Die Vision im Thronsaal

Aus City ABC

Sagen und Legenden
Die Vision im Thronsaal
Relevante Orte: Hofburg

Im Jahre 1789 zur mitternächtlichen Geisterstunde machte der Graf O'Donell mit der Burgwache die Runde durch die Räume der Hofburg und kam dabei in den Thronsaal, der in einem fahlen Lichte lag.

Die Eintretenden blieben tief betroffen stehen, denn zu ihrem höchsten Erstaunen erblickten sie die Erzherzogin Elisabeth, die junge Gemahlin des Thronfolgers Erzherzog Franz, in einem kaiserlichen Prunkgewand vollkommen regungslos auf dem Thronsessel sitzend. Nur ihre Augen verrieten eine hoheitsvolle Abwehr, sonst schien sie in ihrer auffallenden Starrheit ein unheimliches Scheindasein zu führen. Da es bekannt war, dass die Erzherzogin längst ihr Schlafgemach aufgesucht hatte, fand es O'Donell für gut, die diensttuende Hofdame eilends von dem Spuk im Thronsaal zu unterrichten, die den sonderbaren Vorfall sofort der Erzherzogin, die noch wach war, mitteilte.

Elisabeth begab sich kurz entschlossen mit der Wache in den Saal, wo auch sie bestürzt das noch immer unbeweglich thronende Abbild von sich selbst sah und sogleich der Wache befahl, auf dasselbe zu schießen, worauf die unheildrohende Erscheinung in nichts zerfloss.

Drei Monate später starb Elisabeth im Kindbett am 18. Februar 1790.[1]

Der wahre Kern der Legende:

Elisabeth Wilhelmine Louise von Württemberg (* 21. April 1767 in Treptow an der Rega; † 18. Februar 1790 in Wien) war tatsächlich die Ehefrau des Erzherzog Franz, dem Neffen des Kaisers Joseph II., der später als Kaisers Franz bekannt wurde. 1782 kam Elisabeth nach Wien und wurde hier, im Salesianerinnenkloster zur späteren Regentin erzogen. Am 6. Januar 1788 fand in Wien die Hochzeit statt.

Joseph II. kümmerte sich besonders um das Mädchen, die es ihm mit ihrem jugendlichem Charme dankte. Elisabeth wurde 1789 schwanger, litt jedoch an dieser Schwangerschaft, die Sorge um den mittlerweile schwer erkrankten Kaiser trug dazu bei.

Als der Kaiser am 15.2.1790 die letzte Ölung empfangen hatte, durfte auch Elisabeth endlich zu ihm - bis dahin war ihr der Besuch nicht gestattet worden, man fürchtete, dass der schlechte Zustand des Kaisers sie zu sehr mitnehmen würde. Der Besuch fand im Dunklen statt, dafür hatte der Kaiser gesorgt, doch Elisabeth fiel trotzdem in Ohnmacht, als sie den schwerkranken Mann sah. Am 17. Februar kam ihr Kind - nach 24 Stunden Wehen - mit einer Notoperation vorzeitig auf die Welt, und überlebte immerhin noch ein Jahr lang. Elisabeth starb am 18. Februar, einen Tag nach der Geburt.

Der Kaiser überlebte sie um zwei Tage, er schloss am 20.2.1790 für immer seine Augen.


Gehe weiter zu Die weiße Frau

Gehe zurück zu Hofburg

Quellen

  1. Quelle: Gugitz, Gustav, Die Sagen und Legenden der Stadt Wien, Wien 1952, S. 155