabrikskomplex stufenweise in einen Bildungs- und Dienstleistungsstandort transformiert. Große Teile des Hauses werden heute vom Berufsförderungsinstitut BFI Wien als Bildungszentrum genutzt; daneben sind weitere Weiterbildungsträger und Projekte im Bereich Qualifizierung, Integration und Berufsorientierung eingemietet.[14]
In den Erdgeschoßzonen befinden sich Nahversorger und Gastronomiebetriebe, während die Obergeschoße vor allem Seminarräume, Büros und Schulungsbereiche beherbergen.[15] Der denkmal- und stadthistorische Charakter des Sichtziegelbaus bleibt dabei als sichtbare Erinnerung an die Industriegeschichte Favoritens erhalten.
Gedenktafel
Die Tafel ist Teil des Projekts Orte erzählen des Vereins Triesterviertel, der mit Texten, historischen Fotografien und einem Audioguide die Industrie- und Sozialgeschichte des Viertels sichtbar macht.[16]
Abadie
Emil M. Fachy eröffnete 1907 in der
Davidgasse eine Zigarettenpapier-
fabrik. 1910 übernahm die franzö-
sische "Abadie - Papier - Gesellschaft"
den Betrieb. Die Firma beschäftigte
rund 700 Arbeiter, voe allem Frauen,
die 300 Millionen Zigarettenhülsen
pro Jahr herstellten. Ein Bomben-
treffer im Frühjahr 1945 richtete er-
heblichen Schaden am Gebäude an.
Nach dem Wiederaufbau der Fabrik
konnte die Produktin von Zigaretten-
papier bis in die Siebzigerjahre auf-
recht erhalten werden. Schließlich
bezogen in den Achtzigerjahren
andere Einrichtungen Teile des Gebäudes.
Inschrift kann hier zitiert oder paraphrasiert werden.
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Quellen
- ↑ Davidgasse, in: AustriaWiki im Austria-Forum, mit Verweis auf Dehio-Handbuch Wien.
- ↑ Davidgasse, Abschnitt Nr. 92: ehemalige Zigarettenfabrik Abadie.
- ↑ https://www.orteerzaehlen.at/abadie/ Verein triesterviertel.at: Zigaretten-Papier- und Hülsenfabrik Abadie, 1907–1970er Jahre, Orte erzählen.
- ↑ Davidgasse, Wikipedia-Eintrag, Abschnitt Nr. 92: ehemalige Zigarettenfabrik Abadie.
- ↑ Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Bd. 1. Kremayr & Scheriau, Wien 1992, S. 1
- ↑ Verein triesterviertel.at: Zigaretten-Papier- und Hülsenfabrik Abadie.
- ↑ C. Rifaat: Das Plus – Nachhaltige Altbausanierung..., TU Wien, 2024, Kap. Geschichte des Bestandsgebäudes.
- ↑ Davidgasse, AustriaWiki, Abschnitt zur Firma Abadie.
- ↑ Audioguide Triesterviertel, Station Abadie, Verein triesterviertel.at.
- ↑ Abadie, Orte erzählen.
- ↑ Audioguide Triesterviertel, Station Abadie.
- ↑ Verein triesterviertel.at: Chronik der Zigaretten-Papier- und Hülsenfabrik Abadie.
- ↑ Davidgasse 92–94, CityABC.
- ↑ BFI Wien: Bildungszentrum Davidgasse, offizielle Standortinformation.
- ↑ C. Rifaat: Das Plus – Nachhaltige Altbausanierung..., TU Wien, 2024.
- ↑ Audioguide Triesterviertel, Station Abadie.