Schab den Rüssel

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Sagen und Legenden
Schab den Rüssel
Relevante Orte: Rotenturmstraße 29
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Es war einmal ein Goldschmiede-Handwerksbursche, der spät abends zum Rotenturmtor hineinwollte. Er hoffte hier auf Arbeit, da er keinen müden Kreuzer mehr hatte. Er klopfte an das Tor und die Wache machte nach einigen Minuten auch wirklich auf. Allerdings versperrte sie das Tor mit einem ellenlangen Spieß und verlangte den „Sperrkreuzer“, den der Bursche natürlich nicht hatte. Sämtliche Überredungskünste halfen nichts, und so fiel das Tor wieder zu.

Da tauchte aus dem Nichts eine hohe Gestalt in blutrotem Mantel auf, die eine Feile aus der Tasche zog. “Kennst du das? Wenn du mit der Feile über den Mund fährst und dabei sagst: „Schab den Rüssel!“, so fällt Dir ein Goldstück aus dem Munde! Ich geb sie Dir, wenn du dieses Blatt hier unterschreibst“ – und zog eine Rolle Papier heraus. Dem Handwerksburschen wurde angst und bang, aber er unterschrieb. Da war die große Gestalt auch schon fort und der Junge hielt die Feile in der Hand.

Bei jeder Verwendung der Feile kam tatsächlich ein Goldstück aus dem Mund des Benutzers, und so kam er nicht nur in die Stadt hinein, er hatte bald auch einen großen Teufelsschatz angehäuft (und dafür eine immer wunde Lippe).

Im Laufe der Jahre gründete er eine Familie, hatte ein gut florierendes Goldschmiedegeschäft, aber vergaß auch seine ärmliche Herkunft nicht. So half er seinen Nachbarn aus der Not, beschenkte arme Gesellen, die in sein Geschäft kamen, reichlich und lebte ein glückliches Leben. Mit den Jahren war der einstige Handwerksbursche alt und kränklich geworden und eines Tages fühlte er, dass es mit ihm zu Ende gehe. Als er so auf seinem Leidensbette lag und vor sich hinstarrte, erhob sich auf einmal ein heftiger Sturm, dass das Haus erbebte, und im nächsten Augenblick stand der rote Fremde vor ihm.

In seiner Todesangst rief der Goldschmied: "Schab den Rüssel!" Aber diesmal flog die Feile nicht ihm selber an den Mund, sondern dem andern und so geschäftig fuhr sie hin und her, dass der unheimliche Fremde laut aufheulte und augenblicklich verschwand.

So hatte der Goldschmied seinen gottlosen Jugendstreich durch seine guten Taten gesühnt und seine Seele konnte zu den Gerechten in den Himmel eingehen. Noch lange danach hieß das Haus in der Rotenturmstraße, in dem der Goldschmied seinen Laden gehabt hatte, "Zum Schab den Rüssel!" und so ist durch diesen Namen die Kunde von ihm und seinem Teufelsbündnis auch für die späteren Geschlechter lebendig geblieben.[1]



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Quellen

  1. NN: Die schönsten Sagen aus Österreich, o. J., Seite 53