Das Wassermännlein an der Wien

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Das Wassermännlein an der Wien Relevante Orte: Stadtpark
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Kaum zu glauben, dass heute, wo nur ein kleines Rinnsal durch den Stadtpark zu sehen ist, einst ein reißender Fluss zog, der Mühlen antrieb und der den Menschen Angst einflößte. Da, wo das Wasser am tiefsten war, lebte ein kleines Wassermänlein, über das zahlreiche Geschichten im Umlauf waren. Das Männlein hatte ein blasses Gesicht, trug einen grauen Hut und hohe Röhrenstiefel mit Quasten am Schaft. Und immer hielt es Ausschau nach Opfern, die es in sein feuchtes Reich ziehen konnte. Besonders neugierige Kinder waren betroffen....

So erging es wohl auch dem kleinen Anton, dem Sohn eines Fleischhauers aus dem Magdalenengrund. Der kleine Anton war ein Prahlhans, denn überall erzählte er herum, dass er allein das Wassermännlein austricksen könne. Seinen Spielkameraden war das irgendwann zu dumm, und sie drängten Anton, nun zu beweisen, was er großspurig behauptet hatte. Also war der Plan gefasst, in aller Heimlichkeit wurden Vorbereitungen getroffen. Anton stahl seinem Vater eine Ochsenblase, blies sie auf, und band sie sich um den Körper. Die Kinder hatten sich nun am Ufer des Wienflusses versammelt, und Anton watete, siegessicher gerüstet mit seiner prallen Ochsenblase, hinein ins Wasser - bis vor zur tiefsten Stelle.

Plötzlich schnellte eine bleiche Hand aus dem Fluss, löste die Seile, an der die Ochsenblase befestigt war, und zog den Buben in die Tiefe. Anton war nie mehr gesehen, auch seine Leiche tauchte nicht mehr auf.

Ein anderer Knabe, Rudi, war ein Waisenkind, das bei seiner Großmutter in bitterer Armut lebte. Die alte Frau hatte nicht einmal genug Geld, um ihr kleines Zimmer zu beheizen, und so schickte sie den kleinen Rudi hinunter zum Wienfluss, damit er aus dem Wasser das Treibholz fange. Trotz der großen Angst, die Rudi vor dem bösen Wassermännlein hatte, ging er also, ausgerüstet mit einer langen Fangstange, zum Wasser. Nur... das vorbeitreibende Holz war zu weit entfernt, er musste auf einen Stein, der von den plätschernden Wellen des Flusses umspült wurde. Vorsichtig stieg er darauf, in dem Moment packte das Wassermännlein den Kiesel und schüttelte ihn kräftig. Rudi konnte nicht das Gleichgewicht halten und rutschte hinein in die Tiefen.Wie durch ein Wunder konnte er jedoch einen dicken Ast fassen, mit ihm gelang es dem Kind, sich zurück ans Ufer zu kämpfen.

Vielleicht war Rudi vom Wassermännlein verschont worden, weil er ohne Spott und Hochmut zu ihm kam.


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Quellen