Genesis der Stadt von Eduard Bauernfeld: Unterschied zwischen den Versionen
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Sehr anschaulich beschreibt Eduard Bauernfeld Wien von seiner Entstehung bis zu seiner Zeit. Er schreibt von Judenverfolgung, Türkenbelagerung und den Habsburgern, aber auch Plätze der Innenstadt werden erwähnt.<br /> | |||
</mockingbird.alert> | |||
Die herrschende Juden-Dynastie | Das alte Wien, behaupten keck<br /> | ||
Fing an mit Schmuel dem Großen, | Gewisse Geschichtsverdreher,<br /> | ||
Der nach der Krönung auf Pfänder lieh | Erbauten zu ihrem Handelszweck<br /> | ||
Und schachert' mit alten Hosen. | Phönizische Hebräer.<br /> | ||
<br /> | |||
Bei Wien ward aufgefunden sein Grab | Die herrschende Juden-Dynastie<br /> | ||
Mit andern jüdischen Recken, | Fing an mit Schmuel dem Großen,<br /> | ||
Vermutlich des großen Königs Stab — | Der nach der Krönung auf Pfänder lieh<br /> | ||
Gott möge sie nimmer erwecken! | Und schachert' mit alten Hosen.<br /> | ||
<br /> | |||
Erzähl's nur meinen Lesern zum Spaß, | Bei Wien ward aufgefunden sein Grab<br /> | ||
Und nicht zu ernster Erwägung; | Mit andern jüdischen Recken,<br /> | ||
In Hormayr's Schriften findet man das, | Vermutlich des großen Königs Stab —<br /> | ||
Dabei auch die Widerlegung. | Gott möge sie nimmer erwecken!<br /> | ||
<br /> | |||
Doch angenommen, es wäre wahr, | Erzähl's nur meinen Lesern zum Spaß,<br /> | ||
Was so gefabelt die Alten, | Und nicht zu ernster Erwägung;<br /> | ||
Es hätten die Juden geherrscht, sich gar | In Hormayr's Schriften findet man das,<br /> | ||
Als Herrscher bis jetzt erhalten — | Dabei auch die Widerlegung.<br /> | ||
<br /> | |||
Von Juden würd' es wimmeln jetzt | Doch angenommen, es wäre wahr,<br /> | ||
In allen "Fakeltäten", | Was so gefabelt die Alten,<br /> | ||
Und alle Stellen wären besetzt | Es hätten die Juden geherrscht, sich gar<br /> | ||
Mit jüdischen Hofräten. | Als Herrscher bis jetzt erhalten —<br /> | ||
<br /> | |||
Es wär' ein Hebräer Referent | Von Juden würd' es wimmeln jetzt<br /> | ||
In jedem Viertel und Kreise, | In allen "Fakeltäten",<br /> | ||
Vielleicht fungierte als Präsident | Und alle Stellen wären besetzt<br /> | ||
Im Reichsrat "Nathan der Weise"; — | Mit jüdischen Hofräten.<br /> | ||
<br /> | |||
Doch säß' wohl der, längst fortgedrängt, | Es wär' ein Hebräer Referent<br /> | ||
Im "wohlverdienten" Ruhstand! | In jedem Viertel und Kreise,<br /> | ||
Ein Jud' hätt' über uns verhängt | Vielleicht fungierte als Präsident<br /> | ||
Auch den Belagerungszustand; — | Im Reichsrat "Nathan der Weise"; —<br /> | ||
<br /> | |||
Und keine Kirchen-Zeitung gäb's | Doch säß' wohl der, längst fortgedrängt,<br /> | ||
Und keine Severiner: | Im "wohlverdienten" Ruhstand!<br /> | ||
Es würden gerufen keine "Hepp's" — | Ein Jud' hätt' über uns verhängt<br /> | ||
Nicht litten's die Rabbiner. | Auch den Belagerungszustand; —<br /> | ||
<br /> | |||
Wir Christen wären unterdrückt | Und keine Kirchen-Zeitung gäb's<br /> | ||
Und unterjocht geblieben, | Und keine Severiner:<br /> | ||
Doch hätten wir uns d'rein geschickt, | Es würden gerufen keine "Hepp's" —<br /> | ||
Und später Handel getrieben. | Nicht litten's die Rabbiner.<br /> | ||
<br /> | |||
Von reichen Christen wären da | Wir Christen wären unterdrückt<br /> | ||
Erfüllt Comtoire und Buden, | Und unterjocht geblieben,<br /> | ||
Das Geld im Sack, auslachten wir ja | Doch hätten wir uns d'rein geschickt,<br /> | ||
Die dummen und armen Juden. | Und später Handel getrieben.<br /> | ||
<br /> | |||
Wir wären die Herren mit unserm Geld, | Von reichen Christen wären da<br /> | ||
Mit unserm Tauschen und Tauscheln! | Erfüllt Comtoire und Buden,<br /> | ||
Was kümmert's uns in aller Welt, | Das Geld im Sack, auslachten wir ja<br /> | ||
Daß Hofton jetzt — das Mauscheln! | Die dummen und armen Juden.<br /> | ||
<br /> | |||
Daß "Eitel Itzig" stolz behängt | Wir wären die Herren mit unserm Geld,<br /> | ||
Mit dem Kammerherren-Schlüssel, | Mit unserm Tauschen und Tauscheln!<br /> | ||
Daß als Hof-Leib-Vorschneider sich drängt | Was kümmert's uns in aller Welt,<br /> | ||
Der "Löbeles" mit der Schüssel! | Daß Hofton jetzt — das Mauscheln!<br /> | ||
<br /> | |||
Doch ist das leider aus alter Zeit | Daß "Eitel Itzig" stolz behängt<br /> | ||
Nur Fabel der Chronisten; | Mit dem Kammerherren-Schlüssel,<br /> | ||
Reich sind die Juden und gescheit, | Daß als Hof-Leib-Vorschneider sich drängt<br /> | ||
Und wir sind — arme Christen. | Der "Löbeles" mit der Schüssel!<br /> | ||
<br /> | |||
Des jüdischen Königs Schmuel Grab | Doch ist das leider aus alter Zeit<br /> | ||
Ward zwar bei Wien gefunden, | Nur Fabel der Chronisten;<br /> | ||
Doch stammen wir Wiener von Römern ab, | Reich sind die Juden und gescheit,<br /> | ||
Sind noch mit Rom verbunden. | Und wir sind — arme Christen.<br /> | ||
<br /> | |||
Vindobona nannten die Herren auf "us" | Des jüdischen Königs Schmuel Grab<br /> | ||
Die Stadt am großen Ister; | Ward zwar bei Wien gefunden,<br /> | ||
Die "Wien" war damals auch noch ein Fluß, | Doch stammen wir Wiener von Römern ab,<br /> | ||
Jetzt ist es zweifelhaft: fließt er? | Sind noch mit Rom verbunden.<br /> | ||
<br /> | |||
Nur wenn über dies Wald-Bächlein mild | Vindobona nannten die Herren auf "us"<br /> | ||
Der Gemeind'-Rat baut die Brücke, | Die Stadt am großen Ister;<br /> | ||
Da gärt es zornig und braust und schwillt, | Die "Wien" war damals auch noch ein Fluß,<br /> | ||
Und reißt den Bau in Stücke. — | Jetzt ist es zweifelhaft: fließt er?<br /> | ||
<br /> | |||
Zur Zeit des heiligen Severin | Nur wenn über dies Wald-Bächlein mild<br /> | ||
Hieß unsre Stadt Fabiana; | Der Gemeind'-Rat baut die Brücke,<br /> | ||
Spötter verdrehten's in ihrem Sinn, | Da gärt es zornig und braust und schwillt,<br /> | ||
Und nannten sie: Fadiana. | Und reißt den Bau in Stücke. —<br /> | ||
<br /> | |||
Damals gab's noch kein Concordat | Zur Zeit des heiligen Severin<br /> | ||
In jenen wilden Zeiten; | Hieß unsre Stadt Fabiana;<br /> | ||
Erst über "Grinzing" und "Heiligenstadt" | Spötter verdrehten's in ihrem Sinn,<br /> | ||
Tät Christentum sich verbreiten. | Und nannten sie: Fadiana.<br /> | ||
<br /> | |||
Die Türken umlagerten Wien einst dick, | Damals gab's noch kein Concordat<br /> | ||
Die Gläubigen an das Fatum — | In jenen wilden Zeiten;<br /> | ||
Da ward in der Stadt verspeist "horse-steak," | Erst über "Grinzing" und "Heiligenstadt"<br /> | ||
Lang ante Castellium natum. | Tät Christentum sich verbreiten.<br /> | ||
<br /> | |||
Dem Starhemberg dankt man's noch jetzt, | Die Türken umlagerten Wien einst dick,<br /> | ||
Daß Wien nicht gebebt noch gewankt hat; | Die Gläubigen an das Fatum —<br /> | ||
Die tapferen Polen haben's entsetzt — | Da ward in der Stadt verspeist "horse-steak,"<br /> | ||
Denen man auch später gedankt hat! — | Lang ante Castellium natum.<br /> | ||
<br /> | |||
Wien liegt bekanntlich am "Schanzel-Strand", | Dem Starhemberg dankt man's noch jetzt,<br /> | ||
Ist spärlich mit Wasser gesegnet; | Daß Wien nicht gebebt noch gewankt hat;<br /> | ||
Dort stecken die Schiffe tief im Sand, | Die tapferen Polen haben's entsetzt —<br /> | ||
Und warten, bis es regnet. | Denen man auch später gedankt hat! —<br /> | ||
<br /> | |||
An diesen stagnierenden Donau-Kanal | Wien liegt bekanntlich am "Schanzel-Strand",<br /> | ||
Un-Summen haben verwendet | Ist spärlich mit Wasser gesegnet;<br /> | ||
Die Wasserbau-Commissionen — zumal | Dort stecken die Schiffe tief im Sand,<br /> | ||
D'ran ihren Geist verschwendet. | Und warten, bis es regnet.<br /> | ||
<br /> | |||
Eng sind Wien's Gassen, Haus an Haus, | An diesen stagnierenden Donau-Kanal<br /> | ||
D'rin ist nicht länger zu bleiben; | Un-Summen haben verwendet<br /> | ||
D'rum rückt zur großen Donau hinaus, | Die Wasserbau-Commissionen — zumal<br /> | ||
Dann könnt Ihr Handel treiben. | D'ran ihren Geist verschwendet.<br /> | ||
<br /> | |||
Der Rat ist gut, auch ausführbar, | Eng sind Wien's Gassen, Haus an Haus,<br /> | ||
So däucht uns, allerwegen; | D'rin ist nicht länger zu bleiben;<br /> | ||
Doch hör' ich, es stehen Bedenken — und zwar | D'rum rückt zur großen Donau hinaus,<br /> | ||
Politische entgegen. | Dann könnt Ihr Handel treiben.<br /> | ||
<br /> | |||
Das Verschieben selber kein Hindernis; sei — | Der Rat ist gut, auch ausführbar,<br /> | ||
So hieß es — d'rin habe man Übung; | So däucht uns, allerwegen;<br /> | ||
Doch rückten zu fern wir von der Türkei | Doch hör' ich, es stehen Bedenken — und zwar<br /> | ||
Durch diese Stadt-Verschiebung! | Politische entgegen.<br /> | ||
<br /> | |||
Auch kämen wir Deutschland gar zu nah' — | Das Verschieben selber kein Hindernis; sei —<br /> | ||
Zwar von der katholischen Seite, | So hieß es — d'rin habe man Übung;<br /> | ||
Doch bei dem Eisen-Netz geht's ja | Doch rückten zu fern wir von der Türkei<br /> | ||
Gleich in's protestantische Weite. | Durch diese Stadt-Verschiebung!<br /> | ||
<br /> | |||
Es ist ein alt-bekannter Satz: | Auch kämen wir Deutschland gar zu nah' —<br /> | ||
Wer lange feilscht, der kauft nicht! | Zwar von der katholischen Seite,<br /> | ||
Es blieb auch Wien auf dem alten Platz, | Doch bei dem Eisen-Netz geht's ja<br /> | ||
Und das Wasser am Schanzel lauft nicht. | Gleich in's protestantische Weite.<br /> | ||
<br /> | |||
Sonst lebt man recht gemütlich hier, | Es ist ein alt-bekannter Satz:<br /> | ||
Besonders seit den Reformen; | Wer lange feilscht, der kauft nicht!<br /> | ||
Wir haben viel Aktien und Papier, | Es blieb auch Wien auf dem alten Platz,<br /> | ||
Die Beamten tragen Un'formen. | Und das Wasser am Schanzel lauft nicht.<br /> | ||
<br /> | |||
Wien selber mit seinem Stephansturm | Sonst lebt man recht gemütlich hier,<br /> | ||
Ist so ein Welt-Überbleibsel; | Besonders seit den Reformen;<br /> | ||
Man fühlt sich vor dem Dom wie ein Wurm | Wir haben viel Aktien und Papier,<br /> | ||
Mit seinem modernen Geschreibsel! | Die Beamten tragen Un'formen.<br /> | ||
<br /> | |||
Vor dieser dunklen, gefrornen Musik | Wien selber mit seinem Stephansturm<br /> | ||
Ist, was wir schaffen, vom Übel! | Ist so ein Welt-Überbleibsel;<br /> | ||
Man sammelt sich erst, fällt trunken der Blick | Man fühlt sich vor dem Dom wie ein Wurm<br /> | ||
Auf die neu angemeißelten Giebel. | Mit seinem modernen Geschreibsel!<br /> | ||
<br /> | |||
Da denkt man, wer das geleistet hat, | Vor dieser dunklen, gefrornen Musik<br /> | ||
Und kehrt in's Dasein zurücke, | Ist, was wir schaffen, vom Übel!<br /> | ||
Da denkt man an den Gemeinde-Rat | Man sammelt sich erst, fällt trunken der Blick<br /> | ||
Und an die zerfallene Brücke. | Auf die neu angemeißelten Giebel.<br /> | ||
<br /> | |||
Zerfallen ist Alles, zerfallen auch wir, | Da denkt man, wer das geleistet hat,<br /> | ||
Zerfasert das ganze Leben — | Und kehrt in's Dasein zurücke,<br /> | ||
Was war das vor Jahrhunderten hier | Da denkt man an den Gemeinde-Rat<br /> | ||
Für ein anderes Streben und Weben! | Und an die zerfallene Brücke.<br /> | ||
<br /> | |||
Die "Brandstatt" dort! In Ritterpracht | Zerfallen ist Alles, zerfallen auch wir,<br /> | ||
Da zog man zum Turnier aus; | Zerfasert das ganze Leben —<br /> | ||
Wo dem Sieger die Dam' einst zugelacht, | Was war das vor Jahrhunderten hier<br /> | ||
Steht jetzt ein elendes Bierhaus. | Für ein anderes Streben und Weben!<br /> | ||
<br /> | |||
War Mummenschanz und Tanz und Schmaus | Die "Brandstatt" dort! In Ritterpracht<br /> | ||
Des lust'gen Bildes Rahmen; | Da zog man zum Turnier aus;<br /> | ||
Hatt' and're Miene Mensch und Haus — | Wo dem Sieger die Dam' einst zugelacht,<br /> | ||
Sie trugen auch andere Namen. | Steht jetzt ein elendes Bierhaus.<br /> | ||
<br /> | |||
Der "Baumschaber" hieß ein Bürger der Stadt, | War Mummenschanz und Tanz und Schmaus<br /> | ||
Der Namen ist keine Fabel, | Des lust'gen Bildes Rahmen;<br /> | ||
Der sich bis heut' auch erhalten hat | Hatt' and're Miene Mensch und Haus —<br /> | ||
Im Wiener-Wort: "Bamschabel!" | Sie trugen auch andere Namen.<br /> | ||
<br /> | |||
"Bamschabel" schwankt so hin und her; | Der "Baumschaber" hieß ein Bürger der Stadt,<br /> | ||
Der Mann, von dem es stammte, | Der Namen ist keine Fabel,<br /> | ||
War 'n simpler Bürger — doch paßt's auch sehr | Der sich bis heut' auch erhalten hat<br /> | ||
Auf hochgestellte Beamte. | Im Wiener-Wort: "Bamschabel!"<br /> | ||
<br /> | |||
Einst kannt' ich Einen, hieß Excellenz, | "Bamschabel" schwankt so hin und her;<br /> | ||
Man folgte seinem Rate, | Der Mann, von dem es stammte,<br /> | ||
Und Alles erwies ihm Reverenz, | War 'n simpler Bürger — doch paßt's auch sehr<br /> | ||
War Einer der Ersten im Staate. | Auf hochgestellte Beamte.<br /> | ||
<br /> | |||
Ein Mann von vierzig "Bamschabel-Kraft!" | Einst kannt' ich Einen, hieß Excellenz,<br /> | ||
Man kann sie auch sonst noch wählen | Man folgte seinem Rate,<br /> | ||
In Akademien der Wissenschaft, | Und Alles erwies ihm Reverenz,<br /> | ||
Wo sie wie Andere zählen. | War Einer der Ersten im Staate.<br /> | ||
<br /> | |||
"Bamschabel" heißt — borniert! doch nein! | Ein Mann von vierzig "Bamschabel-Kraft!"<br /> | ||
Man kann's nicht explizieren, | Man kann sie auch sonst noch wählen<br /> | ||
Man muß ein geborner Wiener sein, | In Akademien der Wissenschaft,<br /> | ||
Das Wort ganz zu goutiren. | Wo sie wie Andere zählen.<br /> | ||
<br /> | |||
Es haben sich viel erhalten noch | "Bamschabel" heißt — borniert! doch nein!<br /> | ||
Von den älteren Straßen-Namen, | Man kann's nicht explizieren,<br /> | ||
Von denen die wenigsten jedoch | Man muß ein geborner Wiener sein,<br /> | ||
Auf unsere Tage kamen. | Das Wort ganz zu goutiren.<br /> | ||
<br /> | |||
Der "Heidenschuß" noch übrig ist, | Es haben sich viel erhalten noch<br /> | ||
Etwa "der Stock im Eisen;" | Von den älteren Straßen-Namen,<br /> | ||
"Freiung" hieß damals: "auf dem Mist" — | Von denen die wenigsten jedoch<br /> | ||
Könnt' jetzt auch noch so heißen! | Auf unsere Tage kamen.<br /> | ||
<br /> | |||
"Im Elend" hieß ein schmutz'ger Ort, | Der "Heidenschuß" noch übrig ist,<br /> | ||
Wo Verbrecher und Arme gewinselt; | Etwa "der Stock im Eisen;"<br /> | ||
Doch wischte man längst das "Elend" fort, | "Freiung" hieß damals: "auf dem Mist" —<br /> | ||
Hat "Salzgries" d'rüber gepinselt. | Könnt' jetzt auch noch so heißen!<br /> | ||
<br /> | |||
Die Dinge zu nennen, wie sie sind — | "Im Elend" hieß ein schmutz'ger Ort,<br /> | ||
War uns'rer Väter Treiben; | Wo Verbrecher und Arme gewinselt;<br /> | ||
Wir wischen die Namen weg geschwind, | Doch wischte man längst das "Elend" fort,<br /> | ||
Die schmutzigen Dinge bleiben. | Hat "Salzgries" d'rüber gepinselt.<br /> | ||
<br /> | |||
Im Ganzen das Leben behaglich war | Die Dinge zu nennen, wie sie sind —<br /> | ||
Im alten Österreiche; | War uns'rer Väter Treiben;<br /> | ||
Nicht mangelt' es an Torheit zwar, | Wir wischen die Namen weg geschwind,<br /> | ||
Doch gab's auch lustige Streiche. | Die schmutzigen Dinge bleiben.<br /> | ||
<br /> | |||
Gab Minnesänger in Amt und Kraft, | Im Ganzen das Leben behaglich war<br /> | ||
Reimsprecher in Östreicher-Landen; | Im alten Österreiche;<br /> | ||
Als der Ernst kam, wurden sie abgeschafft | Nicht mangelt' es an Torheit zwar,<br /> | ||
So unter den Ferdinanden. | Doch gab's auch lustige Streiche.<br /> | ||
<br /> | |||
Doch sonst war zwischen Volk und Fürst | Gab Minnesänger in Amt und Kraft,<br /> | ||
Ein Verhältnis patriarchalisch; | Reimsprecher in Östreicher-Landen;<br /> | ||
Sie schenkten oft sich Wein und Wurst' | Als der Ernst kam, wurden sie abgeschafft<br /> | ||
Und schmausten bacchanalisch. | So unter den Ferdinanden.<br /> | ||
<br /> | |||
Trotz alledem möcht' ich mein Lob | Doch sonst war zwischen Volk und Fürst<br /> | ||
Des Mittelalters beschränken; | Ein Verhältnis patriarchalisch;<br /> | ||
Die Leute waren da derb und grob — | Sie schenkten oft sich Wein und Wurst'<br /> | ||
Das muß man auch bedenken. | Und schmausten bacchanalisch.<br /> | ||
<br /> | |||
Die Ritter soffen die Humpen aus | Trotz alledem möcht' ich mein Lob<br /> | ||
Und taten nichts als rauben; | Des Mittelalters beschränken;<br /> | ||
Auch herrscht' überall in Hof und Haus | Die Leute waren da derb und grob —<br /> | ||
Der krasseste Aberglauben. | Das muß man auch bedenken.<br /> | ||
<br /> | |||
Die Kaufleut' zog man aus ganz nackt, | Die Ritter soffen die Humpen aus<br /> | ||
Reisten sie hin zur Messe; | Und taten nichts als rauben;<br /> | ||
Das Volk hatt' mit dem Teufel Pakt — | Auch herrscht' überall in Hof und Haus<br /> | ||
So kamen die Hexen-Prozesse. | Der krasseste Aberglauben.<br /> | ||
<br /> | |||
Von Recht und Sitte keine Spur! | Die Kaufleut' zog man aus ganz nackt,<br /> | ||
Der Richter glich dem Haufen; | Reisten sie hin zur Messe;<br /> | ||
Gerichtsverfahren die Tortur — | Das Volk hatt' mit dem Teufel Pakt —<br /> | ||
Die's aushielten, ließ man laufen. | So kamen die Hexen-Prozesse.<br /> | ||
<br /> | |||
Die Übrigen wurden nach Herzenslust | Von Recht und Sitte keine Spur!<br /> | ||
Gespießt, gerädert, gevierteilt, | Der Richter glich dem Haufen;<br /> | ||
Das Herz gerissen aus der Brust — | Gerichtsverfahren die Tortur —<br /> | ||
So wurde damals geurteilt. | Die's aushielten, ließ man laufen.<br /> | ||
<br /> | |||
Dem freilich trat man entgegen scharf | Die Übrigen wurden nach Herzenslust<br /> | ||
Schon unter der großen Theresia, | Gespießt, gerädert, gevierteilt,<br /> | ||
Von der es wahrlich nicht heißen darf: | Das Herz gerissen aus der Brust —<br /> | ||
"Mulier taceat in ecclesia!" | So wurde damals geurteilt.<br /> | ||
<br /> | |||
Fromm, aber Vorurteilen fern, | Dem freilich trat man entgegen scharf<br /> | ||
Ging denen auch kräftig zu Leibe; | Schon unter der großen Theresia,<br /> | ||
Fürwahr, es lag ein tücht'ger Kern | Von der es wahrlich nicht heißen darf:<br /> | ||
In diesem männlichen Weibe. | "Mulier taceat in ecclesia!"<br /> | ||
<br /> | |||
Noch weiter ging ihr edler Sohn | Fromm, aber Vorurteilen fern,<br /> | ||
Von reformatorischer Seite; | Ging denen auch kräftig zu Leibe;<br /> | ||
Der Feuer-Eifer auf dem Thron | Fürwahr, es lag ein tücht'ger Kern<br /> | ||
Nennt sich: "Joseph der Zweite!" | In diesem männlichen Weibe.<br /> | ||
<br /> | |||
Hemmungen mancher Art erfuhr | Noch weiter ging ihr edler Sohn<br /> | ||
Sein Geist, sein ungestümer; | Von reformatorischer Seite;<br /> | ||
Der Eifer war ein König — nur | Der Feuer-Eifer auf dem Thron<br /> | ||
Vielleicht kein legitimer! | Nennt sich: "Joseph der Zweite!"<br /> | ||
<br /> | |||
Die Leute von damals fest und steif | Hemmungen mancher Art erfuhr<br /> | ||
Versicherten, daß sie glaubten, | Sein Geist, sein ungestümer;<br /> | ||
Die Zeit zu Reformen sei noch nicht reif | Der Eifer war ein König — nur<br /> | ||
Was Leute von jetzt auch behaupten. | Vielleicht kein legitimer!<br /> | ||
<br /> | |||
Sei's wie es sei! Ich entscheide nichts. | Die Leute von damals fest und steif<br /> | ||
Nur so viel: die munteren Wiener | Versicherten, daß sie glaubten,<br /> | ||
Verwandelten sich Angesichts | Die Zeit zu Reformen sei noch nicht reif<br /> | ||
Josephs — in Josephiner. | Was Leute von jetzt auch behaupten.<br /> | ||
<br /> | |||
So über ein halbes Sekulum | Sei's wie es sei! Ich entscheide nichts.<br /> | ||
Läuft auf Kohlmarkt und Graben | Nur so viel: die munteren Wiener<br /> | ||
Eine Menge kleiner Josephs herum, | Verwandelten sich Angesichts<br /> | ||
Die Männer wie die Knaben. | Josephs — in Josephiner.<br /> | ||
<br /> | |||
Theresia und Joseph sind | So über ein halbes Sekulum<br /> | ||
Uns Allen in's Herz geschrieben, | Läuft auf Kohlmarkt und Graben<br /> | ||
Und was sie säten, verweht kein Wind | Eine Menge kleiner Josephs herum,<br /> | ||
Der Samen hat getrieben. | Die Männer wie die Knaben.<br /> | ||
<br /> | |||
D'rum, liebe Herrn, beherzigt das! | Theresia und Joseph sind<br /> | ||
Denn sollen wir nicht zurücksteh'n, | Uns Allen in's Herz geschrieben,<br /> | ||
So dürft Ihr uns nicht ohn' Unterlaß | Und was sie säten, verweht kein Wind<br /> | ||
Die alte Geschichte zurückdreh'n. | Der Samen hat getrieben.<br /> | ||
<br /> | |||
Zwar Frömmigkeit gilt heute noch — | D'rum, liebe Herrn, beherzigt das!<br /> | ||
Wer wollte die verbannen! | Denn sollen wir nicht zurücksteh'n,<br /> | ||
Doch in ein gar zu enges Joch | So dürft Ihr uns nicht ohn' Unterlaß<br /> | ||
Muß man den Geist nicht spannen. | Die alte Geschichte zurückdreh'n.<br /> | ||
<br /> | |||
Was hälf' es auch? Es schafft die Zeit | Zwar Frömmigkeit gilt heute noch —<br /> | ||
Sich selber ihre Normen; | Wer wollte die verbannen!<br /> | ||
Der Stoff ist ewig — von Ewigkeit | Doch in ein gar zu enges Joch<br /> | ||
Sind aber nicht die Formen. | Muß man den Geist nicht spannen.<br /> | ||
<br /> | |||
Ein neuer Bau beginnt — darum | Was hälf' es auch? Es schafft die Zeit<br /> | ||
Helft schaffen am Gebäude, | Sich selber ihre Normen;<br /> | ||
Macht nicht das Volk verstockt und dumm, | Der Stoff ist ewig — von Ewigkeit<br /> | ||
Gönnt ihnen Lebensfreude. | Sind aber nicht die Formen.<br /> | ||
<br /> | |||
Glaubt mir, die Welt steht fest und breit, | Ein neuer Bau beginnt — darum<br /> | ||
Läßt sich nicht schieben und rücken, | Helft schaffen am Gebäude,<br /> | ||
Und in die ausgelebte Zeit | Macht nicht das Volk verstockt und dumm,<br /> | ||
Da führen keine Brücken! | Gönnt ihnen Lebensfreude.<br /> | ||
<br /> | |||
Glaubt mir, die Welt steht fest und breit,<br /> | |||
Läßt sich nicht schieben und rücken,<br /> | |||
Und in die ausgelebte Zeit<br /> | |||
Da führen keine Brücken!<br /> | |||
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[[Kategorie:Gedichte zur Innenstadt]] | [[Kategorie:Gedichte zur Innenstadt]] | ||
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Aktuelle Version vom 21. März 2024, 17:01 Uhr
Das alte Wien, behaupten keck
Gewisse Geschichtsverdreher,
Erbauten zu ihrem Handelszweck
Phönizische Hebräer.
Die herrschende Juden-Dynastie
Fing an mit Schmuel dem Großen,
Der nach der Krönung auf Pfänder lieh
Und schachert' mit alten Hosen.
Bei Wien ward aufgefunden sein Grab
Mit andern jüdischen Recken,
Vermutlich des großen Königs Stab —
Gott möge sie nimmer erwecken!
Erzähl's nur meinen Lesern zum Spaß,
Und nicht zu ernster Erwägung;
In Hormayr's Schriften findet man das,
Dabei auch die Widerlegung.
Doch angenommen, es wäre wahr,
Was so gefabelt die Alten,
Es hätten die Juden geherrscht, sich gar
Als Herrscher bis jetzt erhalten —
Von Juden würd' es wimmeln jetzt
In allen "Fakeltäten",
Und alle Stellen wären besetzt
Mit jüdischen Hofräten.
Es wär' ein Hebräer Referent
In jedem Viertel und Kreise,
Vielleicht fungierte als Präsident
Im Reichsrat "Nathan der Weise"; —
Doch säß' wohl der, längst fortgedrängt,
Im "wohlverdienten" Ruhstand!
Ein Jud' hätt' über uns verhängt
Auch den Belagerungszustand; —
Und keine Kirchen-Zeitung gäb's
Und keine Severiner:
Es würden gerufen keine "Hepp's" —
Nicht litten's die Rabbiner.
Wir Christen wären unterdrückt
Und unterjocht geblieben,
Doch hätten wir uns d'rein geschickt,
Und später Handel getrieben.
Von reichen Christen wären da
Erfüllt Comtoire und Buden,
Das Geld im Sack, auslachten wir ja
Die dummen und armen Juden.
Wir wären die Herren mit unserm Geld,
Mit unserm Tauschen und Tauscheln!
Was kümmert's uns in aller Welt,
Daß Hofton jetzt — das Mauscheln!
Daß "Eitel Itzig" stolz behängt
Mit dem Kammerherren-Schlüssel,
Daß als Hof-Leib-Vorschneider sich drängt
Der "Löbeles" mit der Schüssel!
Doch ist das leider aus alter Zeit
Nur Fabel der Chronisten;
Reich sind die Juden und gescheit,
Und wir sind — arme Christen.
Des jüdischen Königs Schmuel Grab
Ward zwar bei Wien gefunden,
Doch stammen wir Wiener von Römern ab,
Sind noch mit Rom verbunden.
Vindobona nannten die Herren auf "us"
Die Stadt am großen Ister;
Die "Wien" war damals auch noch ein Fluß,
Jetzt ist es zweifelhaft: fließt er?
Nur wenn über dies Wald-Bächlein mild
Der Gemeind'-Rat baut die Brücke,
Da gärt es zornig und braust und schwillt,
Und reißt den Bau in Stücke. —
Zur Zeit des heiligen Severin
Hieß unsre Stadt Fabiana;
Spötter verdrehten's in ihrem Sinn,
Und nannten sie: Fadiana.
Damals gab's noch kein Concordat
In jenen wilden Zeiten;
Erst über "Grinzing" und "Heiligenstadt"
Tät Christentum sich verbreiten.
Die Türken umlagerten Wien einst dick,
Die Gläubigen an das Fatum —
Da ward in der Stadt verspeist "horse-steak,"
Lang ante Castellium natum.
Dem Starhemberg dankt man's noch jetzt,
Daß Wien nicht gebebt noch gewankt hat;
Die tapferen Polen haben's entsetzt —
Denen man auch später gedankt hat! —
Wien liegt bekanntlich am "Schanzel-Strand",
Ist spärlich mit Wasser gesegnet;
Dort stecken die Schiffe tief im Sand,
Und warten, bis es regnet.
An diesen stagnierenden Donau-Kanal
Un-Summen haben verwendet
Die Wasserbau-Commissionen — zumal
D'ran ihren Geist verschwendet.
Eng sind Wien's Gassen, Haus an Haus,
D'rin ist nicht länger zu bleiben;
D'rum rückt zur großen Donau hinaus,
Dann könnt Ihr Handel treiben.
Der Rat ist gut, auch ausführbar,
So däucht uns, allerwegen;
Doch hör' ich, es stehen Bedenken — und zwar
Politische entgegen.
Das Verschieben selber kein Hindernis; sei —
So hieß es — d'rin habe man Übung;
Doch rückten zu fern wir von der Türkei
Durch diese Stadt-Verschiebung!
Auch kämen wir Deutschland gar zu nah' —
Zwar von der katholischen Seite,
Doch bei dem Eisen-Netz geht's ja
Gleich in's protestantische Weite.
Es ist ein alt-bekannter Satz:
Wer lange feilscht, der kauft nicht!
Es blieb auch Wien auf dem alten Platz,
Und das Wasser am Schanzel lauft nicht.
Sonst lebt man recht gemütlich hier,
Besonders seit den Reformen;
Wir haben viel Aktien und Papier,
Die Beamten tragen Un'formen.
Wien selber mit seinem Stephansturm
Ist so ein Welt-Überbleibsel;
Man fühlt sich vor dem Dom wie ein Wurm
Mit seinem modernen Geschreibsel!
Vor dieser dunklen, gefrornen Musik
Ist, was wir schaffen, vom Übel!
Man sammelt sich erst, fällt trunken der Blick
Auf die neu angemeißelten Giebel.
Da denkt man, wer das geleistet hat,
Und kehrt in's Dasein zurücke,
Da denkt man an den Gemeinde-Rat
Und an die zerfallene Brücke.
Zerfallen ist Alles, zerfallen auch wir,
Zerfasert das ganze Leben —
Was war das vor Jahrhunderten hier
Für ein anderes Streben und Weben!
Die "Brandstatt" dort! In Ritterpracht
Da zog man zum Turnier aus;
Wo dem Sieger die Dam' einst zugelacht,
Steht jetzt ein elendes Bierhaus.
War Mummenschanz und Tanz und Schmaus
Des lust'gen Bildes Rahmen;
Hatt' and're Miene Mensch und Haus —
Sie trugen auch andere Namen.
Der "Baumschaber" hieß ein Bürger der Stadt,
Der Namen ist keine Fabel,
Der sich bis heut' auch erhalten hat
Im Wiener-Wort: "Bamschabel!"
"Bamschabel" schwankt so hin und her;
Der Mann, von dem es stammte,
War 'n simpler Bürger — doch paßt's auch sehr
Auf hochgestellte Beamte.
Einst kannt' ich Einen, hieß Excellenz,
Man folgte seinem Rate,
Und Alles erwies ihm Reverenz,
War Einer der Ersten im Staate.
Ein Mann von vierzig "Bamschabel-Kraft!"
Man kann sie auch sonst noch wählen
In Akademien der Wissenschaft,
Wo sie wie Andere zählen.
"Bamschabel" heißt — borniert! doch nein!
Man kann's nicht explizieren,
Man muß ein geborner Wiener sein,
Das Wort ganz zu goutiren.
Es haben sich viel erhalten noch
Von den älteren Straßen-Namen,
Von denen die wenigsten jedoch
Auf unsere Tage kamen.
Der "Heidenschuß" noch übrig ist,
Etwa "der Stock im Eisen;"
"Freiung" hieß damals: "auf dem Mist" —
Könnt' jetzt auch noch so heißen!
"Im Elend" hieß ein schmutz'ger Ort,
Wo Verbrecher und Arme gewinselt;
Doch wischte man längst das "Elend" fort,
Hat "Salzgries" d'rüber gepinselt.
Die Dinge zu nennen, wie sie sind —
War uns'rer Väter Treiben;
Wir wischen die Namen weg geschwind,
Die schmutzigen Dinge bleiben.
Im Ganzen das Leben behaglich war
Im alten Österreiche;
Nicht mangelt' es an Torheit zwar,
Doch gab's auch lustige Streiche.
Gab Minnesänger in Amt und Kraft,
Reimsprecher in Östreicher-Landen;
Als der Ernst kam, wurden sie abgeschafft
So unter den Ferdinanden.
Doch sonst war zwischen Volk und Fürst
Ein Verhältnis patriarchalisch;
Sie schenkten oft sich Wein und Wurst'
Und schmausten bacchanalisch.
Trotz alledem möcht' ich mein Lob
Des Mittelalters beschränken;
Die Leute waren da derb und grob —
Das muß man auch bedenken.
Die Ritter soffen die Humpen aus
Und taten nichts als rauben;
Auch herrscht' überall in Hof und Haus
Der krasseste Aberglauben.
Die Kaufleut' zog man aus ganz nackt,
Reisten sie hin zur Messe;
Das Volk hatt' mit dem Teufel Pakt —
So kamen die Hexen-Prozesse.
Von Recht und Sitte keine Spur!
Der Richter glich dem Haufen;
Gerichtsverfahren die Tortur —
Die's aushielten, ließ man laufen.
Die Übrigen wurden nach Herzenslust
Gespießt, gerädert, gevierteilt,
Das Herz gerissen aus der Brust —
So wurde damals geurteilt.
Dem freilich trat man entgegen scharf
Schon unter der großen Theresia,
Von der es wahrlich nicht heißen darf:
"Mulier taceat in ecclesia!"
Fromm, aber Vorurteilen fern,
Ging denen auch kräftig zu Leibe;
Fürwahr, es lag ein tücht'ger Kern
In diesem männlichen Weibe.
Noch weiter ging ihr edler Sohn
Von reformatorischer Seite;
Der Feuer-Eifer auf dem Thron
Nennt sich: "Joseph der Zweite!"
Hemmungen mancher Art erfuhr
Sein Geist, sein ungestümer;
Der Eifer war ein König — nur
Vielleicht kein legitimer!
Die Leute von damals fest und steif
Versicherten, daß sie glaubten,
Die Zeit zu Reformen sei noch nicht reif
Was Leute von jetzt auch behaupten.
Sei's wie es sei! Ich entscheide nichts.
Nur so viel: die munteren Wiener
Verwandelten sich Angesichts
Josephs — in Josephiner.
So über ein halbes Sekulum
Läuft auf Kohlmarkt und Graben
Eine Menge kleiner Josephs herum,
Die Männer wie die Knaben.
Theresia und Joseph sind
Uns Allen in's Herz geschrieben,
Und was sie säten, verweht kein Wind
Der Samen hat getrieben.
D'rum, liebe Herrn, beherzigt das!
Denn sollen wir nicht zurücksteh'n,
So dürft Ihr uns nicht ohn' Unterlaß
Die alte Geschichte zurückdreh'n.
Zwar Frömmigkeit gilt heute noch —
Wer wollte die verbannen!
Doch in ein gar zu enges Joch
Muß man den Geist nicht spannen.
Was hälf' es auch? Es schafft die Zeit
Sich selber ihre Normen;
Der Stoff ist ewig — von Ewigkeit
Sind aber nicht die Formen.
Ein neuer Bau beginnt — darum
Helft schaffen am Gebäude,
Macht nicht das Volk verstockt und dumm,
Gönnt ihnen Lebensfreude.
Glaubt mir, die Welt steht fest und breit,
Läßt sich nicht schieben und rücken,
Und in die ausgelebte Zeit
Da führen keine Brücken!