1239: Belagerung von Wien

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Geschichte Wiens
1239: Belagerung von Wien
Im Jahr 1239 wurde Wien zum Schauplatz eines ungewöhnlichen Machtkampfes: Die Stadt war reichsunmittelbar dem Kaiser unterstellt – und wurde gleichzeitig von ihrem eigenen Herzog belagert.


Wien 1239 – Reichsacht und Belagerung

Herzog Friedrich II. „der Streitbare“

Hintergrund
• Herzog Friedrich II. von Österreich (Babenberger) geriet in Konflikt mit Kaiser Friedrich II.
• 1239: Reichsacht gegen den Herzog
• Wien wurde direkt dem Reich unterstellt – für kurze Zeit freie Reichsstadt

Herzog Friedrich II. von Österreich regierte seit 1230 über Österreich und die Steiermark.
Seine harte Politik gegenüber Adel und Städten führte rasch zu Konflikten.
Auseinandersetzungen mit dem Landesadel und mit Kaiser Friedrich II. mündeten 1236 in die Reichsacht gegen den Babenbergerherzog.
Wien und große Teile des Herzogtums wurden daraufhin vom Kaiser als Reichsgut eingezogen und von kaiserlichen Statthaltern verwaltet.
Kaiser Friedrich II. (Staufer)

Reichsfreiheit
• Bürger Wiens standen unter kaiserlichem Schutz
• Stadt gewann Selbstbewusstsein durch neu gewonnene Rechte
• Dauer: nur wenige Monate im Jahr 1239

Zwischen 1237 und 1239 war Wien reichsunmittelbar und direkt dem Kaiser unterstellt.
Die Stadt erhielt ein erweitertes Stadtrecht, das an das Privileg von 1221 anknüpfte und den Bürgern zusätzliche Handels- und Rechtsgarantien brachte.
Die Wiener standen damit unmittelbar unter kaiserlichem Schutz – ein für die Stadtgeschichte einzigartiger Status, der das Selbstverständnis der Bürgerschaft spürbar stärkte.
Mittelalterliche Belagerung

Belagerung
• Juni–Dezember 1239: Herzog Friedrich II. belagerte Wien
• Stadt verteidigte sich monatelang erfolgreich
• Schließlich Kapitulation → Wien wieder babenbergisch

Von seiner Basis in Wiener Neustadt aus suchte Herzog Friedrich, Wien militärisch zurückzugewinnen.
Im Verlauf von 1238 verdichteten sich die militärischen Aktionen, im Sommer 1239 wurde die Stadt schließlich regelrecht eingeschlossen.
Die Belagerung setzte auf Blockade und Aushungerung; nach Monaten des Widerstands kapitulierte Wien im Dezember 1239 und kehrte in die Herrschaft des Babenbergers zurück.

Hintergrund: Konflikt zwischen Herzog und Kaiser

Herzog Friedrich II. von Österreich, der wegen seines kompromisslosen Auftretens den Beinamen der Streitbare erhielt, trat 1230 die Nachfolge seines Vaters Leopold VI. an. Innerhalb weniger Jahre geriet er in Konflikt mit einflussreichen Adelsfamilien wie den Kuenringern und mit der Bürgerschaft seiner Städte, unter anderem durch neue Abgaben und eine deutlich schärfere Herrschaftspraxis.[1]

Auch das Verhältnis zum Stauferkaiser Friedrich II. verschlechterte sich. Der Kaiser warf dem Babenberger eigenmächtiges Vorgehen im Reich und eine Politik vor, die seine eigenen Vorstellungen von Ordnung im Donauraum konterkarierte. 1236 kam es zum offenen Bruch: Der Kaiser setzte Friedrich II. ab, verhängte die Reichsacht und zog Österreich und die Steiermark als erledigte Reichslehen ein.[2]

Wien als reichsunmittelbare Stadt (1237–1239)

In der Folge wurden Wien und große Teile des ehemaligen babenbergischen Herrschaftsgebietes einem kaiserlichen Statthalter unterstellt. Wien wurde zur reichsunmittelbaren Stadt erhoben und damit direkt an den Kaiser gebunden. Für die Bürger bedeutete das eine spürbare Aufwertung: Sie waren nun nicht mehr Untertanen des Herzogs, sondern standen unmittelbar unter dem Schutz des Reichsoberhauptes.[3]

Mit der neuen Stellung war ein Stadtrechtsprivileg verbunden, das das bereits 1221 verliehene Wiener Stadtrecht erweiterte. Handelsrechte, Marktordnung und städtische Gerichtsbarkeit wurden präziser gefasst, die Position der Bürgerschaft gegenüber Stadtherr und Adel gestärkt. Wien fungierte für einige Jahre als Zentrum eines kaiserlichen Reichslandes, das Österreich und die Steiermark umfasste, und wurde damit noch deutlicher als politischer und wirtschaftlicher Schwerpunkt im Osten des Reiches sichtbar.[4]

Für den Babenbergerherzog war der Verlust seiner bisherigen Hauptstadt ein schwerer Schlag, politisch wie symbolisch. Von Wiener Neustadt aus versuchte er, seine Position im Land zu halten und Verbündete zu gewinnen, während ein Teil seiner ehemaligen Ministerialen zur kaiserlichen Seite überlief.[5]

Die Belagerung von Wien 1239

Bereits 1238 setzte Friedrich II. militärische Schritte, um Wien zurückzugewinnen. Von Süden her, gestützt auf Wiener Neustadt und andere Stützpunkte, näherte er sich der Stadt und suchte zunächst durch Druck auf das Umland und Unterbrechung von Versorgungswegen die Lage der Wiener zu verschlechtern.[6]

Im Sommer 1239 kam es zur eigentlichen Belagerung: Zwischen Juni und Dezember wurde Wien eingeschlossen, Zufahrtswege wurden blockiert, und der Herzog setzte vor allem auf Aushungerung der Bevölkerung, um ein freiwilliges Öffnen der Stadttore zu erzwingen. Die reichsunmittelbare Stadt verteidigte sich mehrere Monate, getragen von dem neuen Selbstbewusstsein ihrer Bürgerschaft, aber auch von der Aussicht, ihre erst kürzlich gewonnenen Privilegien möglichst zu bewahren.[7]

Schließlich kapitulierte Wien im Dezember 1239. Der Babenbergerherzog zog wieder in seine Hauptstadt ein. Die militärische Rückeroberung fiel zeitlich zusammen mit einer politischen Annäherung zwischen Herzog und Kaiser: Der bis dahin geführte Reichskrieg wurde beigelegt, und Friedrich II. der Streitbare wurde – zumindest vorübergehend – wieder zu einem Bündnispartner des Kaisers.[8]

Folgen für Stadt und Herrschaft

Mit der Kapitulation endete Wieners Reichsunmittelbarkeit zunächst. Die Stadt kehrte unter die Herrschaft des Babenbergers zurück, verlor aber nicht alle in der Zeit als Reichsstadt erworbenen Vorrechte. Teile des kaiserlichen Stadtrechts wurden weitergeführt oder von Herzog Friedrich in eigenen Privilegien bestätigt, weil er auf die Loyalität der wirtschaftlich starken Bürgerschaft angewiesen blieb.[9]

Für Wien war die Phase von 1237 bis 1239 dennoch ein Einschnitt: Zum ersten Mal trat die Stadt als eigenständiger politischer Faktor in der Reichspolitik auf. Die Erfahrung, für einige Jahre direkt dem Kaiser zu unterstehen, stärkte das Selbstbewusstsein der Bürger und bereitete späteren Formen städtischer Autonomie den Boden.

Gleichzeitig zeigte die Belagerung von 1239, wie verletzlich dieser Status war. Die Stadt blieb eingebettet in die Machtkämpfe zwischen Fürsten und Kaiser, und wenige Jahre später führte das Aussterben der Babenberger 1246 in das Interregnum – eine weitere Phase, in der Wien und seine Bürger zwischen konkurrierenden Herrschaftsansprüchen standen.

Quellen

  1. Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Band 2, Stichwort Friedrich II. der Streitbare.
  2. AEIOU Österreich-Lexikon: Friedrich II. der Streitbare.
  3. Oberösterreich im Mittelalter – Spätes 12. und 13. Jahrhundert, Abschnitt zur Reichsacht gegen Friedrich II. und zur Reichsunmittelbarkeit Wiens.
  4. Vgl. Steine sprechen (Heft zur Denkmalpflege), Abschnitt zur Erhebung Wiens zur freien Reichsstadt.
  5. Ältere verfassungs- und verwaltungsgeschichtliche Darstellungen zur kaiserlichen Verwaltung in Österreich nach 1236.
  6. Gedächtnis des Landes Niederösterreich: Chronik-Eintrag zur Belagerung und Eroberung Wiens 1238–1239.
  7. Liste der Belagerungen Wiens, Eintrag zu 1239.
  8. Darstellung zu Friedrich II. (Österreich) in neueren Online-Lexika; vgl. auch den Eintrag in der Deutschen Biographie.
  9. Hinweise bei verfassungsgeschichtlichen Darstellungen zur Entwicklung des Wiener Stadtrechts im 13. Jahrhundert.