Die Spinnerin am Kreuz

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Sagen und Legenden
Die Legende vom ver-borgenen Schatz
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Die Spinnerin am Kreuz

Auf dem Wienerberg, an der Triester Straße 56, steht seit dem Mittelalter eine Steinsäule, um die sich zahlreiche Sagen ranken.

Als man zur Zeit der Kreuzzüge aus dem Süden kam, erhaschte man von diesem Punkt aus den ersten Blick über Wien. Später markierte sie wahrscheinlich die äußerste Grenze der Wiener Stadtgerichtsbarkeit.

Die gotische Säule, die bereits eine noch ältere ersetzt haben dürfte ("ain stainern kreucz ob meurling", erstmals 1296 erwähnt), wurde 1452 von Hans Puchsbaum, dem Dombaumeister von St. Stephan errichtet. Im Zuge der Türkenbelagerung 1529 wurde sie schwer beschädigt, Paul Khölbl erneuerte sie daher 1598. 1650 wurde eine Inschrift auf der 16 Meter hohen Säule angebracht. An der Säule befinden sich figürliche Darstellungen der Kreuzigung, Geißelung, Dornenkrönung und Ecce homo.

Im Umfeld der Säule fanden öffentliche Hinrichtungen statt, hauptsächlich durch das Rad und den Galgen. Als 1927 der George-Washington-Hof erbaut wurde, fanden sich zahlreiche Skelette von Gehenkten. Die letzte Hinrichtung fand am 30.5.1868 statt, es handelte sich dabei um den Raubmörder Georg Ratkay. Es ist also am wahrscheinlichsten, dass die Säule als Totenleuchte für die Hingerichteten gedient hatte. Eingestellt wurden die Hinrichtungen hier, weil Maria Theresia auf ihren Fahrten nach Laxenburg den Anblick der Gehenkten nicht mehr ertragen konnte, auf ihren Wunsch hin wurden 1747 die Verurteilungen auf die Rossauer Lände verlegt. [1]

Der heutige Name "Spinnerin am Kreuz" ist seit 1804 nachgewiesen.

Die Legende

Spinnerin am Kreuz

Als Wien in die heiligen Kreuzzüge verstrickt war, zogen zahlreiche Wiener Bürger fröhlich mit in den Krieg. Einer dieser tapferen Wiener war ein junger Mann, der gerade erst geheiratet hatte. Seine Frau flehte ihn an zu bleiben der antwortete jedoch: "Um das Grab des Herrn zu befreien, verlässt man wohl auch das Dach des heimatlichen Hauses!" und fort ging er. Seine Frau begleitete ihn noch bis zum Wienerberg, bis zu der Stelle, an der ein hölzernes Kreuz stand, und schaute traurig dem Kreuzheer hinterher.

Schon lange waren die Ritter nicht mehr zu sehen, kniete die Frau immer noch am Kreuz und betete: "Oh heilige Mutter Gottes, wenn du mein Flehen hörst und den Gatten wohlerhalten wieder zu mir zurückbringst, so erbaue ich statt des Kreuzes hier aus schlichtem Holze ein steinernes Denkmal für alle Zeiten, der Gegend zur Zierde und Ehre." Nun kostete aber so ein steinernes Monument eine Menge Geld, und die Frau war nicht reich. Also setzte sie sich an den Fuß des Holzkreuzes und begann eifrig zu spinnen, Tag und Nacht, um die Arbeit zu verkaufen und die Erlöse zu sammeln. Tage, Wochen, Monate, Jahre vergingen, und die Spinnerin saß am Kreuz, weinte, schaute nach kommenden Truppen und arbeitete.

Der brave Mann hatte inzwischen am Jordanfluss gekämpft, er war mehrfach schwer verletzt worden, und schließlich von den Sarazenen gefangen genommen worden. Nach Jahren schaffte er es durch List und Kraft sich aus seinen Fesseln zu befreien und flüchtete.

Inzwischen saß die fleißige Frau, die nun als "Spinnerin am Kreuz" bekannt war, immer noch am Fuß des Kreuzes und erledigte ihre Arbeit. Da die Bevölkerung sie und ihre Absichten nun kannte, bekam sie für ihr Gespinntes gutes Geld, keiner feilschte mit ihr, manche Adligen überzahlten sie sogar. So hatte sie schließlich genug Geld beisammen, um mit dem Bau der steinernen Säule beginnen zu können. Die Säule war bereits fertig, und immer saß sie noch hier, auf ihren Mann wartend. Eines Tages blitzte in der Ferne etwas - das Metall der Rüstungen und Waffen spiegelte sich, und bald war der Kreuzzug bei ihr angelangt. Und: Aus der Mitte der Ritter sprang der Mann, auf den die Spinnerin so lange gewartet hatte. Vor Freude fiel sie ohnmächtig in seine Arme.

Glücklich gingen die beiden nach Hause. Der Mann hatte aber etwas mitgebracht: Eine Pflanze, die man hier noch nie gesehen hatte. Man konnte sie als Heilkraut verwenden, aber auch zum Verfeinern von Speisen und Färben von Stoffen, es handelte sich um den Safran. Da Paar lebte nun glücklich und von der Bevölkerung geehrt , denn jeder kannte die Geschichte um das steinerne Monument und die Treue der Gattin. [2]


Dass diese hübsche Legende nicht der Wahrheit entspricht, ist zu vermuten. Vielmehr lautete der Name der Säule "Crispinus" - oder "Spinnerkreuz", da auf ihr der Heilige Crispinus dargestellt war. Er war der Schutzpatron der Schuster, weshalb die folgende Legende glaubwürdiger erscheint:

Es wird von einem Schuster berichtet, der Spinner geheißen haben soll. Dieser Spinner soll einem entflohenen Gefangen verweigert habe, Schuhe für ihn anzufertigen. Als der Verbrecher wieder eingefangen wurde, wurde er zum Tode verurteilt und sollte am Galgen am Wienerberg hingerichtet werden. Da entsann sich der Verbrecher der versagten Schuhe und behauptete - aus Rache - das der Schuster Spinner sein Komplize gewesen sei. Sofort wurde auch der Schuster verhaftet und weil der Verbrecher auf seiner Lüge beharrte, wurde auch Spinner zum Tod durch den Galgen verurteilt. Die beiden Verurteilten wurden also zum Galgen geführt, und als der Schuster schon auf der Leiter an er Schwelle seines Todes stad, bekannte der Verbrecher seine Lüge, und dass der Schuster gänzlich unschuldig sei. So dem Tod entkommen, stiftete der Schuster aus Dankbarkeit über seine Rettung die Säule, die nun den Namen "Spinnerkreuz" erhielt. [3]



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Quellen

  1. Archiv Wien, Archiv Verlag, Blatt W 06003
  2. Moriz Bermann: Alt-Wien in Geschichten und Sagen für die reifere Jugend. F. Fridrich, Wien, 1865, S. 2 ff
  3. Anton Ziegler: Vaterländische Immortellen aus dem Gebiete der österreichischen Geschichte, der alten, mittleren, neuern und neuesten Zeit gesammelt, und mit einer höchst interessanten Bilderschau der merkwürdigsten Handlungen ausgezeichneter Personen, historischer Ereignisse, wohlthätiger Stiftungen, ehrwürdiger Denkmale, geschichtlicher Sagen und glaubwürdiger Legenden ausgestattet. A. Ziegler, Wien, 1840, S. 23 f