1805: Napoleon und Wien
Am 13. November 1805 trat Wien in eine neue, erschütternde Wirklichkeit ein. Nach den Niederlagen der Habsburger in der Dritten Koalition stand die Verteidigung der Stadt vor dem Zusammenbruch. Napoleon übernahm Wien kampflos und machte damit deutlich, wie weit seine Macht inzwischen nach Mitteleuropa reichte. Für die Wienerinnen und Wiener begann eine Zeit der Unsicherheit, des militärischen Drucks und des erzwungenen Arrangements mit einer fremden Besatzung.
Der Weg Napoleons nach Wien
Der Feldzug des Jahres 1805 hatte sich rasch zugespitzt. Die französische Armee stieß über Bayern und Oberösterreich in Richtung Donau vor, während die österreichischen Truppen zurückweichen mussten. In Wien wuchs die Angst vor einer Belagerung oder einem Häuserkampf. Der Hof und zentrale Behörden bereiteten sich auf den Abzug vor, und die Stadt war voller Gerüchte über das nahende Heer.
Als Napoleon schließlich vor Wien stand, entschied sich die militärische Führung gegen einen aussichtslosen Widerstand. Die Stadt war zwar befestigt, doch die Verteidigungsanlagen entsprachen nicht mehr dem Stand moderner Kriegsführung, und ein längerer Widerstand hätte erhebliche Zerstörungen bedeutet. So öffneten sich am 13. November die Tore, und Wien ging ohne Kampf an die Franzosen über.
Besatzung und Alltag in der Stadt
Mit dem Einzug der Franzosen veränderte sich der Alltag sofort. Straßen und Plätze waren von Soldaten, Marschkolonnen und Versorgungseinheiten erfüllt. Für viele Bewohner war die Präsenz einer fremden Armee ein Schock. Gleichzeitig versuchten die städtischen Behörden, Ordnung und Versorgung aufrechtzuerhalten, um Plünderungen und Chaos zu verhindern.
Napoleon wollte Wien nicht zerstören, sondern als politisches und logistisches Zentrum nutzen. Dennoch war die Stadt in diesen Wochen von Kontributionen, Einquartierungen und der ständigen Erinnerung daran geprägt, dass sie nun Teil eines Kriegsraums war. Für manche brachte die Besatzung kurzfristige Geschäfte, für andere Angst und materielle Not. Das Verhältnis zwischen Bevölkerung und Besatzern schwankte zwischen Anpassung, Misstrauen und gelegentlichen offenen Spannungen.
Napoleon in Schönbrunn (bis 28. Dezember 1805)
Napoleon bezog das Schloss Schönbrunn als Quartier und residierte dort bis zum 28. Dezember 1805. Damit verlagerte sich das Machtzentrum des Krieges symbolisch an jenen Ort, der seit Maria Theresia und Joseph II. als Inbegriff habsburgischer Hofkultur galt. Für die Monarchie war das eine Demütigung von höchster Symbolkraft.
In Schönbrunn wurden Audienzen abgehalten, Befehle diktiert und politische Entscheidungen vorbereitet. Für die Bevölkerung Wiens war die Nachricht, dass der Kaiser der Franzosen im kaiserlichen Schloss wohnte, ein tägliches Zeichen der Niederlage. Gleichzeitig wurde Schönbrunn zum Schauplatz einer ganz neuen Wahrnehmung der Weltpolitik: Wien war nicht nur besetzt, sondern – für kurze Zeit – eine Art Nebenhauptstadt des napoleonischen Europas.
Folgen für Wien und die Monarchie
Die Besetzung Wiens 1805 war kein isoliertes Ereignis, sondern Teil eines größeren Umbruchs. Kurz nach Napoleons Aufenthalt in Schönbrunn endete der Feldzug mit einem Frieden, der die Habsburgermonarchie schwer traf und ihr politische und territoriale Verluste abverlangte. Für Wien blieb die Erfahrung, dass selbst die Hauptstadt der Monarchie nicht mehr unangreifbar war.
Die Ereignisse von 1805 wirkten auch in das Selbstverständnis der Stadt hinein. Wien erlebte, wie rasch sich Machtverhältnisse verschieben konnten, und wie sehr das Leben in der Residenz von militärischen Entscheidungen weit außerhalb der Stadt abhängig war. Diese Erfahrung kehrte in den folgenden Jahren erneut zurück und prägte die Wahrnehmung Napoleons als einer Figur, die zugleich Faszination und Furcht auslöste.
Erinnerung an 1805
Im Stadtgedächtnis blieb 1805 als erste napoleonische Besetzung Wiens haften. Viele Wiener Berichte aus dieser Zeit schildern das Gefühl einer plötzlichen Ohnmacht, aber auch den Versuch, den Alltag trotz äußerer Kontrolle zu organisieren. Schönbrunn wurde zum Symbolort dieser Episode: ein habsburgischer Glanzpunkt, der vorübergehend zum Quartier des Gegners wurde.
Die Besetzung von 1805 markiert damit einen Moment, in dem Wien nicht nur Schauplatz, sondern auch Spiegel europäischer Großpolitik war – und in dem die Stadt einen Vorgeschmack auf die tiefgreifenden Veränderungen des 19. Jahrhunderts erhielt.
- Napoleon in Wien 1805
- Napoleon Einzug Wien 1805.jpg
Symbolische Darstellung des Einzugs Napoleons in Wien
- Schloss Schoenbrunn 19 Jh.jpg
Schönbrunn als napoleonisches Quartier 1805
← zurück zu Geschichte Wiens
→ weiter zu 1814–1815: Der Wiener Kongress
Quellen
```0
Klare Darstellung der Französischen und Österreichischen Truppstellungen samt topografischer Details wie Donauarme, Insel Lobau, Aspern und Essling.
Zeigt die Begrenzung des Schlachtfelds bei Wien und die strategische Bedeutung des Donauübergangs.
Wien und Napoleon 1805–1810
1805 – Erster Einmarsch
• Napoleon besetzt Wien kampflos am 13. November
• Die Schlüssel werden übergeben, Wies Hofburg & Schönbrunn dienen als Residenz
• Niederlage Österreichs bei Austerlitz; Frieden von Pressburg bringt Gebietsverluste
1809 – Zweiter Einmarsch & Schlacht
• Wien wird am 12. Mai nach kurzer Beschießung eingenommen
• Schlacht bei Aspern-Essling: erste persönlich geführte Niederlage Napoleons
• Schlacht bei Wagram: erneuter Sieg für Frankreich
• Frieden von Schönbrunn (Oktober 1809) → neue Gebietsverluste
Napoleon in Schönbrunn
• Schönbrunn dient Napoleon 1805 und 1809 als Hauptquartier
• Einrichtung der „Napoleon-Zimmer“ in den Kaiserappartements
• Schloss und Garten als Schauplatz diplomatischer Ereignisse
1810 – Dynastische Hochzeit
• Napoleon heiratet Erzherzogin Marie-Louise (Tochter von Franz I.)
• Bündnis Österreich–Frankreich wird damit gefestigt
• 1811 wird der gemeinsame Sohn, der „König von Rom“, geboren
Folgen für Wien
• Zweimalige Okkupation durch Frankreich – prägende Erfahrung
• Wirtschaftliche Belastungen durch Kriegsanstrengungen und Kontributionen
• Aufkeimender Patriotismus und Reflexion über nationale Identität
• Künstlerische Reaktionen (z. B. Beethovens Widerruf der Widmung der »Eroica«)




