Stephansdom: Gedichte, Die Totenmette im Stephansdom

Aus City ABC

(Weitergeleitet von Die Totenmette im Stephansdom)

Gedichte
Die Totenmette im Stephansdom
Wickenburg verfasste eine gruselige Sage in Form eines Gedichtes über die Totenmette im Stephansdom. Die Sage selbst kann ebenfalls nachgelesen werden, sie findet sich auf der Seite Stephansdom: Die Legende der Totenmesse

Solch stürmische Christnacht gab's wahrlich noch nicht!
Dem Stephansturm kracht's im Gerippe,
Und hoch in den Wolken zuckt schreckliches Licht,
Als käm' jetzt der Heiland zum jüngsten Gericht,
Und nicht erst als Kindlein zur Krippe!

Im Pfarrhof da drinnen ein würdiger Greis
Steht lauschend am klirrenden Fenster,
Und unten im Freithof die Kreuze, so weiß,
Von flaumigen Flocken umwirbelt im Kreis,
Sie starren ihn an wie Gespenster.

Horch! Mitternacht dröhnt es . . . vom Dom tönt ein Chor?
Dem Pfarrer wird angst und beklommen:
Er wahrt doch den Schlüssel so heut', wie zuvor,
Wie sind durch der Kirche verschlossenes Tor
Die Leute so lautlos gekommen?

Ein Weilchen nur zagt er . . . im Namen des Herrn
Dann wagt er's, hinüber zu gehen. —
Am Himmel erglänzt noch kein einziger Stern,
Verschneit ist der Pfad, und beim Schein der Latern'
Ist nirgends ein Fußtritt zu sehen.

Und sieh! . . . in der Kirche, da drängt sich's fürwahr
Von Betern im dämmernden Raume,
Vorn flimmern die Kerzen am hohen Altar,
Und dort steht ein Priester mit silbernem Haar —
Der Pfarrer erschaut's wie im Traume.

Sie singen so schnarrend, sie grinsen so kalt,
Sie sind ihm bekannt und doch fremde,
Und Männer und Weiber, ob jung oder alt,
Jedweden der hageren Leiber umwallt
Ein langes, ein schneeweißes Hemde.

Jetzt kehrt sich der Priester mit segnender Hand
Und plötzlich erschweigen die Stimmen,
Und schon hat der Pfarrer, vom Schreck übermannt,
Im Antlitz des andern sein eignes erkannt
Und fühlt seine Sinne schwinden.

Und wie er erwacht, ist es finster und graus,
Die Beter sind alle verschwunden,
Der wankende Greis stürzt zum Tor hinaus,
Und atemlos keuchend erreicht er sein Haus,
Gehetzt wie von kläffenden Hunden. —

Noch sitzt er am Tisch, wie der Morgen schon graut,
Und schreibt, dass die Finger ihm lahmen,
Verzeichnet sie Alle, die er erschaut,
Und setzt auf die Liste mit schaudernder Haut
Zuletzt noch den eigenen Namen. —

Und Monde verrinnen, der Winter vergeht,
Und schon stürmt der Lenz in die Lande,
Doch wie die Natur nun vom Tode ersteht,
Da kommt erst der Tod für die Menschen geweht,
Der schwarze, vom indischen Strande!

Bald trauert der Pfarrer um seine Gemein,
Das Glöcklein will nicht verhallen,
Schon steht auf der Liste sein Name allein,
Da streicht auch noch diesen der grimme Hein —
Die Weihnacht schaut Kein's mehr von Allen.



Gehe weiter zu Stephansdom: Die Dienstbotenmuttergottes


Gehe zurück zu Stephansdom