Stephansdom: Als der Dom in Flammen stand

Aus City ABC

Die Wahrheit über den Brand von St. Stephan

von Dr. Jörg Mauthe
Aus: Der Dom zu St. Stephan in Wien, Festschrift zur Wiedereröffnung des Albertinischen Chors, 1952, im Eigenverlag der Dompfarre, S. 15-16

Sonntag, 8. April 1945

Truppen der deutschen Wehrmacht kontrollieren noch immer auf ihrem Rückzug den ersten Wiener Gemeindebezirk, die Innere Stadt. In den frühen Nachmittagsstunden Bombenangriff russischer Flieger. Eine Bombe fällt neben dem Hochturm von St. Stephan, eine andere durchschlägt das rechte Seitenschiff. Kein bedeutender Schaden. Aber eine andere Gefahr droht: Feuer! Die Häuser des Stephansplatzes, gegenüber dem Riesentor, sind in Brand geraten. Der ewig durch Wien fegende Wind überschüttet den Dom mit einem wahren Feuerregen. Das Gerüst des unausgebauten Turmes beginnt zu brennen. Unter großer Mühe einiger weniger freiwilliger Helfer - die Wiener Feuerwehr war bekanntlich mitsamt ihren Geräten von Wien abgezogen worden - kann das Feuer gelöscht werden. Auch ein Brand auf dem hohen Turm, dem "Steffel", unterhalb der "Pummerin", wird rechtzeitig entdeckt und beseitigt. Am Abend scheint alle Gefahr gebannt. Doch um 10 Uhr 30 neuer Alarm: Die Turmspitze brennt! Inmitten des Artilleriefeuers, ohne Rücksicht auf den Funkenflug, bekämpft eine Handvoll Männer allein mit Wassereimern den Brand, in 120 m. Höhe. Mit Erfolg.

Montag, 9. April 1945

Die Innere Stadt ist noch immer Kriegsschauplatz; russische Granaten schlagen in und neben den Turm ein. Kein besonderer Schaden.

Dienstag, 10. April 1945

Truppen der Roten Armee rücken durch die Straßen der Inneren Stadt zum Donaukanal vor.

Mittwoch, 11. April 1945

Um die Mittagszeit eröffnen deutsche Batterien von jenseits der Donau starkes Feuer auf den Stadtkern von Wien. Der Turm von St. Stephan erhält neue Treffer, das Dach des Doms wird an vielen Stellen durchlöchert. Banden, hauptsächlich zivile Plünderer, ziehen herum. Nach ihnen beginnen die bisher noch nicht zerstörten Häuser am Stephansplatz von unten zu brennen. starker Funkenflug. Der Wind dreht sich und trägt das Feuer auch in das Curhaus. Über dem Dom geht ebenfalls ein neuer Funkenregen nieder. Brandherde im Dach über dem rechten Seitenschiff können gelöscht werden. Ebenso ein neuer Brand im hohen Turm. Noch...

Donnerstag, 12. April 1945

Zwischen 9 und 1 Uhr früh fängt das Gerüst des nicht ausgebauten Nordturmes abermals Feuer. In kurzer Zeit entwickelt sich eine hohe Feuersäule. Prasselnd steigt sie gegen den Himmel. Diesmal reichen die Kräfte nicht mehr. Die Handvoll todesmutiger Männer steht einem hoffnungslosen Werk gegenüber. Weitere Kräfte heranzuziehen, ist unmöglich. Die Katastrophe ist da. Das Feuer greift auf das Innere des Turmes über und frisst sich in das hölzerne Chorgestühl ein. Bald bricht es zusammen. Brennende Balken fallen auf das Dach des Langhauses und stecken es ebenfalls in Brand.

Um zirka 11 Uhr vormittags steht bereits der ganze Mittelteil des gewaltigen Dachstuhles in flammen. Ein einziges Lichtbild von der Katastrophe gibt diese Situation wieder.

Um 13 Uhr sinkt der Dachreiter auf dem First des Chordaches um. Der Glockenstuhl des Hauptturmes wird nun ein Opfer des Feuers. Binnen kurzem ist er zerstört. Die "Pummerin" zerspringt und fällt mit den brennenden Balken in das Kircheninnere neben den Eingang.

Durch eine große Gewölbeöffnung über der Orgel fällt - es ist bereits Donnerstag Nachmittag - Glut in das Orgelwerk. Im Nu brennt es lichterloh und entwickelt im Kircheninneren eine furchtbare Hitze. Endlich springen die Flammen noch auf das Innere des südlichen Heidenturmes über. Noch immer glaubt man, das Innere der Kirche mit Ausnahme der großen Orgel und des "Wimpassinger Kreuzes" erhalten zu haben...

Freitag, 13. April 1945

Kurz war diese Hoffnung. Um 4 Uhr 15 früh stürzt eine Stützmauer des Dachstuhles ein, durchschlägt die Gewölbe, zertrümmert die Emporen und das gotische Chorgestühl. Alles brennt augenblicklich. Die Katastrophe war vollständig...


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