Wo die Jungfrau zum Fenster hinaussieht am Alserbache

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Wo die Jungfrau zum Fenster hinaussieht am Alserbache Relevante Orte: Arne-Karlsson-Park, Nußdorfer Straße 21
St. Johanneskapelle beim Lazarett.jpg
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Die Gegend am Alserbach, nächst der Thury-Vorstadt, war zur Zeit der im Jahre 1410 herrschenden Pest der Schauplatz einer tragischen Begebenheit, die noch heut zu Tage in der Sage der Jungfer, die zum Fenster hinaussieht, fortlebt.

Im Spitale zum Sichenals lebte damals ein junger, rüstiger Krankenwärter, der allgemein beliebt war und sich immer als ein sorgsamer Pfleger der Leidenden bewiesen hatte. Seit einiger Zeit wollte man jedoch in seinem Betragen gegen die Kranken eine Veränderung bemerkt haben. Man glaubte die Ursache in einem Liebesverhältnisse suchen zu müssen, worin er mit einem Mädchen stand, das, in einem benachbarten Hause wohnend, sich häufig am Fenster zeigte, um mit ihrem Geliebten, so oft es sein Dienst gestattete, zu liebäugeln.

Dass ein junger Bursche und ein noch jüngeres Mädchen sich lieben, ist keine ungewöhnliche Sache - dass sie aber ihre Herzenssache zu einer Zeit, wo der Knochenmann so viele Opfer dahinraffte, so offen an den Tag legten, das fanden sie Siechalser nicht in Ordnung und sie verkündeten dem losen Handel ein böses Ende.

Ganz besonders schien das Mädchen von Liebe entbrannt zu sein, denn es gab keiner Ermahnung die Schicklichkeit zu beachten Gehör, sondern erschien nach wie vor am Fenster, um nach dem Geliebten oder wenigstens nach der Spitalspforte, woraus er treten musste, zu blicken. Da der Bursche jede Gelegenheit eifrig ergriff, sich hier der Geliebten zu zeigen, so kann man sich ihre Ungeduld vorstellen, als der Erwartete eines Tages gar nicht zum Vorschein kam.

Eine stürmische Nacht folgte diesem Tage; schwere Wetterwolken waren in den Gebirgen niedergegangen. Als der Morgen heranbrach, schwoll der Alserbach hoch an. Das Mädchen war während der ganzen Nacht nicht vom Fenster gewichen und sah auch jetzt in den vorüberbrausenden Bach hinab, auf welchem ein Leichnam schwamm, worin die Unglückliche ihren Geliebten erkannte.

Er war in wenigen Stunde eine Beute der Seuche geworden, und nach seinem Hinscheiden hatte sich gezeigt, dass er sich viele Habseligkeiten seiner Kranken zugeeignet hatte, die im Siechenhase gestorben waren. Diese Entdeckung erweckte in den Bewohnern des Spitals den Verdacht, der Tote möge wohl aus Habsucht Manchen aus der Welt geschafft haben, den die Krankheit verschon hätte. Sie warfen seinen Leichnam daher - statt ihn zu beerdigen . in den Alserbach.

Das Mädchen kam nicht mehr zur Besinnung. Sie stürzte sich aus ihrem Fenster ebenfalls in den Bach. In der Umgebung verbreitete sich die Sage, die im Stande der Ungnade Dahingegangene habe in dem Wellengrabe keine Ruhe gefunden und harre zu gewissen Zeiten, an demselben Fenster, aus welchem sie den Geliebten so oft gesehen und den Todessprung getan habe, der Stunde ihrer Erlösung.

Das Haus führt noch den Namen "Wo die Jungfrau zum Fenster hinaussieht". [2]

Das Pestlazarett am Alserbach gab es tatsächlich, es ist am Vogelschauplan von Joseph Daniel von Huber (1730-1788) zu sehen. Es dürfte bereits 1298 bestanden haben, damals wurde es vor allem für die Verbringung der Leprakranken aus der Stadt genutzt ("Johannes in der Siechenals"). Durch die Türken 1529 zerstört, wurde es an der Stelle wieder aufgebaut, an der dann das Bürger-Versorgungshaus stand, und von da an für Pesterkrankte genutzt. Das Spital verlor 1714 seine Bestimmung, blieb aber bis 1766 für allfällige Seuchen noch bestehen und wurde als Soldatenspital verwendet. Nach einer Integration der Gebäude in das Allgemeine Krankenhaus kam es 1857 zu einer Rückgabe an die Stadt. Zwischen 1922 und 1928 wurden die Gebäude abgerissen, an ihrer Stelle wurde der Arne-Karlsson-Park angelegt. [3] Die Als floss damals noch durch die heutige Spitalgasse.

Ebenfalls einen wahren Kern dürfte die Legende auch betreffend der Diebstähle in dem Lazarett haben. 1679 erregte ein Prozess Aufsehen, bei dem es um solche schweren Verfehlungen ging. Viele Personen erhielten schwere Strafen, der Lazaretts-Vorsteher wurde sogar zum Tod verurteilt.[4]



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Quellen

  1. Jakob Blümel: Die Geschichte der Entwicklung der Wiener Vorstädte: nach authentischen Quellen zusammengestellt, Teile 1-3. 1884, C. Vetter, Wien. S, 198
  2. J. Gebhart: Österreichisches Sagenbuch, Lauffer & Stolp, 1862, Wien. S. 30-31
  3. Wienerzeitung vom 26.11.2001
  4. Johann Werfring: Wo die Jungfrau zum Fenster hinausschaut. In: Wiener Zeitung